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“Durch EPA wird die Armut in Kamerun wachsen”

Die von der EU forcierten "Wirtschaftspartnerschaftsabkommen" (Economic Partnership Agreements, EPAs) stoßen in zahlreichen Ländern Afrikas auf Kritik. german-foreign-policy.com sprach mit Yvonne Takang, der Generalsekretärin der Bürgerorganisation ACDIC (Association Citoyenne de Défense des Intérèts Collectifs) aus Kamerun, die seit Jahren gegen die Verabschiedung eines EPA zwischen der EU und Kamerun kämpft.

german-foreign-policy.com: Die von der EU forcierten "Wirtschaftspartnerschaftsabkommen" mit den früheren europäischen Kolonien stoßen in Kamerun und anderen afrikanischen Ländern auf heftige Ablehnung. Die EU sagt, die EPAs brächten Afrika wirtschaftliche Vorteile. Kamerun hat das Abkommen inzwischen ratifiziert. Wie sehen Sie das?

Yvonne Takang: Ich teile die Einschätzung der EU überhaupt nicht. Sie sagten uns, diese Abkommen hätten Entwicklung und regionale Integration zum Ziel, aber nichts davon können wir bisher sehen. Die EU hat definitiv organisiert, was man "Teile und herrsche" nennt. Das EPA war für mehrere Länder in der zentralafrikanischen Region gemeinsam gedacht, aber weil sich die EU mit starkem Widerstand konfrontiert sah, entschied sie sich, bilaterale Abkommen mit den wirtschaftlich stärkeren Ländern abzuschließen. Die EU hat damit ihr eigenes Ziel regionaler Abkommen missachtet. In der Region Zentralafrika hat sie sich Kamerun ausgewählt. Inzwischen ist das Abkommen ratifiziert. Und jetzt setzt die EU Kamerun unter Druck, auch die anderen Länder der Region zur Zustimmung zu bewegen. Hier wird mit Lügen und Verwirrung gearbeitet. Ich bin ganz gegen die Handlungsweise der EU.

Auf welche Weise hat die EU erreicht, dass Kamerun das Abkommen ratifiziert hat?

Kamerun hat das EPA 2009 unterzeichnet und 2014 unter Druck der EU ratifiziert. Man sagte, ohne Ratifizierung bekommt ihr nichts vom Europäischen Entwicklungsfonds EDF. Das ist eine Lüge, denn dieser Entwicklungsfonds ist nicht von der Ratifizierung abhängig.

Um welche Summe geht es beim Entwicklungsfonds?

Für den Zeitraum von 2014 bis 2020 geht es um 282 Millionen Euro.

Gab es stärkeren Widerstand gegen das EPA?

Wenn es nicht Organisationen der Zivilgesellschaft wie ACDIC (Association Citoyenne de Défense des Intérèts Collectifs) gegeben hätte, wäre das Abkommen schon viel früher ratifiziert worden. Im gleichen Maße wie die EU Kamerun unter Druck setzte, hat Kameruns Zivilgesellschaft Druck auf unsere Regierung ausgeübt und erklärt, sie habe nicht das Recht, dieses Abkommen zu ratifizieren. Leider wandte die EU andere Methoden an, um Kamerun zur Ratifizierung zu zwingen. Aber bis zur Ratifizierung brauchte es immerhin fünf Jahre.

Wie wurde Widerstand geleistet?

Wir haben eine ganze Reihe von Diskussionsveranstaltungen organisiert. Meine Organisation, die ACDIC, hat sogar eine Plattform der Akteure der zentralafrikanischen Region gegründet. Zu unseren Treffen haben wir auch Regierungsvertreter, führende Politiker und sogar die EU eingeladen. Und sehr hilfreich waren die Medien. Die meisten von ihnen waren gegen die Ratifizierung, das muss ich sehr loben. Ich habe sogar ein Netzwerk von Journalisten zu den Wirtschaftsabkommen mit Kamerun und der zentralafrikanischen Region ins Leben gerufen.

Worin sehen Sie die stärksten Nachteile des Abkommens?

Für Kamerun in der Landwirtschaft und bei der regionalen Integration. Das Abkommen zwingt uns zur Aufgabe des Anbaus von Nahrungsmitteln, die wir selbst produzieren können. Sie haben sicher von billigem Hühnerfleisch gehört, das Deutschland und andere EU-Staaten nach Kamerun exportierten. Wir haben einen großen Kampf geführt, bis diese Importe am Ende verboten wurden. Andere Lebensmittel wie Milch, Zucker und Speiseöl könnten hier produziert werden, aber das ist jetzt alles in Gefahr, weil subventionierte Agrarprodukte aus der EU sehr viel billiger sind - unsere Bauern werden ja nicht subventioniert.

Dass in Kamerun Importe von Hühnerfleisch verboten wurden, ist in Deutschland kaum bekannt. Wie kam es zu dazu?

Die von der WTO beschlossenen Handelsliberalisierungen bedeuteten für uns ab 1996 einen schweren Schlag, besonders für die einheimische Geflügelproduktion. Die Geflügelfleischimporte stiegen von 1996 bis 2003 von 978 auf 22.154 Tonnen, sie zerstörten unsere einheimische Geflügelproduktion. Wegen der EU-Subventionen wurde importiertes Hühnerfleisch zwei- bis dreimal billiger verkauft. Unsere Organisation legte Untersuchungen vor, die belegten, dass die Importe für den menschlichen Verzehr ungeeignet waren. 83 Prozent waren unter anderem durch Salmonellen verseucht, weil sie sich lange auf See befanden und in Kamerun nicht in Kühlwagen transportiert wurden. Wir organisierten eine Kampagne und hatten Demonstrationen mit über 5.000 ACDIC-Mitgliedern. Die Regierung war anfangs gegen uns, aber schließlich erreichten wir 2006 ein Importverbot für Geflügelfleisch. Es gilt weiterhin.

Das zu verteidigen dürfte nicht leicht sein, denn es steht im Widerspruch zur Handelsideologie der EU. Was werden Sie tun, wenn die Regierung dem Druck der EU nachgibt?

Wir werden dafür sorgen, dass das nicht passiert. Wir haben hart gearbeitet, um den jetzigen Zustand zu erreichen. Einheimische Bauern freuen sich, dass sie wieder aktiv sein können: Im Geflügelsektor wurden neue Arbeitsplätze geschaffen. Es wäre nicht akzeptabel, zu den früheren Beschlüssen zurückzukehren. Wir wissen, dass mit der EPA-Ratifizierung neuer Druck entstehen könnte, aber wir sind sehr wachsam.

Gab es bei der Ratifizierung Probleme?

Ich erinnere mich an jenen Tag sehr genau. Eines Nachts im Juli 2014 klingelte bei mir nach Mitternacht das Telefon; ein Journalist rief mich an und fragte, ob ich schliefe. Ich sagte: Ja, ich habe geschlafen, warum rufst du um diese Zeit an? Er sagte: "Oh, das Land wird verkauft und die, die sonst immer zu EPA arbeiten, schlafen." Eine Stunde vor Mitternacht, am letzten Tag der Sitzungsperiode des Parlaments, war das Abkommen aufgerufen worden, und das Parlament stimmte zu. Am nächsten Tag wurden Abgeordnete von Journalisten befragt; sie sagten, der Minister habe die Vorlage vor Mitternacht eingebracht, und der Präsident habe auf die Zustimmung vor Ende der Sitzung gedrängt. Die meisten Abgeordneten wussten gar nicht, worum es ging. Viele Zeitungen brachten das dann auf Seite eins und schrieben, die Abgeordneten hätten zugestimmt, ohne zu wissen, worum es ging. Einige Wochen später wurde ich von Abgeordneten eingeladen, um ihnen zu erklären, worum es bei EPA geht.

Das dürfte nicht viel ändern, der Vertrag ist jetzt schließlich ratifiziert.

Ja, sie haben ihn ratifiziert, aber jetzt muss er noch umgesetzt werden.

Und was geschieht jetzt?

Jetzt kämpfen wir dafür, dass das Abkommen nicht implementiert wird.

Teilen Sie die Ansicht, die EU verfolge mit den EPAs das Ziel, sich Afrika als billigen Rohstofflieferanten zu erhalten und zugleich die Entwicklung eigener Industrien zu behindern?

Vollkommen, ich sehe das genau so. Es geht nicht an, dass die EU Afrika und Kamerun zwingt, seine Märkte zu 80 Prozent zu liberalisieren. Was haben wir denn anzubieten? Selbst wenn die EU ihre Märkte zu tausend Prozent für uns öffnen würde, hätten wir kaum Produkte zu verkaufen. Die EU hingegen hat alle Möglichkeiten, unsere Märkte zu überschwemmen. Die EU hat uns zur Öffnung um 80 Prozent gezwungen. Wir haben in den Verhandlungen 60 Prozent angeboten, später 75, aber sie sagten, nein, 80 Prozent. Die EU hat keine Angst, ihre Märkte für uns zu öffnen, weil wir keine Bedrohung für sie darstellen. Wenn es um Marktzugang für uns geht, setzen sie einfach Qualitätsstandards fest und sagen, dies darf nicht zu uns herein, weil es nicht unseren Standards entspricht.

Was exportiert Kamerun hauptsächlich?

Es ist kurios, aber Kamerun ratifizierte das Abkommen im Wesentlichen wegen Bananen - Bananen, die von Franzosen in Kamerun angebaut werden. Weil sie den Marktzugang brauchten, wurde es ratifiziert. Es geht um 220.000 Tonnen. Daneben Ananas, 9.500 Tonnen. Um diese beiden Früchte ging es, deswegen haben wir das EPA ratifiziert. Wie traurig!

Wird das EPA in Kamerun zu größerer Armut führen?

Es wird definitiv zu mehr Armut führen. Die Tatsache, dass die EU uns mit ihrer "Teile und herrsche"-Strategie zur Gefährdung der regionalen Integration drängt, ist ein schwerer Schlag für die Wirtschaft unserer Länder. Kamerun verkaufte landwirtschaftliche Produkte und Finanzdienstleitungen nach Gabun, Aquatorialguinea und in die anderen Länder der Region. Die meisten Länder kauften das, es gab keine Obergrenzen und keine Zölle. Aber jetzt, nachdem Kamerun ratifiziert hat, sagen die anderen, Kamerun hat uns verraten, und alle Produkte, die aus der EU nach Kamerun kommen, dürfen nicht ohne Zölle auf ihre Märkte.

So läuft das inzwischen?

Ja, so läuft das. Noch ein konkretes Beispiel: Nach Gabun oder Äquatorialguinea zu fahren, ist auf einmal schwierig geworden. Wenn man jetzt nach Gabun will, braucht man ein Visum, und das ist nicht so leicht zu bekommen. Bisher gab es den freien Verkehr von Waren und Personen; dass das jetzt aufgehoben worden ist, ist eine große Belastung für die Wirtschaft. Wir haben die EU gebeten: Bitte lasst uns zuerst unsere regionalen Märkte entwickeln, lasst uns untereinander Handel treiben, um unsere Wirtschaft zu entwickeln, bevor wir uns für den Weltmarkt öffnen. Für Kamerun sind die Verluste besonders groß, aber auch die anderen Länder der Region verlieren.

Quelle: www.german-foreign-policy.com   vom 22.10.2015.

Veröffentlicht am

25. Oktober 2015

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