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Nobelpreis: Nur Mut!

Die Auszeichnung für die Kampagne zur atomaren Abrüstung (ICAN) ist eine schallende Ohrfeige für zynische Realpolitiker, die Kernwaffen für unverzichtbar halten

Von Jan van Aken

ICAN steht für mich vor allem für eines: In hoffnungslosen Zeiten einfach mal den Mut zu haben, das Unmögliche zu versuchen, loszulegen und eine weltweite Bewegung zu organisieren. Und dann auch wirklich etwas zu gewinnen. Damit meine ich jetzt nicht den Friedensnobelpreis (der natürlich auch ganz schön ist), sondern das in diesem Sommer von 122 Staaten beschlossene Atomwaffenverbot.

Um die ewigen Nörgler an dieser Stelle gleich auszubremsen: Selbstverständlich haben die neun Kernwaffen- und die viel zu vielen NATO-Staaten nicht mitgemacht. Auch werden mit diesem Abkommen die Atombomben nicht über Nacht und nicht in zehn Jahren verschwunden sein. Aber galt das nicht ebenso für das Verbot von Landminen? Bis heute haben die USA den entsprechenden Vertrag zum Verbot dieses Waffentyps nicht ratifiziert und werden das wahrscheinlich nie tun - aber sie halten sich in großen Teilen daran, weil die weltweite Ächtung mittlerweile so stark ist, dass kein halbwegs demokratisches Land diesen Umstand einfach ignorieren kann.

Und bei den Nuklearwaffen kommt noch ein ganz wichtiger Aspekt hinzu: Weitgehend unbemerkt von der Weltöffentlichkeit ist die einst starke Ächtung von Atombomben in den vergangenen 20 Jahren erheblich erodiert. Die fünf Atommächte, denen nach dem Atomwaffensperrvertrag von 1968 erlaubt war, diese Waffen zu besitzen, haben sich konsequent nicht an ihr Versprechen gehalten, nuklear abzurüsten. Was im Gegenzug dazu geführt hat, dass sich zusehends mehr Staaten ihrerseits nicht an das Versprechen gebunden fühlen, keine Atomwaffen anzuschaffen.

Unfassbar kleingeistig

Wenn selbst in Japan (ja, das ist das Land, in dem Hiroshima und Nagasaki liegen) offen darüber sinniert wird, ob eine atomare Bewaffnung nicht doch einen Sinn haben könnte, dann zeigt sich, wie weit die Hemmschwelle für atomare Rüstung mittlerweile gesunken ist. Deshalb war es ein so wichtiges und unverzichtbares Zeichen, dass sich eine Koalition der Willigen zusammenfand (und das war beileibe nicht nur ICAN, da waren auch Staaten und viele Diplomaten mit dabei) und diesen neuen Vertrag auf den Weg gebracht hat.

Es ist so unfassbar kleingeistig, wenn sich die Bundesregierung dem Atomwaffenverbot noch immer verweigert. Nicht einmal an den Verhandlungen über den Vertrag hat sie teilgenommen - aus Rücksicht auf die NATO. Doch auch das können wir recht gelassen sehen, es wird einen Domino-Effekt der anderen Art geben: In fast allen NATO-Staaten gibt es regelmäßig demokratische Wahlen, und es wird in all diesen Ländern einmal der Wahltag kommen, an dem keine NATO-besessenen Parteien mehr in die Regierung gespült werden. Und dann werden diese Staaten, einer nach dem anderen, das Atomwaffenverbot ratifizieren, und jedes Mal wird die Abwehrfront gegen Atomwaffen daraus gestärkt hervorgehen - auch in Deutschland, vielleicht noch nicht 2021 oder bald danach.

Ein wichtiges Zeichen

All das hat eine kleine Gruppe von Menschen vor zehn Jahren erkannt und deshalb ICAN gegründet. Zu einer Zeit, als kein Mensch über Atomwaffen geredet hat. Als der Atomwaffensperrvertrag endgültig gescheitert schien. Als nicht, wie noch vor Jahrzehnten, Millionen in Deutschland gegen atomare Aufrüstung auf die Straße gingen. Als eigentlich niemand mehr (mich eingeschlossen) daran geglaubt hat, dass es auf absehbare Zeit Wege zu einer atomaren Abrüstung geben könnte. Es ist gut, dass es für den Mut, es trotz aller Aussichtslosigkeit einfach einmal zu versuchen, einen Nobelpreis gibt. Aber es ist noch viel besser, dass jetzt noch mehr Menschen davon wissen. Und Mut tanken.

Quelle: der FREITAG vom 07.10.2017. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Veröffentlicht am

07. Oktober 2017

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