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Islamisten: Hilflos in Tunesien

Der Anschlag zeigt, wie verwundbar das Land ist. Aber auch der Westen hat viele Fehler im Nahen Osten gemacht

Sabine Kebir

Das Massaker von Sousse fand mitten im Ramadan, an einem Freitag statt - an einem für Muslime also zweifach geheiligten Tag. Dass sich der junge Attentäter im Dschihad wähnte, bestätigt der rekonstruierte Hergang seines Vorgehens: Menschen, die er für Tunesier hielt, machte er Zeichen, dass sein Angriff nicht ihnen gelte. Er versuchte, ausschließlich europäische Touristen zu töten. In seiner Sicht Ungläubige, die auf provokante Art Luxus genießen und auch keine Skrupel kennen, den Ramadan durch ungehemmtes Essen und Trinken zu schänden.

So weit die erste Botschaft der Bluttat. Die zweite, auch für viele Tunesier schreckliche Ansage ist, dass sich Islamisten - nach dem Anschlag auf das Bardo-Museum im März - die weitere Schwächung des Tourismus, des wichtigsten Wirtschaftszweiges des Landes, auf ihre Fahnen geschrieben haben. Er gibt nicht nur vielen Arbeit, sondern bringt dem Land auch Deviseneinnahmen. Diesem Ziel sind sie nun sehr nahe: Die meisten Touristen flohen nach dem Anschlag, dem 38 Menschen zum Opfer fielen, in die Flugzeuge, so rasch sie konnten. Die Buchungen für den Rest der Saison wurden zu 80 Prozent storniert.

Die Wirtschaft durch Attentate auf touristische Ziele zu schwächen, war als Strategie schon in den 90er Jahren in Ägypten zu erkennen. Sie sollte das Land reif machen für eine Machtübernahme durch die Islamisten. In der Zeit, in der sie dann aber tatsächlich regierten, waren weder die Muslimbrüder noch die tunesischen Islamisten in der Lage, überzeugende Alternativen für eine Wirtschaftsform anzubieten, die die Armut reduziert hätte. Es geht offenbar nur darum, den Armen den Kontakt mit westlicher Lebensart zu verwehren, um sie dann um so fester in den Griff zu bekommen.

Die bittere Erkenntnis ist: Weder durch höchste Sicherheitsanstrengungen noch durch engere Kooperation mit europäischen Diensten sind ausreichende Schutzmaßnahmen verfügbar, um solche Anschläge künftig zu verhindern. Damit ist auf mittlere Sicht auch der billige Massentourismus vor den Toren Europas kaum noch praktizierbar.

Erkennen die Europäer endlich, dass diese fatalen Entwicklungen auch etwas mit der langjährigen Nahost-Politik ihrer eigenen Regierungen zu tun haben? Mit dem korrupten tunesischen Regime von Ben Ali war man gut Freund. Dass er weder nach demokratischen Prinzipien herrschte noch die Menschenrechte achtete, wurde ebenso wenig thematisiert wie die tiefe Armut, in der die Tunesier fernab der touristischen Zentren lebten. Diese waren und sind zugänglich für islamistische Propaganda. Junge Tunesier stellen das größte ausländische Kontingent der in Syrien kämpfenden Dschihadisten. Mehrere tausend Jugendliche haben sich jenseits der 450 km langen Grenze nach Libyen militanten Gruppen angeschlossen. Was die planen, weiß offenbar kein Geheimdienst der Welt.

Die einzige Lösung, die westliche Politiker bislang formulieren, ist ein erneutes Eingreifen in Libyen, diesmal mit Bodentruppen. Abgesehen davon, dass dafür ein kaum erreichbares Mandat der UNO notwendig wäre, ist schwer vorstellbar, wie Bodentruppen islamistische Gruppen in diesem riesigen Land in die Enge treiben könnten.

Anders als Amerika ist Europa mit dem Nahen Osten und auch mit dem Maghreb über eine Landmasse und durch ein durchaus überwindbares Meer verbunden. Solange der Politik nichts anderes einfällt als wenig effiziente Überwachungsmaßnahmen oder eine militärische Eskalation, werden wir immer tiefer mit in den höllischen Strudel gerissen, der in der islamischen Welt in Gang gesetzt wurde.

Quelle: der FREITAG   vom 02.07.2015. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Veröffentlicht am

02. Juli 2015

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