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Atom-Verhandlungen: Gegen die Koalitionen der Unwilligen

In einer ansonsten kriegerischen Region der diplomatische Erfolg mit dem Iran gesucht

Von Torsten Wöhlert

Wer immer die Nuklear-Diplomatie mit dem Iran scheitern lassen will, kann leicht den passenden Teufel im Detail finden. Doch dürfte das nicht der Grund dafür gewesen, dass die Sondierungen in Lausanne über den 31. März hinaus verlängert wurden und bei Redaktionsschluss noch andauerten. Schließlich sollten die zu vereinbarenden Grundsätze ein belastbares Fundament für ein überprüfbares Abkommen sein, das bis Ende Juni ansteht. Bis dahin wird die Zahl der Gegner einer solchen Vereinbarung mit Sicherheit nicht kleiner.

Israels Premier Netanjahu fühlt sich durch die jüngst abgehaltene Knesset-Wahl in seinem Veto gegen jegliche Verständigung mit Teheran bestätigt, die unterhalb des kompletten Abbaus aller nuklearen Fähigkeiten bleibt. In Washington proben republikanische Senatoren den Aufstand gegen den eigenen Präsidenten. Erst wird Netanjahu am Weißen Haus vorbei zu einer Brandrede im Kongress gebeten. Dann bekommt man in Teheran einen Brief, in dem 47 republikanische Senatoren erklären, dass die Unterschrift Obamas unter einen Vertrag nicht die Tinte wert ist, mit der unterzeichnet werden soll. Abgesehen davon, dass diese niveaulose Art amerikanischer Verfassungskunde auf die Urheber zurückfällt, wurde die Steilvorlage von iranischen Hardlinern dankbar angenommen.

Gegen solche Koalitionen der Unwilligen wird beim iranischen Atompoker seit zehn Jahren verhandelt. Dem widerstanden zu haben, allein das ist ein Erfolg, zumal in einer Zeit, da Diplomatie im Nahen Osten gehörig aus der Mode zu kommen scheint. Käme es wirklich im Juni zum finalen Agreement, dann werden nicht nur einige Karten in der Region neu gemischt. Dann wäre das auch ein Zeichen der Hoffnung angesichts eskalierender Konflikte. Zwischen Israel und Palästinensern herrscht bestenfalls Eiszeit. Von Verhandlungen keine Spur. Worüber auch? Eine Zwei-Staaten-Lösung ist durch die Siedlungspolitik irrealer denn je. Ein bi-nationaler Staat wäre entweder jüdisch oder demokratisch. Also bleibt es beim Status quo einer Besatzung mit teilautonomer Selbstverwaltung, bis der nächste Gewaltausbruch den Konflikt wieder ins kollektive Weltbewusstsein hebt.

Dass der Iran aus der bisherigen Atom-Diplomatie gestärkt hervorgeht, ist unbestreitbar und kann der Region durchaus gut tun. Zunächst ist es für die Islamische Republik selbst von Belang, welche Sanktionen wann aufgehoben werden. Die gemäßigten Kräfte um Präsident Hassan Rohani werden sich nur behaupten, wenn ihr Land die Isolation aufbricht und die wirtschaftliche Talfahrt beendet. Unabhängig davon wird ein Abkommen die strategische Position Teherans weiter aufwerten - sehr zum Verdruss Saudi-Arabiens, wo man die Präsenz des schiitischen Konkurrenten auf der regionalen Bühne mit dem größten Missfallen quittiert. Das konfrontative Verhältnis zwischen beiden Mächten befeuert nicht nur ein heraufziehender Bürgerkrieg im Jemen. Ein erfolgreicher Kampf gegen den Dschihad des Islamischen Staates (IS) im Irak und in Syrien ist ohne Teheran undenkbar. Das heißt, wer soviel strategisches Gewicht aufbaut, den versieht ein Atomabkommen mit höheren Weihen. Und die werden sich besonders auf den syrischen Bürgerkrieg auswirken. Man muss überhaupt kein Freund von Assad & Co. sein, um zu begreifen, dass es ohne ihn und seine Partner in Teheran kein Ende des Bürgerkriegs geben wird. Man darf gespannt sein, wie sich im Westen diese Wende verkauft - wann aus dem "Diktator" wieder der "Präsident Assad" wird.

Quelle: der FREITAG vom 13.05.2015. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Veröffentlicht am

14. Mai 2015

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