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Afghanistan: Noch ein Abschied

Die USA haben Präsident Hamid Karzai als Partner aufgegeben

Von Lutz Herden

Es ist Joe Biden, der für einen vorsichtigen Bruch mit bisherigen Planungen für die US-Präsenz nach dem Abzug aller ISAF-Verbände Ende 2014 plädiert. Statt der vorgesehenen 10.000 Mann würden 3.000 reichen, wenn man vermehrt Drohnen einsetze und die Basen in Pakistan nutze, so der Vizepräsident. Damit ließen sich die Taliban und andere Dschihadisten mühelos in Schach halten.

Was die NATO dann noch zu tun hätte, wäre auf die Ausbildungsmission Resolute Support beschränkt. Selbst diese dosierte Nachsorge steht unter Vorbehalt, solange Hamid Karzai das Bilateral Security Agreement (BSA) mit den USA nicht unterschreibt. Washington hat bisher alles vermieden, was nach einem Ultimatum für den afghanischen Staatschef aussehen könnte, der offenbar bis zur Präsidentenwahl am 5. April an politischem Gewicht halten will, was immer sich halten lässt.

Karzai kann nicht erneut kandidieren, aber er möchte keine lame duck sein, bevor alle Optionen ausgeschöpft sind, mit den Taliban ein Regime des Übergangs auszuhandeln. Er hat es dabei freilich mit unsicheren Kantonisten zu tun. Die Gotteskrieger verfügen über keine konsistente Nachkriegsstrategie. Die Quetta Shura von Mullah Omar, des geistlichen Führers aus der Zeit des afghanischen Kalifats zwischen 1996 und 2001, will das Präsidentenvotum abwarten und notfalls weiter auf Guerilla-Kampf setzen. Die verhandlungsbereite Fraktion könnte sich die Teilhabe an einer künftigen Regierung vorstellen, falls die Nationalarmee ANA auf 15.000 Mann reduziert wird und die Taliban als legitime Waffenträger anerkannt werden. Sollte der jetzige Bestand von etwa 150.000 Soldaten auf dieses Limit schrumpfen, käme Resolute Support allerdings die Kundschaft abhanden.

Überraschend hat das Pentagon seine Einkaufsliste für das afghanische Militär um 40 Prozent zusammengestrichen, auch darf die Army am Hindukusch bis Jahresende keine Infrastruktur-Projekte mehr angehen. Alles zu tun, damit aus Afghanistan kein Hexenkessel wird wie nach dem Abzug der Sowjets vor 25 Jahren, scheint die Devise in Washington. Doch soll nur getan werden, was unverzichtbar ist. Vermutlich werden sich die NATO-Verteidigungsminister Ende Februar in ihrem Afghanistan-Meeting in diesem Sinne einigen. Die Obama-Regierung muss mit einigem Fatalismus Notiz davon nehmen, dass Hamid Karzai ohne internationale Partner seinen Frieden mit den Taliban machen will, trotzdem aber darauf besteht, dass die USA auch nach Ende der Präsidentschaft im Mai für seine persönliche Sicherheit sorgen.

Quelle: der FREITAG vom 26.02.2014. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags. 

Veröffentlicht am

26. Februar 2014

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