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Ein Mensch des Friedens und der Gewaltfreiheit werden

Das erste deutschsprachige Buch des us-amerikanischen Priesters John Dear ist zu Ostern 2018 erschienen

 

Das Imperium des Todes ließ Jesus von Nazareth nach der ihm eigenen Ordnung ‚rechtmäßig hinrichten’ und sein Grab durch Soldaten versiegeln. Jesus aber missachtete das imperiale Amtssiegel und die Militärwache, verließ das Grab und stiftet seit nunmehr zweitausend Jahren Menschen auf dem ganzen Erdkreis zum Aufstand gegen den Tod an.

Zu diesen Menschen zählt auch der der us-amerikanische Priester, Autor und Friedensaktivist John Dear. Aufgrund seines zivilen Ungehorsams wider das "Imperium" todbringender Mächte wurde er mehr als 75 Mal inhaftiert. Von seinen über 30 Buchveröffentlichungen liegen Übersetzungen in zehn Sprachen vor. Mit einem Buchband erschließen Thomas Nauerth (Herausgeber) und Ingrid von Heiseler (Übersetzerin) vor dem diesjährigen Osterfest erstmals eine repräsentative Textauswahl für das deutschsprachige Lesepublikum:

John Dear: Ein Mensch des Friedens und der Gewaltfreiheit werden. Ausgewählte Aufsätze und Reden. Übersetzt von Ingrid von Heiseler, ausgewählt & herausgeben von Thomas Nauerth, mit einem Vorwort von Peter Bürger. Norderstedt: BoD 2018. ISBN: 978-3-7460-8898-3 [168 Seiten; Preis 6,99 Euro]

Vorschau zum Inhaltsverzeichnis & Bestellmöglichkeit:
https://www.bod.de/buchshop/ein-mensch-des-friedens-und-der-gewaltfreiheit-werden-john-dear-9783746088983

Nachfolgend dokumentieren wir das Vorwort von Peter Bürger zu dieser Neuerscheinung:

Vorwort zum neuen Buch von John Dear

In seiner wahrlich ‚historischen’ Rede vor dem US-Kongress kam Bischof Franziskus von Rom am 24. September 2015 ausführlich auf Martin Luther King, Dorothy Day und Thomas Merton zu sprechen. Diese drei ‚großen Namen’ verweisen auf das Zeugnis einer Kirche der Armen und stehen für eine Botschaft universeller Solidarität. Sie erinnern uns außerdem - in einer Weise der Stellvertretung - an die vielen Christinnen und Christen in den Vereinigten Staaten von Amerika, die sich im letzten Jahrhundert nachhaltig von Gandhis Weg der Gewaltfreiheit inspirieren ließen. Prominente christliche Leitgestalten innerhalb einer Bewegung, von der wir in Europa viel lernen durften, waren auch die Priester Daniel und Philip Berrigan. Diese beiden Brüder haben die symbolisch direkt störende und zerstörende Aktion populär gemacht, um dem Kriegsgötzen Widerstand entgegenzusetzen und die profitablen Geschäfte seiner Handlanger zu demaskieren.

1. In der Tradition der Berrigans steht John Dear, der unter Bezugnahme auf Daniel Berrigan SJ über die ‚Illegalität von Ostern’ sagen kann: "Die Auferstehung ist die größte Tat des zivilen Ungehorsams in der gesamten Menschheitsgeschichte". Aufgrund seines eigenen zivilen Ungehorsams und des Widerstands gegen die Apparatur des Krieges wurde John Dear mehr als 75 Mal inhaftiert; seine längste Haftstrafe belief sich auf acht Monate Gefängnis. Von seinen über 30 Buchveröffentlichungen liegen Übersetzungen in zehn Sprachen vor.

John Dear ist gegenwärtig einer der populärsten Botschafter des gewaltfreien Weges in den USA. Als "Peacemaker", Organisator, Autor und Vortragsreisender wirbt er seit Jahrzehnten für ein entschiedenes Christsein: "In diesen dunklen Zeiten ist unsere Aufgabe einfach: die Wahrheit sagen, gegen Krieg und Ungerechtigkeit Widerstand leisten, Gewaltfreiheit üben, den Armen beistehen, alle Menschen lieben, beten und die Vision einer neuen Welt ohne Krieg, Armut und Atomwaffen aufrechterhalten. Wir sind berufen, dem gewaltfreien Jesus auf der Straße des Friedens zu folgen."

Mit dem hier dargebotenen Buchband erschließt Thomas Nauerth, Herausgeber der digitalen "Handbibliothek Christlicher Friedenstheologie" [ http://www.friedenstheologie.de/ ], erstmals eine repräsentative Textauswahl für das deutschsprachige Lesepublikum. Die Übersetzungen verdanken wir Ingrid von Heiseler [ http://ingridvonheiseler.formatlabor.net/ ].

In den Texten werden unterschiedliche Seiten und Wirkungsfelder des Autors vermittelt: sein Charisma als Redner, seine schriftstellerische Friedensarbeit sowie schließlich auch - exemplarisch - seine Friedensmissionen in der Nähe und in ‚aller Welt’ (Afghanistan-Tagebuch 2012).

2. Zum ersten Mal bin ich John Dear im Juni 2015 auf dem Rastatter Kongress "Gerechten Frieden weiterdenken" der deutschen Sektion von pax christi begegnet. Mich beeindruckte sein Sinn für visionäre Forderungen, die er mit höchster Verbindlichkeit angeht: "Wir müssen den Papst bitten, der Kirche eine Enzyklika über die Gewaltfreiheit zu schenken." Viele Vorträge in Rastatt waren akademischer Natur und zeugten nicht unbedingt von Leidenschaft. Mit Johns Beitrag "Spiritualität der Gewaltfreiheit" kam eine neue Tonart ins Spiel. Er war sich dessen wohl bewusst und versicherte den Zuhörern mit einem Schuss Selbstironie, keineswegs "zu viel Kaffee" getrunken zu haben. Während der Ausführungen hörte ich eine ganze Weile Johns Stimme und schaute gleichzeitig in das Gesicht der uns zugewandten Übersetzerin. In diesem Gesicht war die ‚energetische’ Seite, die dieser US-amerikanische Botschafter des gewaltfreien Weges einbrachte, ablesbar: Freude. Die Übersetzerin hat mir dann in einer Konferenzpause bestätigt, dass es auch ihre ureigene Freude war.

John Dear weiß aufgrund eigener Erfahrungen, dass der Widerstand gegen das ‚Imperium der Gewalt’ einem Friedensarbeiter viele Nachteile, Missachtung und sogar Monate im Gefängnis einbringen kann. Trauer, Schmerz und Freude gehören gleichermaßen zum mitfühlenden Weg der Gewaltfreiheit: "Seht Erzbischof Tutu. Er tanzt durch sein Leben, obwohl er sein Leben lang unter Todesdrohung gestanden hat. Liebe Freunde, fangt zu tanzen an!"

3. An nicht wenigen Stellen seiner Texte, in denen vom Imperium (Empire) die Rede ist, bezieht sich John Dear auf die Vereinigten Staaten und deren Rolle als hochgerüstete ‚Weltmacht Nummer Eins’. Wenn wir ihm hier folgen wollen, werden wir bei uns nationale Militärdoktrinen zur Sicherung geostrategischer und wirtschaftlicher Interessen etc. anprangern - statt nach dem Vorbild rechter Kreise die eigene Nation (bzw. Europa) lediglich als einen willenlosen ‚Spielball der USA’ wahrzunehmen. Die imperiale Vormachtstellung auf dem Globus fällt einem Land in der Geschichte vor allem aufgrund bestimmter ökonomischer Konstellationen zu und nicht etwa deshalb, weil seine Bewohner besonders böse wären. (Sie ist außerdem vorübergehend. Bald schon könnte z.B. die Zeit der USA als ‚Supermacht’ endgültig vorbei sein.) Glaubwürdig ist allein eine Kritik, die das gegenwärtige und jedes nachfolgende Imperialgefüge in Frage stellt. Die menschliche Zivilisation kann sich in ihrem fortgeschrittenen Stadium überhaupt kein Imperium - d.h. eine Herrschaft von Ländern oder Militärbündnissen über andere - mehr leisten. Für den zivilisatorischen Ernstfall des 3. Jahrtausends gilt, was Martin Luther King so ausdrückt: "Wir haben nicht mehr die Wahl zwischen Gewalt und Gewaltfreiheit, sondern nur noch zwischen Gewaltfreiheit und Nichtexistenz." An die Stelle des Krieges muss ein Zeitalter der globalen Zusammenarbeit treten. Dazu gibt es keine Alternative, sofern die Erde ein Lebensraum für alle Menschen bleiben soll.

In den theologischen Grundaussagen von John Dear wird nun allerdings mit dem Terminus "Imperium" in der Regel gar kein bestimmtes Land bzw. Machtzentrum bezeichnet. "Imperium" meint in einem befreiungstheologischen Kontext mehr als ein Gebilde, das geographisch eingekreist und dingfest gemacht werden kann. In der auch von John Dear rezipierten Theologie eines Walter Wink kommt ein System von Herrschaft zur Sprache, das sich durch den Mythos erlösender Gewalt legitimiert. Dieses todbringende "Imperium der Gewalt" manifestiert sich in sichtbaren ökonomisch-militärischen Strukturen, politischen Regierungskomplexen usw., ist mit diesen aber nicht deckungsgleich. Es handelt sich - grundlegend - bei diesem "Imperium" eher um ein zerstörerisches ‚Zivilisationsprogramm’.

4. Anfang der 1980er Jahre verspürte John Dear als junger Mann eine Berufung zur Friedensarbeit gemäß der Bergpredigt Jesu und trat in den Jesuitenorden. Das Zeugnis von Bischof Oscar Romero († 1980) und das Martyrium einer ganzen Jesuiten-Kommunität (1989) in San Salvador sind für seinen späteren Weg als Priester sehr bedeutsam. Als 75 Soldaten einer Einheit am 20. November 2003 vor seinem Pfarrhaus im Nordosten von New Mexico marschieren und "Töten, töten, töten!" schreien, hält er eine Ansprache: "Im Namen Gottes befehle ich euch, aus dem Militär auszutreten, nicht in den Irak zu gehen, weder jemanden zu töten noch euch töten zu lassen!" Man muss hier unweigerlich an den berühmten Aufruf zur Befehlsverweigerung denken, den Oscar Romero kurz vor seiner Ermordung an die Militärangehörigen in El Salvador gerichtet hat.

Anfang 2014 verlässt John nach über drei Jahrzehnten den Jesuitenorden, was er zeitnah in einem Beitrag beleuchtet. Der ewige Zwiespalt zwischen Prophetenauftrag und Priesteramt mag in diesem Fall auf Dauer für alle Beteiligten anstrengend gewesen sein. Das Abrücken der US-amerikanischen Jesuitenoberen von einer gelebten Option für Gerechtigkeit und Frieden, wie sie der Orden unter der Leitung des heiligmäßigen Pedro Arrupe entfalten konnte, lässt sich mit fehlendem Ordensnachwuchs kaum erklären und muss für John Dear sehr schmerzhaft gewesen sein. Eine Verbitterung gegenüber der Kirche, der zum Zeitpunkt seines Ordensaustritts bereits ein Jesuit als Bischof von Rom diente, bringt der Text jedoch nicht zum Ausdruck.

5. Meine zweite Begegnung mit John Dear erfolgte im April 2016 auf dem internationalen katholischen Kongress "Nonviolence and Just Peace" in Rom. John wies beim Wiedersehen sogleich auf eine Freundin an seiner Seite, die nordirische Friedensnobelpreisträgerin Mairead Maguire, hin und beglückwünschte mich zur Möglichkeit, eine der großen Lehrerinnen des gewaltfreien Weges in der weltweiten Christenheit kennenzulernen. Mit kraftvoller Autorität und Stimme trug Mairead im Plenum ihre Absage an die militärische Heilslehre vor: "Violence doesn’t work!" Gewalt funktioniert nicht! Das einzige, was man mit ihr bewerkstelligen kann, ist die Verbreitung von Tod und Tränen.

Oft sind wir ratlos und verstehen nicht, warum der offenkundige Bankrott des Kriegsapparates im politischen Raum so hartnäckig geleugnet wird. Gerade aus Beiträgen von US-amerikanischen Theologen können wir gut lernen, dass diese Irrationalität nicht allein mit Rüstungsprofiten zu tun hat, sondern in einer machtvollen ‚Religion der Gewalt’ wurzelt. Dieser Komplex macht uns blind für die Alternativen zur Gewalt, die er zur Aufrechterhaltung der Kriegsmaschine unserem Vorstellungsvermögen ganz entziehen muss.

Für das ‚Imperium’, das sich im Bereich des Äußeren mit einem ‚Hightech’-Militärsystem aufrechterhält, sind Aufrufe zum bewaffneten Widerstand nicht gefährlich, sondern nur jene Bewegungen und Erfahrungen, durch die sich die revolutionäre Grundgewissheit von Gandhi verbreitet: "Gewaltfreiheit ist die großartigste und aktivste Kraft in der Welt" - stärker als die Waffen im gesamten Universum. John Dear gehört - wie wohl alle Teilnehmer der weltkirchlichen Friedenskonferenz des Jahres 2016 - zu den Menschen, die immun werden möchten gegen die Einflüsterungen der Vergeblichkeit: "Hoffnung ist die endgültige Weigerung aufzugeben" (Martin Luther King Jr.).

Der Papst hat zwar noch nicht die Enzyklika über Gewaltfreiheit geschrieben, doch John berichtet im letzten Beitrag der vorliegenden Textauswahl über eine päpstliche Botschaft zum Weltfriedenstag 2017, die den Titel "Gewaltfreiheit: Stil einer Politik für den Frieden" trägt. Franziskus hat außerdem im November 2017 der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) seinen Dank ausgesprochen und ausdrücklich schon den bloßen Besitz von Atomwaffen scharf verurteilt, womit die vom letzten Konzil vorgenommene Verdammung des Systems der Massenvernichtung an Eindeutigkeit noch überboten wird. Auch der Ruf von Friedensbotschaftern aus der ganzen Weltkirche, die unselige Lehre vom sogenannten ‚gerechten Krieg’ expressis verbis aufzugeben, ist nicht auf taube Ohren gestoßen. Zwischenzeitlich hat Franziskus in einem als Buch veröffentlichten Interview mit dem Soziologen Dominique Wolton erklärt: "Wir müssen das Konzept vom ‚gerechten Krieg’ heute überdenken. Kein Krieg ist gerecht. Das einzige, was gerecht ist, ist der Frieden."

Veröffentlicht am

27. März 2018

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