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Afrika-Tour: Safari und Semantik

Beim Besuch in Kenia und Äthiopien hat Präsident Obama zu "Good Governance" ermahnt und ein Ritual bedient, an das sich schon die Vorgänger Bush und Clinton hielten

Von Lutz Herden

Barack Obama kann sich nicht aussuchen, wer ihn in seinem "Vaterland" empfängt. In Kenia muss er Uhuru Kenyatta die Hand schütteln, dem als Präsident der Makel anhaftet, um Haaresbreite einem Prozess vor dem Internationalen Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag entgangen zu sein. Die Ankläger glaubten beweisen zu können, dass Kenyatta zum Jahreswechsel 2007/08 ethnische Unruhen schürte, bei denen mehr als 1.000 Menschen starben. Ende 2014 jedoch musste ICC-Chefanklägerin Fatou Bensouda aus Gambia vorerst aufgeben. Ihre Begründung: In Kenia hätten Staat und Justiz jede Kooperation mit dem ICC sabotiert.

Wirft das einen Schatten auf die Begegnung Obama-Kenyatta oder eher nicht? Wie Kenias Staatschef das Haager Tribunal als parteiische Instanz schmäht, ignorieren die USA als Nicht-ICC-Staat seit Jahrzehnten dessen Bemühen, Kapitalvergehen wie Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu ahnden. Theoretisch könnte Obama wegen seiner Befehle zum gezielten Töten von Terrorverdächtigen vom ICC ebenfalls belangt werden. Aber nicht nur als Täter ist er Kenyatta näher, als ihm lieb sein kann. Auch beim Umgang seiner Administration mit den Haager Juristen. Was die Frage aufwirft: Wie glaubwürdig ist ein US-Präsident, der in Afrika zur Achtung von Menschenrechten oder Good Governance aufruft, wenn sein Staat ein Gericht boykottiert, das diesen Normen Geltung verschafft?

Ähnliche Zweifel löst Obamas Auftritt am Sitz der Afrikanischen Union (AU) in Addis Abeba aus, dem Kontinentalverbund, der seinen 53 Mitgliedern ein Rückgrat des Zusammenhalts sein will. Ihren heutigen Status verdankt die AU einem Gipfel 1999 im libyschen Sirte, als sich Gastgeber Muammar al-Gaddafi dafür einsetzte, die bis dahin als OAU firmierende Assoziation einem Schattendasein zu entreißen und mit neuem Selbstverständnis auszustatten.

Je nach Bedarf

Als sich das 2011 bewähren sollte, gab es freilich ein Fiasko. Im Auftrag der AU wollte Südafrikas Präsident Jacob Zuma zwischen den Konfliktparteien im libyschen Bürgerkrieg vermitteln und wurde von den USA wie der NATO als lästiger Störer blockiert. Dass Gaddafi durch westliche Militärmacht gestürzt werden sollte, war beschlossene Sache. Beim von außen forcierten Regime Change auf afrikanischem Boden war afrikanische Diplomatie ein Fremdkörper. Inzwischen wurde Libyen bekanntlich zum Brutkasten eines islamistischen Terrors, der Nordafrika von Mali bis Tunesien bedroht. Da liegt es nahe, dass Obama die AU zum Anti-Terror-Partner ausruft und sich nicht damit beschäftigt, wie die USA die Ausbreitung des Terrors begünstigt haben.

Es ist eben das Bedarfsprinzip, nach dem US-Präsidenten ihren Umgang mit Afrika formatieren. Schon Bill Clinton (Reisen 1998 und 2000) und George W. Bush (2003) hielten das bei ihren Afrika-Touren nicht anders. Was eigenen Sicherheitsinteressen dient, genießt Priorität. Alles andere - Demokratisierung, Rechtsstaatlichkeit, Humanität - fällt ins Fach Safari-Semantik und hat eine Verfallszeit, die mit der Aufenthaltsdauer des Gastes endet.

Präsident Clinton versprach einst eine amerikanisch-afrikanische Freihandelszone und musste wissen, dass ein solches Projekt schon an den extrem hohen Agrarsubventionen seines Landes scheitern würde. Aber es klang vielversprechend. Warum nicht suggerieren, dass es bei amerikanischer Afrika-Politik durchaus auch um Afrika gehen kann?

Quelle: der FREITAG vom 30.07.2015. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Veröffentlicht am

30. Juli 2015

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