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Südosttürkei: Arzt in Ausübung seines Berufsethos zu mehr als 4 Jahren Haft verurteilt

Am 24. April 2017 wurde der Arzt Dr. Serdar Küni von einem Gericht in Sirnak in der Südosttürkei zu vier Jahren und zwei Monaten Haft verurteilt. Der Vorwurf: Er habe 2015-2016 während der bewaffneten Auseinandersetzungen "mutmaßlich Militante behandelt" und dies nicht gegenüber den Sicherheitskräften zur Anzeige gebracht. Trotz des Urteilspruches entließ ihn das Gericht nach sechs Monaten bis zu einer Entscheidung des Berufungsgerichts im Verfahren aus der Haft.

Dr. Serdar Küni ist seit Jahren als Arzt im Gesundheitszentrum von Cizre in dem im Südosten der Türkei gelegenen Bezirk Sirnak tätig. Er betonte: "Ich bin in meinem Beruf als Arzt verpflichtet, jeden zu behandeln, der ärztlicher Versorgung bedarf. Ich unterliege dabei einer Schweigepflicht, aber ich habe mich in diesem Rahmen immer an Recht und Gesetz gehalten."

Am ersten Verhandlungstag am 13. März 2017 brach die Anklage gegen Küni eigentlich zusammen: Ein Belastungszeuge nach dem anderen erklärte unter Eid vor Gericht, dass er den Arzt Dr. Serdar Küni nie gesehen habe und nicht kenne. Einer erklärte, auf ihn sei psychisch Druck ausgeübt worden, damit er die Aussage unterschreibe. Alle anderen Zeugen machten deutlich, dass sie nach ihrer Verhaftung durch die Polizei und Sicherheitskräfte gefoltert worden seien. "Sie haben mir einen Zahn ausgeschlagen", berichtete einer von ihnen. "Dann zogen sie mir eine Weste mit einem Sprengsatz an und drohten mich in die Luft zu sprengen. Ich habe unterschrieben, aber nichts davon, was dort steht, ist wahr".

Am gestrigen zweiten Prozesstag stellte das Gericht zunächst fest, dass kein Beweis vorläge, dass Küni einer bewaffneten Organisation angehöre. Das Gericht verurteilte ihn dennoch, weil er Mitglieder einer terroristischen Vereinigung behandelt habe. Grundlage dafür war eine von der Staatsanwaltschaft vorgelegte Aussage eines anonymen Zeugen, der selbst nicht vor Gericht erschien. "Es ist unklar", so BeobachterInnen im Anschluss, "ob es diese Person überhaupt gibt. Zudem bezogen sich die Aussagen auf einen früheren, außerhalb der Anklageschrift liegenden Zeitraum". Die Menschenrechtsstiftung der Türkei kommt zu dem Schluss: "Es lagen nach wie vor keine konkreten Beweise vor."

Zum Prozess waren erneut BeobachterInnen entsandt worden, auch ein Vertreter der internationalen, von den War Resisters’ International koordinierten Kampagne "Stoppt den Kreislauf der Gewalt in der Türkei". Deutsche Mitglieder dieser Kampagne sind u.a. Connection e.V. und der Bund für Soziale Verteidigung.

In einer gemeinsamen Erklärung stellen die BeobachterInnen aus Deutschland, Großbritannien, Norwegen und Spanien fest: "Das Verfahren hat wesentliche internationale Standards missachtet wie auch die Willkür der Vorwürfe gegen Dr. Serdar Küni. Unseres Erachtens ist damit auch die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des Gerichts in Frage gestellt."

"Wir hoffen, dass das Berufungsgericht dieses Urteil korrigiert", erklärte die Geschäftsführerin des Bund für Soziale Verteidigung, Dr. Christine Schweitzer für die internationale Kampagne. "Es kann nicht angehen, dass ein Arzt dafür verurteilt wird, dass er seinen Berufseid ernst nimmt und ohne Ansehen der Person alle behandelt, die Hilfe benötigen."

Quelle: Connection e.V. und Bund für Soziale Verteidigung - Pressemitteilung vom 25.04.2017.

Veröffentlicht am

25. April 2017

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