Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

Ihre Spende ermöglicht unser Engagement

Spendenkonto:
Bank: GLS Bank eG
IBAN:
DE36 4306 0967 8023 3348 00
BIC: GENODEM1GLS
 

VW missbrauchte Affen für manipulierte Abgasstudie

Nach dem Beispiel der Zigaretten- oder Asbestkonzerne zahlte die Autoindustrie "Studien", um Zweifel zu säen.

Von Urs P. Gasche

Im Auftrag des VW-Konzern wurden zehn Affen stundenlang Abgasen eines mit Diesel betriebenen VW-Beetle ausgesetzt. Zur Beruhigung wurden den Affen Zeichentrickfilme gezeigt. Das gab Jake McDonald in einem gerichtlichen Verhör in den USA zum VW-Skandal zu Protokoll. McDonald hatte den Test 2014 im Auftrag von VW in seinem "Lovelace Respiratory Research Institute" im US-Bundesstaat New Mexico" ausgeführt. VW dementiert nicht.

"Von Manipulation nichts gewusst"

Die Wissenschaftler seines Forschungsinstituts hätten nicht gewusst, dass ihnen VW einen Beetle zur Verfügung gestellt hatte, der absichtlich so manipuliert war, dass er nur wenige schädliche Abgase ausstieß. Der Test sollte beweisen, dass die Diesel-Schadstoffbelastung dank moderner Abgasreinigung erheblich abgenommen hat.

Laut Gerichtsakten hat der VW-Ingenieur James Liang den Testwagen beim Labor persönlich abgeliefert. Damit handelten die Wissenschaftler des beauftragten Testlabors in New Mexico grobfahrlässig. Selbst die "Stiftung Warentest" kauft sämtliche Testobjekte selber in Läden ein.

Offizielle Auftraggeberin des Tests war die "Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor" EUGT. Der Name trügt. Diese Vereinigung wurde ausschließlich von den Autokonzernen VW, Daimler und BMW finanziert. Federführender Studienleiter war Jake McDonald von VW, der in den USA in einem Gerichtsverfahren aussagen musste.

Abgastest auch mit Menschen

Das Institut des Uniklinikums Aachen hat im Auftrag der EUGT 25 junge, gesunde Personen untersucht, nachdem sie jeweils über mehrere Stunden Stickoxiden in unterschiedlichen Konzentrationen eingeatmet hatten. Das Ergebnis war - wie gewünscht - , dass keine Wirkung festgestellt werden konnte. Darüber berichtet die Stuttgarter Zeitung am 28.1.2018.

"Namhafte Universitäten und Forschungseinrichtungen"

Vom VW-Affentest haben Daimler und BMW angeblich nichts gewusst: "Daimler unterstützt und toleriert keine unethische Behandlung von Tieren und distanziert sich von der Studie", sagte eine Sprecherin gegenüber der Deutschen Presseagentur. Gleichzeitig weist Daimler darauf hin, dass alle von der EUGT beauftragten Forschungsarbeiten von einem Beirat aus Wissenschaftern von "namhaften Universitäten und Forschungseinrichtungen" begleitet und geprüft werden - von der Auswahl bis zu den Ergebnisdarstellungen.

VW-Mann Michael Spallek, Geschäftsführer der EUGT, forderte das "Respiratory Research Institute" in New Mexico noch im August 2016 - ein Jahr nach dem Auffliegen des VW-Skandals - schriftlich auf, die Affenstudie so schnell wie möglich abzuschließen.

Befund der WHO in Zweifel ziehen

Die kurz darauf aufgelöste EUGT hatte selber keine Forschung ausgeführt, sondern beauftragte und bezahlte Wissenschaftler und wissenschaftliche Institutionen. Methoden und Designs der Studien "sollten dafür sorgen, dass die Resultate der Studien den Interessen der Autoindustrie dienten", schreibt die New York Times. Insbesondere sollte der Befund der Weltgesundheitsorganisation von 2012 in Frage gestellt werden, dass Dieselabgase krebserregend sind.

So habe die EUGT zwei Studien finanziert, um zu "beweisen", dass die Luft in den Städten nicht besser würde, wenn man Dieselfahrzeuge einschränke. Unter anderem auf diese Studien stützten sich die OECD und nationale Gesundheitsbehörden, um von nötigen Maßnahmen gegen die städtische Luftverschmutzung abzusehen.

Erst letztes Jahr kam das deutsche Umweltbundesamt zum Schluss, dass beide Studien "zweifelhafte Methoden" benutzten.

Steuerprivileg für Dieselfahrzeuge erreicht

Der VW-Konzern hat nicht nur jahrelang seine Dieselfahrzeuge mit einer Software ausgestattet, um in den Zulassungstests besser abzuschneiden, sondern hat zudem - wie andere europäische Autohersteller - wissenschaftliche Forschungsinstitute dazu missbraucht, Studien zu seinen Gunsten zu erarbeiten und veröffentlichen. Als Beweis dafür zitiert die New York Times Gerichtsunterlagen und Regierungsdokumente. Die Zeitung schreibt von einem "lang anhaltenden, gut finanzierten Einsatz, um mit akademischer Forschung die politische Debatte zu beeinflussen und die Steuervorteile für Diesel zu erhalten".

Tatsächlich war es der Autoindustrie mit solchen Studien gelungen, die Aufsichtsbehörden sowie Politikerinnen und Politiker mit Erfolg zu überzeugen, dass Dieselfahrzeuge viel weniger Schadstoffe emittieren als Benzinfahrzeuge. Aus diesem Grund haben fast alle Staaten Europas die Steuern auf Diesel viel tiefer angesetzt als die Steuern auf Benzin, worauf die Marktanteile der Dieselfahrzeuge stark stiegen.

Kein Einzelfall

VW ist kein Einzelfall. Um gesetzliche Vorgaben gegen Gefahren und Risiken zu vermeiden, zahlen und publizieren Industrien sowie ihre Verbände häufig wissenschaftliche Studien, um den Politikern und der Öffentlichkeit vorzugaukeln, eine Sachlage sei "wissenschaftlich umstritten", weshalb es für Maßnahmen viel zu früh sei. "Nahrungsmittel-, Chemie- und Pharmakonzerne unterstützen schon sehr lange Forschungsinstitutionen, die ihren (geschäfts)politischen Zielen dienen", bilanziert die New York Times.

Im Jahr 2012 sind 72.000 Menschen in Europa wegen der Stickoxide vorzeitig gestorben, die hauptsächlich aus Dieselfahrzeugen stammen, heißt es in einem Bericht der zuständigen Kommission des EU-Parlaments. Davon wären rund 25.000 vermeidbar gewesen, wenn die Autokonzerne die Abgasgrenzwerte für Dieselmotoren eingehalten hätten.

Die Politik und das Lobbying von Konzernen, die Wissenschaft zu missbrauchen, um Zweifel zu säen und dann darauf zu pochen, dass zuerst "endgültige" und "zweifelsfreie" Beweise vorliegen müssten, bevor Maßnahmen ergriffen würden, war nicht nur bei den Autoabgasen erfolgreich, sondern auch bei tabakhaltigen und bei asbesthaltigen Produkten - und ist es noch heute bei hormonaktiven Substanzen, bei Pestiziden und bei klimarelevanten Faktoren.

Vermeidbares unsägliches Leid ist die Folge.

Die heutigen Spielregeln des freien Marktes sorgen nicht dafür, dass die Verursacher dafür haften und zur Kasse kommen.

Quelle: Infosperber.ch - 29.01.2018.

Veröffentlicht am

29. Januar 2018

Artikel ausdrucken

Weitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von