Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

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“Während der Folterungen, haben sie unsere Eltern angerufen”

Auf der ägyptischen Sinai-Halbinsel werden Flüchtlinge von kriminellen Banden entführt und gefoltert, um Lösegeld von ihren Verwandten zu erpressen. Im September 2013 wurde PRO ASYL von seiner ägyptischen Partnerorganisation Amera um Hilfe gebeten. Sie kümmerte sich um zwei eritreischen Mädchen, Elisabeth und Mariam*, die monatelange Folter überlebten und freigekauft werden konnten und sich in Kairo befanden.

Da Elisabeth und Mariam auch in Kairo nicht sicher vor ihren Peinigern waren, bat Amera PRO Asyl, eine Aufnahme in Deutschland zu erwirken. Gemeinsam mit den Familienangehörigen, die in Deutschland leben, setzte sich PRO ASYL für die Erteilung eines humanitären Visums ein. Nach einem Jahr zähen Ringen kamen die beiden nun endlich bei ihren Verwandten an.

Flucht vor der Militärdiktatur

Elisabeth und Mariam waren gute Schülerinnen in Eritrea und auf dem Weg zum Abitur. Eritrea ist eine Militärdiktatur - das sogenannte "Nordkorea Afrikas" - junge Menschen werden dort zwangsweise zum Militärdienst eingezogen. Die beiden Mädchen haben am Schicksal ihrer Schwestern erleben müssen, wie diese von der Armee eingezogen und in Militärcamps gedemütigt wurden. Diesem Schicksal wollten die beiden Mädchen entgehen. Sie wollten nicht für das diktatorische Regime kämpfen müssen.

Elisabeth und Mariam entschlossen sich, aus ihrer Heimat zu fliehen, obwohl ihnen bewusst war, dass sie einen gefährlichen Weg vor sich hatten. Wer aus Eritrea flieht, wird vom Regime als Deserteur betrachtet. Deserteure werden erschossen. Die Gefahr, an der Grenze gestellt zu werden, war den Mädchen bewusst, doch sie konnten sich nicht vorstellen, was ihnen tatsächlich bevorstand. Es war schlimmer als alles, was sie sich je in Gedanken ausgemalt hatten: "Schnell sterben ist ein Segen gegenüber dem, was man mit uns auf der Sinai-Halbinsel gemacht hat", sagen sie auch heute noch immer wieder. Was sie auf ihrer Flucht erleiden mussten haben sie im Folgenden zu Protokoll gegeben.

Tag und Nacht misshandelt

"Als wir dachten, dass wir endlich die sudanesische Grenze erreicht hätten, wurden wir gekidnappt und an Menschenhändlern verkauft, die uns dann in den Sinai verschleppen. Damit begann der schlimmste Horror für uns. Wir wurden Tag und Nacht misshandelt. Sechs Männer schlugen uns abwechselnd, um die Telefonnummern unserer Familien von uns zu erfahren. Irgendwann gaben wir nach und sagten sie den Menschenhändlern.

Wir wurden angekettet und während dessen mit Stöcken geschlagen. Sie ließen heißes Öl auf uns tropfen. Dann verbrannten sie Plastiktüten über uns, das verbrannte Plastik fiel auf unsere Körper, besonders die Kopfhaut haben sie uns damit verbrannt. Wir wurden mit dem Kopf nach unten aufgehängt, bis wir ohnmächtig wurden. Wir wurden mit schweren Gegenständen, mit Schläuchen und mit Elektroschocks misshandelt. Während der Folterungen haben sie unsere Eltern angerufen, sie mussten unsere Schreie am Telefon mit anhören", berichten Elisabeth und Mariam. Ihre Familien sollten Lösegeld für sie bezahlen, 40.000 US-Dollar pro Person. Eine solche Summe konnten sie unmöglich so schnell aufbringen."

Wir haben jeden Tag gebetet, die nächsten Toten zu sein

Alle Gefangenen sollten und mussten mit ansehen, wie unbarmherzig und barbarisch die Kidnapper mit den Flüchtlingen umgingen. Nur in wenigen Fällen konnten die Familien der Gekidnappten das Geld schnell bezahlen und die Angehörigen kamen dann frei. Für manche andere wurde zwar das Geld bezahlt, aber die Gefangenen haben die Misshandlungen nicht überlebt, erzählen die Mädchen. Die gefangenen Frauen, alle zwischen 16 und 25, wurden auf schreckliche Art und Weise missbraucht.

"Unsere Schreie wurden uns aber auch oft zum Verhängnis, da man uns deswegen mit Drogen stumm gemacht hat. Von unserer Gruppe, die aus 26 Personen bestand, haben nur fünf Personen überlebt. Wir haben jeden Tag gebetet, die nächsten Toten zu sein. Aber irgendwie haben unsere Körper all die unsäglichen Grausamkeiten durchgehalten.

Knapp 9 Monaten dauerte unsere Gefangenschaft in den Händen der Menschenhändler. Unsere Kopfhaut war teilweise mit Plastik und heißem Öl verbrannt und dementsprechend schmerzhaft und glatt. Wir konnten weder eine Mütze aufsetzen noch ein Tuch drauflegen. Weil wir über all die Monate in Ketten gelegen hatten, waren die Füße bis auf die Knochen entzündet. Die Haut und das Fleisch waren verfault, man hat die Knochen gesehen."

Rettung auf verschlungenen Wegen und dank vieler helfender Hände

"Unsere Freiheit erlangten wir, nachdem die Folterer Geld bekommen hatten, wir wurden freigekauft. Auf verschlungenen Wegen und dank der Hilfe - nicht nur finanzieller Art - von vielen Menschen kamen wir in Freiheit und wurden nach Kairo/Ägypten gebracht. Dort erfuhren wir die erste menschliche Hilfe. Wie wurden in ein Krankenhaus zur Notversorgung unserer Folterverletzungen und zur Kräftigung unserer geschundenen Körper gebracht und bekamen die ersten Infusionen.

Kurze Zeit später bekamen wir dort auch die Möglichkeit, mit unseren Verwandten in Deutschland, Kanada und Australien direkten telefonischen Kontakt aufzunehmen.

Wir hörten dort auch den Namen Pro Asyl zum ersten Mal. Wir erfuhren, dass Pro Asyl sich darum bemühte, uns nach Deutschland zu holen. Wir bekamen neue Hoffnung zum Leben! Wir telefonierten so oft es ging mit unseren Verwandten und deren Bekannten in Deutschland. Aber wir mussten warten, es dauerte und dauerte. Als wir fast die Hoffnung aufgegeben hatten, hieß es schließlich doch noch, dass wir nach Deutschland einreisen dürfen.

Nach einem Jahr Warten wurde uns die Einreiseerlaubnis nach Deutschland erteilt. Wir sind nun in Deutschland und versuchen, wieder zu leben. Wir danken allen, die uns diesen neuen Weg in ein neues Leben ermöglicht haben, insbesondere der Organisation Pro Asyl und deren Unterstützern."

*Namen geändert

Informationen zum Kidnapping von Flüchtlingen auf dem Sinai:

Quelle: PRO ASYL Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge e.V. - 29.12.2014.

Veröffentlicht am

30. Dezember 2014

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