Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

Ihre Spende ermöglicht unser Engagement

Spendenkonto:
Bank: GLS Bank eG
IBAN:
DE36 4306 0967 8023 3348 00
BIC: GENODEM1GLS
 

Friedenslogik statt Sicherheitslogik. Gegenentwurfe aus der Zivilgesellschaft: Migration und Asyl

Von Ullrich HahnUllrich Hahn hat seine Thesen zu Migration und Asyl bei der Jahrestagung der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung vom 2.-4. März 2012 in der Evangelischen Akademie Loccum vorgetragen.

1.

Die deutsche und europäische Migrations- und Flüchtlingspolitik ist geprägt von der "Sicherheitslogik": die eigene Gesellschaft soll geschützt werden vor ungeregelter Zuwanderung, vor Menschen, die unser Sozialsystem ausnutzen könnten, vor möglichen Terroristen, vor den unabsehbaren Vielen, die alle kamen, wenn wir unsere Außengrenzen nicht vor ihnen verschließen wurden.

2.

Instrumente dieser Politik sind einerseits gesetzliche Regelungen auf nationaler und europäischer Ebene, andererseits völkerrechtliche Rückführungsabkommen mit einer Reihe von Regierungen der Herkunftsländer sowie personelle und materielle Investitionen zur Sicherung der EU-Außengrenzen (Frontex).

Zum gesetzlichen Instrumentarium gehören

  • eine EU-einheitliche restriktive Visa-Ordnung,
  • die Zulassung der Arbeitsmigration aus Ländern außerhalb der EU nur für "Hochqualifizierte" und Saison-Arbeitskräfte,
  • Ausnahmeregelungen für Angehörige westlich orientierter Industriestaaten, Restriktionen beim Familiennachzug.

3.

Für Flüchtlinge gelten die inhaltlichen Beschränkungen der Genfer Flüchtlingskonvention und die Zuständigkeitsregelungen der EG-Asylzuständigkeitsverordnung (Dublin II).

Durch die Fiktion der "sicheren Drittstaaten" zielt diese Zuständigkeitsregel zu Gunsten der EU-Binnenstaaten auf eine Null-Lösung für die Aufnahme von Flüchtlingen.

4.

Gegenüber dem solcher Art unterstützten Sicherheitsbedürfnis der EU-Mitgliedsstaaten gerät das Sicherheitsbedürfnis der betroffenen Menschen aus dem Blickfeld:

Migranten im allgemeinen und Flüchtlinge im besonderen gehören international zu den am wenigsten geschützten Menschengruppen.

Soweit sie ihr Herkunftsland nicht freiwillig verlassen haben, sind sie schon bei der Suche nach einer Zuflucht auf Mittel und Wege angewiesen, die außerhalb jeglicher Rechtsordnung verlaufen und in vielen Fällen nicht nur unsicher und teuer sondern auch lebensgefährlich sind. Soweit sie überhaupt das räumliche Ziel erreichen, erhalten sie dort nur zu einem geringen Teil den angestrebten legalen Aufenthalt. In vielen Fällen erfolgt die Ab- oder Zurückschiebung, eine zermürbende Existenz unter den Bedingungen der Duldung oder die Illegalität derer, die ganz ohne Papiere sind.

5.

Die Behandlung der Flüchtlinge steht in ungezählten Einzelfällen im Widerspruch zum Wortlaut und zum Geist der Menschenrechtserklärungen, die als konstitutive Elemente der westlichen Gesellschaften offiziell in hohem Ansehen stehen. Der Umgang mit den Flüchtlingen wird gleichzeitig auch zum Prüfstein für die Ernsthaftigkeit der von den westlichen Gesellschaften zur Rechtfertigung ihrer weltweit vorgenommenen militärischen Interventionen behauptete "Responsibility to protect" (R2P).

6.

Bezugspunkt für eine der "Friedenslogik" verpflichtete andere Migrations- und Flüchtlingspolitik ist die Menschheit als ganze und sind die Menschenrechte für jedes einzelne Individuum.

Es gilt nicht mehr die partikulare Sicherheit der eigenen Nation und Nationengruppe in Abgrenzung zur restlichen Welt (hierauf bezog sich die "Verantwortungsethik" von Max Weber), sondern es geht um eine "Weltinnenpolitik" (Gunnar Myrdal; die von Weber bezeichnete "Gesinnungsethik" zeichnete sich schon zu seiner Zeit darin aus, dass sie die eigene Verantwortung immer auch auf die Menschen jenseits der eigenen Nation bezog).

7.

Kurzfristig geht es im Gegenentwurf der Zivilgesellschaft um den weitestmöglichen Abbau von Restriktionen sowohl bei der Aufnahme von Migranten und Flüchtlingen als auch im Bezug auf deren rechtliche Behandlung.

Gleichzeitig gehört aber zu einer solchen Politik auch, alles zu unterlassen, was zu einer erzwungenen Migration oder Flucht aus den Herkunftsländern beiträgt: ungerechte Handelsbeziehungen (Terms of Trade), Unterstützung von Diktaturen, Rüstungsexport.

So wie innergesellschaftlich ein höheres Maß an Gerechtigkeit und gleichen Lebensbedingungen in der Bevölkerung zu einem Rückgang von Kriminalität führt, wird auch der Ausgleich der Lebensbedingungen im internationalen Maßstab den Zwang zum Verlassen der Heimat überwinden.

Ziel einer solchen Politik soll sein, dass Flucht nicht mehr nötig ist, aber selbstbestimmte Migration ermöglicht wird, d.h. die Begegnung fremder und einheimischer Menschen auf Augenhöhe.

Fußnoten

Veröffentlicht am

17. März 2012

Artikel ausdrucken

Weitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von