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Adolfo Pérez Esquivel

Von Hildegard Goss-Mayr

Siebzehnter Oktober 1973, Montevideo,Uruguay: Zur Vorbereitung des 2. Kontinentaltreffens gewaltfreier Gruppen Lateinamerikas reise ich über Brasilien nach Montevideo. Repressive Diktaturen beherrschen bereits den Subkontinent. Mein Vortrag wird von der Geheimpolizei verboten. Am nächsten Tag soll ich in das - noch demokratische - Buenos Aires fliegen. Ich werde aus dem Flugzeug geholt und lange verhört. Müde treffe ich in Buenos Aires ein. Jemand von der Gemeinschaft der Arche erwartet mich. In der Menge sehe ich einen schmalen Mann mit gewebter Tasche. Das muss er sein! Unsere erste Begegnung!

Adolfo Pérez Esquivel wurde 1931 als Sohn eines spanischen Fischers und der Tochter einer Guarani-Indianerin geboren. Dreijährig verlor er seine Mutter. Da der Vater die kleinen Kinder nicht betreuen konnte, wurde er in ein von Nonnen geleitetes Waisenheim gebracht." Als mein Vater die Türe hinter sich schloss…zerbrach etwas in meinem Inneren…In diesem Moment begann meine Geschichte von Einsamkeit und Rebellion."(M. Spiller-Hagedorn, Adolfo Perez Esquivel, Der gewaltfreie Rebell, Zürich, S.19) Immer wieder rebellierte das Kind gegen die harte Erziehung der Schwestern, erlebte aber auch die Güte der Haushälterin Josefa, die ihm half, seine künstlerische Gestaltungsbegabung zu erkennen. Mit ihr verbrachte er schnitzend beglückende Stunden.

Nach Hause zurückgekehrt, setzte er seinen Freiheitskampf fort: als Zeitungsverkäufer finanzierte er seine Schulbildung, später das Studium in Darstellender Kunst. Unvergesslich blieb ihm seine indianische Großmutter, die in ihm die Liebe zu Pflanzen, Tieren, zur Mutter Erde weckte. An der Universität lernte er die Pianistin und Komponistin Amanda Guerreño kennen und lieben. Langsam errangen sie nach ihrer Heirat 1956 künstlerische Anerkennung.

Ein Straßenbuchhändler hatte dem jungen Zeitungsverkäufer die Autobiographie von Gandhi geschenkt, die ihn faszinierte. Später begegnete er bei einem Vortrag Lanza del Vasto, dem Begründer der gewaltfreien Gemeinschaft der Arche und engagierte sich für deren Aufbau. Durch ihn entdeckte er die Spiritualität und Praxis der Gewaltfreiheit.

Zurück ins Jahre 1973: seit dieser Begegnung verbindet uns eine tiefe Freundschaft. A.P. Esquivel beteiligte sich an der Tagung von Medellin, der Geburtsstunde von Servicio Pz y Justicia (SERPAJ). Eine Leitung für die Bewegung wurde gewählt. Die Wahl fiel auf Adolfo: Eine ungeheure Herausforderung zur Zeit der Militärdiktaturen! Nach einer Nacht des Überlegens und Gebetes stimmte er zu: Ein Schritt, der über einen Kreuzweg zum Friedensnobelpreis führte.

Zunächst begleitete ich A.P. Esquivel bei Schulungskursen in Gewaltfreiheit, bei der Unterstützung von Kämpfen um Grundrechte von Bauern in Ecuador und Arbeitern in Brasilien. 1975 wurde ich mit ihm in Sao Paulo verhaftet, in einem Folterzentrum verhört, doch letztlich durch Kardinal Arns freigesetzt.

Als Adolfo im Jahr darauf zu einer internationalen Menschenrechtskampagne aufrief, wurde die Situation für ihn immer prekärer. Nach einem Exil-Aufenthalt mit seiner Familie bei uns in Wien beschloss er, nach Buenos Aires zurückzukehren. Dort verhaftete man ihn am 4. April 1977. Ziel war es, Adolfo, wie so viele andere, verschwinden zu lassen, von einem Flugzeug gefesselt ins Meer zu werfen. Nur durch eine intensive Befreiungskampagne aus aller Welt konnte dies im letzten Moment verhindert werden. Darauf folgte psychische und physische Folter, um ihn zu brechen: Er erlitt Bosheit, Erniedrigung, Hass 14 Monate lang. Mit Gebet und Willensstärke kämpfte Adolfo um sein Überleben. Er fragte sich, wo Gott geblieben sei, und gelangte doch letztlich zu der Überzeugung: Wenn du Hass mit Hass bekämpfst, so tötest du zweimal, den Folterknecht und das Gute in dir; wenn du auf Hass mit Liebe antwortest, schenkst du zweimal Leben, dem Folterknecht und dem Guten in dir…

Es folgte ein monatelanger Hausarrest, der es ihm erlaubte, sich mit seiner tapferen Frau Amanda und seinen drei Söhnen wiederzufinden. Dann nahm er den gewaltlosen Friedenskampf erneut auf. Am 13.Oktober 1980 erreichte ihn überraschend die Botschaft der Verleihung des Friedensnobelpreises. "Als erstes kam in mir das Gefühl auf, dass ich diese Anerkennung einzig… im Namen aller Völker Lateinamerikas annehmen könnte,… ganz besonders im Namen der Ärmsten, der Indios, Schwarzen, der engagierten Ordensleute, Bauern und Industriearbeiter. (ibid. 118)

Der Friedensnobelpreis verlieh Adolfo P. Esquivel und ganz Lateinamerika enorme moralische und politische Stärkung. Er erkannte darin seine Lebensmission für Freiheit und Frieden im Dienste aller Völker zu stehen. Bis heute, im hohen Alter, nimmt er diese Verantwortung wahr: Ringen um die Grundrechte der Indios, Unterstützung der sozial engagierten Staaten des Kontinents, Briefe an den Präsidenten der USA, Fasten und Friedensmärsche, Einsatz gegen Militarisierung, für die Bewahrung der Schöpfung und eine neue Weltsozialordnung. Als Künstler spiegeln sich in seinen Gemälden Leid und Tod, aber auch Auferstehung zu neuem Leben wieder. "Wenn ein Volk leidet, leiden wir alle, weil wir alle ein lebendiger Teil dieses Volkes sind…Und wenn ein Volk seine eigene Würde und Freiheit verteidigt, dient sein Mut unser aller Verteidigung und Freiheit". (ibid.127)

Hildegard Goss-Mayr ist Ehrenpräsidentin des Internationalen Versöhnungsbundes und setzte sich zusammen mit ihrem Mann Jean Goss in 39 Ländern ein für Gerechtigkeit und Frieden durch Gütekraft.

Veröffentlicht am

25. Juli 2013

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