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Schweiz uneins über Rechte von Papierlosen

Kanton Genf erleichtert es Menschen ohne Aufenthaltspapiere, legalen Status zu bekommen, andere wollen nachziehen. Doch auf Bundesebene drohen Verschärfungen

Von Andreas Zumach

"Operation Papyrus" - so heißt das Projekt, das den "Sans-Papiers" im Westschweizer Kanton Genf einen neuen Weg eröffnen sollte: AusländerInnen ohne Aufenthaltspapiere können in dem bis Ende 2018 laufenden Pilotprojekt einen legalen Status erwerben. Doch solche Initiativen sehen sich mit zusehends gegensätzlicher überregionaler Politik konfrontiert: Am Mittwoch will der Nationalrat, das Berner Bundesparlament, landesweit gültige Verschärfungen für die "illegalen" AusländerInnen beschließen.

In der Schweiz leben je nach Schätzung zwischen 70.000 und 200.000 Menschen ohne gültige Aufenthaltspapiere. Zu den "Sans-Papiers" gehören im Wesentlichen drei Gruppen: Einmal sind es einst von der Schweiz rekrutierte SaisonarbeiterInnen aus dem früheren Jugoslawien, deren Arbeits- und Aufenthaltsstatut aber Mitte der 90er Jahre abgeschafft wurde. Eine zweite Gruppe machen ArbeitsmigrantInnen aus, mehrheitlich Frauen, vor allem aus Lateinamerika, den Philippinen und Osteuropa. Die dritte Gruppe besteht aus Flüchtlingen und Asylsuchenden, deren Antrag abgelehnt oder gar nicht behandelt wurde.

Allerdings: "Operation Papyrus" gilt nur für die ersten beiden Gruppen und damit nur für etwa ein Viertel der rund 13.000 Sans-Papiers in Genf. Rund 1.100 dieser MigrantInnen haben nach einer Zwischenbilanz der Regierung von Ende Februar bislang einen sogenannten B-Ausländerausweis beantragt und erhalten. Damit sind sie zunächst zu einem einjährigen Aufenthalt und einem legalen Arbeitsverhältnis berechtigt. Dafür müssen die Sans-Papiers eine Reihe von Voraussetzungen erfüllen - finanziell unabhängig sein etwa.

Bis Ende 2018 könnten noch weitere 2.000 Personen davon Gebrauch machen. Der Genfer Wirtschafts- und Sicherheitsminister Pierre Maudet von der freisinnigen FDP feiert die "Operation Papyrus" auch als "erfolgreiche Maßnahme zur Bekämpfung der Schwarzarbeit". Doch für die rund 10.000 abgelehnten Flüchtlinge und Asylbewerber in Genf bringt das nichts. "Papyrus ist für die Latinos, aber nicht für die Schwarzen und die Araber", zitiert die Schweizer WOZ deshalb die Kritik eines Genfer Aktivisten.

Genf ist unter den 26 Kantonen einer, die am meisten abgewiesene Asylsuchende in ihre Herkunftsländer abschieben beziehungsweise im Rahmen des Dublin-Abkommens in jene Länder, in denen sie zuerst registriert wurden. Dennoch: im Vergleich etwa zum Kanton Zürich, wo 2017 gerade einmal zwei Sans-Papiers einen legalen Aufenthaltsstatus erhielten, ist das Genfer Projekt zumindest ein relativer Fortschritt. Basel, Bern und andere Kantone erwägen, das Modell zu übernehmen.

Doch alle relativen Verbesserungen auf kantonaler Ebene könnten bald zunichtegemacht werden. Am Mittwoch will der Nationalrat mit der Mehrheit aus rechtspopulistischer SVP, freisinniger FDP und christlicher CVP eine Gesetzesvorlage mit erheblichen Verschärfungen für Sans-Papiers beschließen: Ihr bisheriger Rechtsanspruch auf Sozialversicherungsleistungen soll wegfallen, sie können sich nicht mehr bei einer Krankenkasse versichern, ihre Vermieterinnen und Arbeitgeber sollen künftig härter bestraft werden und Schulen verpflichtet werden, papierlose SchülerInnen den Behörden zu melden. "Schäbig und pervers" nennt der Genfer Minister Maudet diesen Vorschlag. Wenn die Schulen die Kinder von Sans-Papiers bei den Behörden meldeten, habe das "den schlimmstmöglichen Effekt: dass nämlich Kinder nicht mehr zur Schule gehen".

Quelle: taz - 06.03.2018. Wir veröffentlichen diesen Artikel mit freundlicher Genehmigung von Andreas Zumach.

Veröffentlicht am

06. März 2018

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