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Wie weiter in Syrien?

Ein klarer Kurs in der Syrienpolitik der Trump-Regierung ist unerlässlich für einen Fortschritt bei neuen Friedensgesprächen.

Von Andreas Zumach

Über zwei Wochen nach dem Giftgasvorfall in Chan Scheichun mit 87 Toten und rund 200 Verletzten steht die beweiskräftige Klärung der genauen Umstände und der Schuldfrage durch eine unabhängige Untersuchung der Organisation für das Chemiewaffenverbot (OPCW) immer noch aus. Für den vom Westen behaupteten Abwurf einer Giftgasbombe durch die syrische Luftwaffe sprechen zwar viele Indizien. Doch die nicht nur von Russland verbreitete, sondern auch von einer Gruppe ehemaliger Mitarbeiter diverser US-Geheimdienste für möglich gehaltene Version von der konventionellen Bombe, die beim Angriff auf ein Waffenlager der Rebellen oder des syrischen Al-Kaida-Ablegers auch ein zuvor nicht bekanntes Giftgasdepot getroffen hat, kann seriöserweise nicht ausgeschlossen werden. Die Glaubwürdigkeit dieser Version hat Russland allerdings selbst in Frage gestellt durch sein Veto gegen eine Resolution des UNO-Sicherheitsrates mit einem Untersuchungsauftrag für die OPCW.

Militärschlag der USA war völkerrechtswidrig

Unabhängig von der Schuldfrage war der Raketenangriff der USA auf eine syrische Luftwaffenbasis allerdings ein klarer Verstoß gegen die UNO-Charta und damit eindeutig völkerrechtswidrig. Wer diesen Angriff "nachvollziehbar", und "richtig" nennt, oder - wie der CDU-Außenpolitiker (und Koordinator der Bundesregierung für die transatlantische Zusammenarbeit) Jürgen Hardt - sogar behauptet, der Angriff sei ausdrücklich gedeckt durch eine frühere Resolution des UNO-Sicherheitsrates zur Vernichtung der syrischen Chemiewaffen, dem ist das Völkerrecht entweder völlig egal oder er hat keine Ahnung davon.

Mit dem Militärschlag gegen Syrien und der dadurch ausgelösten Konfrontation mit Russland hat US-Präsident Donald Trump lediglich sich selber - zumindest vorläufig - etwas innenpolitische Erleichterung verschafft. Bisherige Gegner und Kritiker in beiden Parteien und in den Medien loben nun unisono Trumps "Entschlossenheit" und "Handlungsfähigkeit". Der nagende Verdacht, Trump habe seine Präsidentschaft der hilfreichen Einmischung Moskaus in den Wahlkampf zu verdanken, ist vorerst einmal aus den Schlagzeilen verschwunden.

Doch eine Deeskalation oder gar politische Lösung des Syrienkonflikts am Genfer UNO-Verhandlungstisch hat der Militärschlag nicht befördert, sondern im schlimmsten Fall sogar noch zusätzlich erschwert. Der Regierung Assad könnte der Militärschlag und seine Unterstützung durch die G-7 zum Vorwand dienen, zur nächsten, von UNO-Vermittler de Mistura für Mai angesetzten Verhandlungsrunde gar nicht mehr in Genf zu erscheinen. Das Oppositionsbündnis könnte in der Hoffnung auf weitere Militärschläge Washingtons jeglichen Kompromissvorschlag in Genf ablehnen.

Koheränte Syrienpolitik der USA ist unerlässlich

Eine kohärente Syrienpolitik der Trump-Administration ist auch weiterhin nicht erkennbar. Diese wäre aber die unerlässliche Vorbedingung für jeglichen Fortschritt bei den bislang völlig ergebnislosen Genfer Gesprächen. Unverzichtbar ist darüber hinaus, dass sich Washington und Moskau auf eine gemeinsame Linie in zumindest zwei zentralen Fragen einigen:

Erstens auf die eindeutige Unterscheidung zwischen Oppositionsgruppen, die an Gesprächen über die Zukunft Syriens beteiligt werden müssen, und Milizen mit engen Verbindungen zu Terrororganisationen wie Al Kaida, die weiterhin militärisch zu bekämpfen sind.

Sehr förderlich für eine solche Einigung und ihre Umsetzung wäre es, wenn die USA, wie von Trump im Präsidentschaftswahlkampf angekündigt, jegliche Unterstützung für dschihadistische sunnitische Milizen tatsächlich einstellen und ihre Verbündeten Saudi-Arabien und Türkei ebenso dazu veranlassen würden. Nur dann gäbe es auch eine realistische Aussicht, dass Russland die weitere militärische Unterstützung für das Assadregime einstellt und den schiitischen Iran ebenfalls zu diesem Schritt bewegt.

Gemeinsame russisch-amerikanische Position zur Zukunft Assads

Unerlässlich ist zum zweiten eine gemeinsame russisch-amerikanische Position zur Zukunft Assads. Sonst bleibt es auf Dauer bei der Totalblockade der Genfer Gespräche durch die bisherigen Maximalpositionen der Opposition, die den Rückzug Assads vor Amtsantritt einer Übergangsregierung fordert, und der Regierung, die grundsätzlich jedes Gespräch über die Zukunft Assads verweigert.

Ein möglicher Kompromiss wurde bereits im letzten Jahr von den Außenministern John Kerry und Sergey Lawrow informell erörtert: Assad bleibt während der Periode einer Übergangsregierung noch nominell im Amt, aber ohne exekutive Befugnisse. Die UNO organisiert freie Präsidentschaftswahlen, an denen sich auch alle dann noch im Ausland befindlichen syrischen Flüchtlinge beteiligen können. Zu klären bliebe, ob Assad noch einmal als Kandidat antreten darf.

Alle, die in westlichen Hauptstädten nicht erst seit dem Giftgasvorfall von Chan Seichun im Brustton der Überzeugung verkünden, dass eine Zukunft Syriens unter Assad nach den Ereignissen der letzten sechs Kriegsjahre nicht mehr möglich sei, sollten auch die Zuversicht haben, dass die große Mehrheit des syrischen Volkes das ähnlich sieht und Assad bei wirklich freien Wahlen eine Niederlage bereiten würde. Mit Blick auf eine innersyrische Versöhnung nach dem Krieg und auf den Wiederaufbau des Landes wäre das die beste Variante.

Quelle: Infosperber.ch - 23.04.2017.

Veröffentlicht am

24. April 2017

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