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Ebola: Wer zu spät kommt

Die Welt macht den gleichen Fehler wie bei der Aids-Seuche. Auch die Hilfe aus Deutschland ist beschämend gering

Von Ulrike Baureithel

Wir haben im Umgang mit HIV so viel Zeit vergeudet. Wir hätten so viel tun können, wenn wir uns eingestanden hätten, dass wir ein Problem haben. Wenn die Weltgemeinschaft Anfang der 80er Jahre entschiedener gehandelt hätte, hätten wir auch ohne Medikamente viele Menschenleben retten können. Das ist die bittere Bilanz einer Dokumentation mit dem Titel Aids - Erbe der Kolonialzeit, die Ende November bei Arte ausgestrahlt werden wird. Jahrelang begleitete der Biologe und Dokumentarfilmer Carl Gierstorfer Wissenschaftler bei ihrer Suche nach dem Ursprung des Virus, von dem vermutet wird, dass es viel länger zirkuliert, als das offizielle Entdeckungsdatum 1981 suggeriert.

Und tatsächlich wurden die Forscher fündig: Gewebeproben aus Zentralafrika beweisen, dass sich bereits in den 60er Jahren verschiedene HIV-Stämme herausgebildet und sogar Pandemien ausgelöst hatten. Die Erstübertragung des Virus vom Tier auf den Menschen lässt sich im einstigen Französisch-Äquatorialafrika sogar auf das Jahr 1908 zurückdatieren. Die mit der Kolonialherrschaft einhergehende steigende Mobilität, Kriege und Korruption begünstigten seine Ausbreitung. Es vergingen aber mehr als 80 Jahre, bis die Welt auf die neue Infektionskrankheit aufmerksam wurde.

Dieser wie ein Krimi anmutende Film ist auch deshalb so aufstörend, weil die Parallelen zur heutigen Ebola-Epidemie in Westafrika so offensichtlich auf der Hand liegen. Waren es in der Kolonialzeit Träger, die das Virus verbreiteten, sind es heute die modernen Verkehrswege, die durch Bürgerkriege zerrüttete Infrastruktur und nicht zuletzt die Armut, die Pandemien fördern, wenn ein Virus die Tier-Mensch-Schranke erst einmal übersprungen hat.

Globale Gefahr übersehen

Auch bei Ebola dauerte es viel zu lange, bis die Weltgemeinschaft zur Kenntnis nahm, dass von diesem Erreger nicht nur einige Urwaldstämme, an denen die Welt wenig Interesse hat, betroffen sind, sondern eine globale Gefahr von ihm ausgeht. Erst im August reagierte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit der Ebola Response Roadmap auf den Alarm der zivilgesellschaftlichen Hilfsorganisationen vor Ort. Dabei gehe es derzeit, so der Ebola-Beauftragte der Bundesregierung, Walter Lindner, nicht einmal vorwiegend um Geld, sondern darum, die Hilfe zu koordinieren. Und damit tut sich die WHO, aber auch die unterstützungsbereiten Länder, extrem schwer.

Das Deutsche Rote Kreuz hat frühzeitig begonnen, Unterstützung für die drei betroffenen Staaten Sierra Leone, Liberia und Guinea zu organisieren. Obwohl sich auf den im September veröffentlichten Aufruf verschiedener Ministerien und der Hilfsorganisationen zahlreiche Freiwillige gemeldet haben, startete der erste Hilfsflug viel zu spät: Erst am 4. November gingen 25 Tonnen Hilfsgüter für ein Ebola-Behandlungszentrum in Kenema in Sierra Leone von Berlin-Schönefeld ab. In dem von der WHO errichteten Ebola Treatment Center in Liberias Hauptstadt Monrovia traf Ende Oktober eine Vorbereitungsgruppe ein.

900 Freiwillige, bestätigt Sprecherin Alexandra Burck, hätten sich bisher beim DRK gemeldet, geeignet seien voraussichtlich 366, darunter 126 Ärzte. Hinzu kommen aus dem DRK-eigenen Pool noch einmal 50 abrufbare Kräfte. Außer dem Behandlungszentrum in Kenema, dessen Bettenkontingent von 20 auf bis zu 100 erweitert werden soll, will das Rote Kreuz außerdem die Einrichtung in Monrovia übernehmen, die ebenfalls bis zu 100 Betten bereithalten soll. Der Einsatz wird logistisch und personell von der Bundeswehr unterstützt.

Diese war in den letzten Wochen in die Schlagzeilen geraten, weil aufgrund technischer Pannen und des langwierigen Aufbaus der Luftbrücke von Dakar im Senegal in die Hauptstädte der Krisengebiete viel Zeit verging, bis überhaupt ein Hilfsflug starten konnte. Inzwischen wurden in 29 Flügen immerhin 100 Tonnen Hilfsmittel transportiert. Zu der Frage, warum das alles so lange gedauert habe, will sich die Sprecherin des Verteidigungsministeriums nicht explizit äußern. Die Bundeswehr leiste nur einen Teil des humanitären Einsatzes, in enger Abstimmung mit anderen Ressorts und unter der Gesamtkoordination des Ebola-Beauftragten. Beim Aufbau der Luftbrücke seien allerdings auch die Sicherheitsinteressen der von Ebola nicht betroffenen Länder zu berücksichtigen gewesen, die fürchteten, das Virus könnte eingeschleppt werden.

Auch bei der Bundeswehr erwies sich die Rekrutierung von Freiwilligen als zeitraubendes Nadelöhr. Nachdem Ministerin Ursula von der Leyen ihre Soldatinnen und Soldaten nicht einfach per Befehl nach Afrika abkommandieren wollte, sondern in ihrem Tagesbefehl vom 22. September an die Hilfsbereitschaft der Bundeswehr-Angehörigen appellierte, sind mit dem genannten Hilfsflug mittlerweile die ersten vier Bundeswehrhelfer in Westafrika eingetroffen. 70 Freiwillige hätten die anspruchsvolle fünftätige Einweisung bereits absolviert, weitere 130 seien eingeplant, so die Sprecherin. Die Freiwilligen werden versorgungsrechtlich so gestellt, als würden sie in Afghanistan oder in einem anderen Kriegsgebiet eingesetzt.

Denn selbst wenn Hilfskräfte von außen in den Krisenländern nur unterstützend tätig sind - nach dem WHO-Schlüssel sollen die Behandlungszentren zu 90 Prozent von Einheimischen betrieben werden -, ist der Personalaufwand enorm. Auf ein Bett kommen drei Helfer, und das auswärtige Personal soll immer nur rund fünf Wochen in Westafrika bleiben. Was die Mission bislang zusätzlich verzögerte, war die Frage, was eigentlich passiert, wenn sich ein Helfer mit Ebola ansteckt.

Das Deutsche Rote Kreuz verlässt sich nach wie vor auf die Zusicherung der Bundesregierung, dass Infizierte möglichst schnell zur Behandlung zurücktransportiert würden. "Wir haben keinen Grund, daran zu zweifeln", sagt Burck. Die Sprecherin des Verteidigungsministeriums differenziert: Hochinfektiöse Patienten, die keiner intensivmedizinischen Versorgung bedürfen, können in so genannten Isolationssystemen im Rahmen der Bundeswehr-Rettungskette nach Hause geflogen werden. Bei Infizierten, deren Krankheitssymptome bereits stark ausgeprägt seien, sei man auf die Spezialflugzeuge des US-Unternehmens Phoenix Air angewiesen.

Impfstoff gesucht

Auf Eis gelegt scheinen vorerst die Pläne, das Hilfspersonal von bewaffneten Soldaten eskortieren zu lassen. Das hat weniger mit den Bedenken der NGOs zu tun, die der Militarisierung der Entwicklungshilfe grundsätzlich skeptisch gegenüberstehen, sondern schlicht mit der Sicherheitslage in den beiden Ländern: "Nach bisherigen Erkenntnissen", versichert die Sprecherin, "ist das nicht erforderlich, unsere Freiwilligen gehen unbewaffnet."

Derzeit kann die Hilfe aus Deutschland und aus allen anderen Staaten ohnehin höchstens dazu beitragen, die Situation vor Ort zu entdramatisieren und die Pandemie einzudämmen. Nur wenige Länder verfügen wie Kuba über eine Katastrophen-Task-Force. Aber um die Seuche nachhaltig in den Griff zu bekommen, braucht es einen wirkungsvollen Impfstoff. Derzeit werden zwei Präparate in der Schweiz an Freiwilligen erprobt. Es soll getestet werden, ob damit das Personal in den Ebola-Gebieten geschützt werden kann.

Manchmal gehen medizinische Maßnahmen aber auch schief. Carl Gierstorfer erzählt in seinem eingangs erwähnten Aids-Film von der Anfang des 20. Jahrhunderts gegen die Malaria geführte Injektionskampagne, durch die der Aids-Erreger aufgrund nicht steriler Nadeln womöglich sogar weiter verbreitet wurde. Das Erbe der Kolonialgeschichte spüren wir bis heute, nicht nur in Zentralafrika.

Quelle: der FREITAG vom 17.11.2014. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

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Veröffentlicht am

18. November 2014

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