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Der Start der Militärunion

Für den 11.12.2017 hat die Bundesregierung den offiziellen Einstieg in die EU-Militärunion angekündigt. Dazu wird der Europäische Rat 17 Projekte in aller Form verabschieden, die dem Aufbau gemeinsamer EU-Militärstrukturen dienen. Deutschland führt unter anderem den Aufbau eines Europäischen Sanitätskommandos an, das - neben dem seit 2010 bestehenden Europäischen Lufttransportkommando - als ein unverzichtbares Element künftiger EU-Kriegseinsätze gilt. Zudem baut Berlin Logistikstrukturen auf, die Interventionen binnen kürzester Frist ermöglichen sollen. Auf beiden Feldern ist die Bundeswehr auch im NATO-Rahmen aktiv. Die operative Vorbereitung kommender Militäreinsätze ist dabei von heftigen deutsch-französischen Machtkämpfen geprägt. Wie es im Bundesverteidigungsministerium heißt, dient die Militärunion nicht nur dem Ziel, "Eigenständigkeit" gegenüber den Vereinigten Staaten zu erlangen; sie soll auch die auf zivilem Weg nicht hinlänglich erreichbare "Integration" der EU voranbringen.

Pflicht zur Aufrüstung

Für den 11.12.2017 hat die Bundesregierung die endgültige Verabschiedung des EU-Militarisierungsprogramms "PESCO" (Permanent Structured Cooperation) angekündigt. Das Programm, dessen Notifizierung bereits am 13. November unterzeichnet wurdeS. dazu Ein bürgernahes Thema ., sieht den systematischen Ausbau der Militärkooperation innerhalb der EU vor; dazu sollen nun die ersten 17 Einzelprojekte beschlossen werden. Vier von ihnen stehen unter deutscher Führung. Darüber hinaus verpflichten sich die 25 EU-Staaten, die an dem Programm teilnehmen, "regelmäßig die Verteidigungshaushalte real zu erhöhen"; der Anteil der Rüstungsausgaben an ihren Wehretats soll auf 20 Prozent ansteigen; die Investitionen in die Rüstungsforschung sollen zwei Prozent erreichen. Alle Teilnehmer müssen "substanzielle" Beiträge zu EU-Militäroperationen leisten - "mit Personal, Material, Training, Übungsunterstützung, Infrastruktur oder anderen Mitteln".Notification on Permanent Structured Cooperation (PESCO) to the Council and to the High Representative of the Union for Foreign Affairs and Security Policy. Brussels, 13.11.2017. Auszüge finden Sie hier . Schnelle Beschlussverfahren müssen gesichert sein; notfalls sollen, heißt es in den PESCO-Dokumenten, in den beteiligten Staaten neue Entscheidungsprozeduren geschaffen werden. Davon könnte unter Umständen auch der deutsche Parlamentsvorbehalt betroffen sein. Das Bundesverteidigungsministerium lobt PESCO als "Einstieg in die Verteidigungsunion".Einstieg in die Verteidigungsunion. bmvg.de 08.12.2017.

Schlüsselprojekte

Zu den vier PESCO-Einzelvorhaben, die unter deutscher Leitung stehen, zählen Schlüsselprojekte der EU-Militarisierung. So schreiben Beobachter dem Europäischen Sanitätskommando, dessen Aufbau die Bundeswehr koordiniert, relativ hohe Bedeutung zu: Es könne für künftige EU-Kriege eine ähnlich zentrale Rolle spielen wie das Europäische Lufttransportkommando (European Air Transport Command, EATCS. dazu Unter deutschem Kommando .), heißt es.La Coopération structurée permanente prend son élan. Les projets sélectionnés. bruxelles2.eu 05.12.2017. Das Sanitätskommando, für das ein Europäisches Sanitätshauptquartier errichtet wird, soll unter anderem die Sanitätsstandards vereinheitlichen, die für die medizinische Versorgung nötigen Kapazitäten koordinieren und die Rettungskette optimieren. Die Bundeswehr stärkt damit einen Schwerpunkt, den sie schon innerhalb der NATO bearbeitet: Im Rahmen des Framework Nation Concept (FNC) des westlichen Kriegsbündnisses baut ihr Sanitätsdienst ein multinationales Rettungszentrum auf.S. dazu Unter deutschem Kommando . Ergänzend ist er am NATO-Military Medicine Centre of Excellence (MILMED COE) beteiligt.S. dazu Die Ideenschmieden der NATO .

Militärische Mobilität

Hohe Bedeutung wird auch dem Netzwerk von Logistik-Hubs beigemessen, das unter deutscher Führung errichtet werden soll. Ziel ist es, EU-Truppen in Zukunft schnellstmöglich in ihre Einsatzgebiete verlegen zu können und ihre Versorgung zu optimieren. Neben dem Aufbau von Logistik-Drehscheiben wird die Bundeswehr sich um die Materiallagerung, die Transportwege und die Bereitstellung der nötigen Transportmittel kümmern. Geplant ist zudem eine Optimierung der "Vorausstationierung" militärischen Materials; dabei handelt es sich um die Lagerung von Kriegsgerät in größtmöglicher Nähe zum Einsatzgebiet.Einstieg in die Verteidigungsunion. bmvg.de 08.12.2017. Ergänzend zum Aufbau der Logistik-Hubs leiten die Niederlande ein PESCO-Projekt, das der Standardisierung der "militärischen Mobilität" dient. Dabei dreht es sich darum, bestehende nationale Vorschriften für den Transport von Truppen und Kriegsgerät zu vereinheitlichen und zu vereinfachen, um die bürokratischen Hürden für militärische Bewegungen in der EU so weit wie möglich zu reduzieren. Auch in der Logistik wird die Bundesrepublik in der NATO mutmaßlich parallele Aktivitäten entfalten; so wird Berlin bei seinen Bestrebungen, das neue NATO-Logistikkommando in Deutschland anzusiedeln, von den Vereinigten Staaten unterstützt. Bei der Verlegung von NATO-Truppen in Richtung Russland habe die Bundesrepublik eine Schlüsselposition, erklärte Ende November Ben Hodges, Kommandeur der US-Truppen in Europa; sie sei daher als Standort für das Logistikkommando bestens geeignet.US-General schlägt Deutschland als Sitz von neuem Logistikkommando vor. handelsblatt.com 28.11.2017.

Berlin gegen Paris

Deutsch-französische Machtkämpfe prägen das dritte von Berlin geführte Projekt, die sogenannte Krisenreaktionsinitiative ("Crisis Response Operation Core", CROC). Sie soll eine gemeinsame Analyse bezüglich tatsächlicher oder angeblicher Bedrohungen erstellen und die Truppen und Kapazitäten identifizieren, die jeweils für konkrete EU-Interventionen notwendig sind. Berichten zufolge hat Paris besonderen Wert darauf gelegt, in der Krisenreaktionsinitiative gestaltend tätig zu sein, da diese als geeignetes Instrument gilt, künftige EU-Militäreinsätze zu prägen. Die Bundesregierung hat sich nun allerdings im Kampf um die Führung durchgesetzt. Zuvor, im November, hatte Paris verhindert, dass der deutsche General Erhard Bühler den Vorsitz im EU-Militärausschuss übernimmt; Bühler treibt seit dem 1. Oktober 2014 als Planungs-Abteilungsleiter im Bundesverteidigungsministerium die Verflechtung der Streitkräfte in Europa voran.Konstantin von Hammerstein: Paris verhindert deutschen General auf Top-Posten. spiegel.de 01.12.2017. Weil Frankreich seine Ernennung zurückwies, ist am 7. November der italienische Generalstabschef Claudio Graziano zum Leiter des Militärausschusses gewählt worden. Die deutsch-französischen Streitigkeiten um künftige EU-Interventionen werden nun wohl im CROC-Projekt fortgeführt.Jacopo Barigazzi: EU to unveil military pact projects. politico.eu 10.12.2017. Ergänzend hat Berlin als viertes PESCO-Projekt den Aufbau des Kompetenz- und Trainingszentrums für EU-Ausbildungseinsätze übernommen. Die dort trainierten Militärs sollen künftig in einer einheitlichen EU-Datenbank erfasst werden.Einstieg in die Verteidigungsunion. bmvg.de 08.12.2017.

Reichseinigung per Krieg

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat vergangene Woche zum wiederholten Male betont, dass es beim Einstieg in die EU-Militärunion um strategische "Eigenständigkeit" gehtEinstieg in die Verteidigungsunion. bmvg.de 08.12.2017. - gegenüber den Vereinigten Staaten. Zudem erklärt das Verteidigungsministerium, der Schritt habe darüber hinaus einen "übergeordnete[n] Mehrwert … auf politischer Ebene": "Mit der EU-Verteidigungsgemeinschaft erlebt der EU-Integrationsprozess einen neuen Boost."Einstieg in die Verteidigungsunion. bmvg.de 08.12.2017. Der Gedanke, die von zentrifugalen Tendenzen und vom ersten Austritt eines Mitgliedsstaates gezeichnete EU könne in gemeinsamen Kriegen zu einer Geschlossenheit finden, die mit zivilen Mitteln nicht zu erreichen ist, ist in Berlin immer wieder geäußert worden. So hatte der damalige Außenminister Guido Westerwelle (FDP) im Februar 2010 erklärt, das "europäische Projekt einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik" werde "ein Motor für das weitere Zusammenwachsen Europas sein".S. dazu Der Krieg, Europas Rückgrat . Wenig später urteilte eine führende deutsche Tageszeitung: "Ein stehendes Heer für die Union aller Staaten - das wäre fast schon so etwas wie ein neues Rückgrat für Europa."Zeit für eine europäische Armee. sueddeutsche.de 13.07.2010. Der Gedanke, eine Reichseinigung per Krieg zu erzwingen, weist tief in die deutsche Geschichte zurück - ins Jahr 1871, als Preußen das Deutsche Kaiserreich schmiedete, und zwar aus dem Krieg gegen Frankreich.

Quelle: www.german-foreign-policy.com vom 11.12.2017.

Fußnoten

Veröffentlicht am

14. Dezember 2017

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