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Europa: Emanzipation von Amerika

Kommissionspräsident Juncker empfiehlt eine EU-Armee. Sollte es die geben, wäre die europäische Sicherheitsarchitektur oder was davon übrig ist, vollends erledigt

Von Lutz Herden

Wenn die EU bisher nur unter größten Mühen eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zustande brachte oder ganz darauf verzichten musste - weshalb braucht sie dann eine eigene Armee? Da wäre nicht nur eine einheitliche Militärpolitik, sondern gleichsam die Bereitschaft gefragt, notfalls geschlossen in den Krieg zu ziehen. Wozu sonst soll eine Armee gut sein? Sie wird für den Ernstfall formiert und trainiert. Alles andere ist Selbsttäuschung. Dass sich dafür Staaten hergeben wie der EU-Dissident Großbritannien, der Amerika-Freund Polen oder die zu Bittstellern degradierten Euro-Krisenstaaten Griechenland, Zypern oder Portugal, kann getrost ausgeschlossen werden. Insofern lässt sich schwer sagen, was an der Idee des EU-Kommissionspräsidenten frappierender ist - die surreale Verstiegenheit oder das kühne Vordenkertum.

Was wird aus der NATO?

Gesetzt den Fall, Jean-Claude Juncker erhielte, was ihm vorschwebt, was hieße das im Augenblick? Man bekäme eine gegen Russland gerichtete Streitmacht, die Europa keineswegs sicherer, dafür aber kriegsfähiger macht. Es wäre um die NATO geschehen, denn eine EU-Armee ist keine transatlantische Einrichtung. Folglich würde das bisherige durch ein anderes Militärbündnis, die NATO gegen die EU ersetzt. Was hieße das für die Amerikaner? Gehen die endgültig nach Hause? Nehmen sie ihre Kernwaffen mit?

Nicht zu vergessen - man hätte es mit einer deutschen EU-Armee zu tun, weil der europäische Hegemon neben dem ökonomischen gewiss auch das militärische Kommando zu schätzen weiß. Vielleicht findet sich hier das rationale Motiv für Junckers Einwurf. Er zieht Schlussfolgerungen aus der bisherigen Krisenintervention beim Ukraine-Konflikt, die erst zu Ergebnissen kam, als es die Merkel-Hollande-Mission mit Realpolitik versuchte. Die ukrainische Führung musste die wahren Kräfteverhältnissen im eigenen Land anerkennen, während die USA vorübergehend auf einen Beobachterstatus reduziert blieben. Wenn derartige politische Selbstbestimmung auf Dauer als Emanzipation von Amerika funktionieren soll, wird das nur dank militärischer Eigenständigkeit möglich sein. Das verträgt sich zwar kaum mit der mutmaßlichen Friedfertigkeit eines Friedensnobelpreisträgers, doch dafür war die EU ohnehin eine Fehlbesetzung.

Quelle: der FREITAG vom 12.03.2015. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Veröffentlicht am

12. März 2015

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