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Systematische Verharmlosung der Folgen: Leben in Japan nach der Atomkatastrophe

Auch drei Jahre nach der Atomkatastrophe halten das Verschweigen, Vertuschen und Verdrängen der offiziellen japanischen Stellen an. Die Geheimhaltung der unbequemen Wahrheiten ist durch das neue japanische Geheimhaltungsgesetz sogar noch einfacher und umfangreicher geworden. Die Vertuschung beginnt bereits mit den amtlichen Mess-Stationen. Sie rechnen die Umgebungsstrahlung systematisch herunter. "Über 80 Prozent der 3.141 offiziellen Messstationen zeigen zu geringe Ortsdosis-Werte an, häufig nur die Hälfte bis zu zwei Drittel des wahren Wertes", berichtet der Umweltjournalist Alexander Neureuter über seine Recherchen vor Ort. Das japanische Umweltministerium hat inzwischen eingeräumt, dass seine Geräte einen Konstruktionsfehler aufweisen: Um den Messsensor des Geräts herum wurden Blei-Akkus zur Gewährleistung einer unterbrechungsfreien Stromversorgung angeordnet. Blei jedoch ist eines der für Strahlung undurchdringlichsten Materialien.

Zudem werden die gesundheitlichen Folgen der Strahlung systematisch verharmlost. Untersucht werden die Schilddrüsen aller 360.000 Kinder und Jugendlichen bis 18 Jahre, die zum Zeitpunkt des Atomunfalls in der Präfektur Fukushima lebten. Die untersuchenden Ärzte wurden angewiesen, die komplette Untersuchung einschließlich Anamnese, Abtasten und Ultraschalluntersuchung in nur drei Minuten durchzuführen. Diese Zeitvorgabe ist bei sorgfältiger Untersuchung völlig unrealistisch. Die Befunde werden nicht im Detail erläutert, es werden keinerlei Dokumente wie Untersuchungsergebnisse, Ultraschallbilder oder Arztkommentare an die Eltern herausgegeben. Das Einholen einer ärztlichen Zweitmeinung ist nicht vorgesehen, niedergelassene Ärzte wurden sogar schriftlich dazu angehalten, keine Untersuchungen von betroffenen Kindern durchzuführen. Die nächste Ultraschallunter-suchung erfolgt turnusmäßig erst in zwei Jahren. "Diese Zeitspanne von zwei Jahren zwischen dem Auffinden des Knotens und der nächsten Nachuntersuchung ist viel zu lange", erklärt Dr. Alex Rosen (IPPNW).

Am 7. Februar 2014 sind die aktuellen Daten der Schilddrüsenuntersuchungen in Japan veröffentlicht worden. Bis zum 31. Dezember 2013 wurden 269.354 Kinder und Jugendliche untersucht: Bei 47 Prozent der Patienten wurden Gewebeknoten und -zysten gefunden. Bei 33 Kindern wurde Schilddrüsenkrebs festgestellt, bei 41 weiteren besteht ein akuter Verdacht. Das bedeutet eine Prävalenz (Anzahl der zum Untersuchungszeitpunkt Kranken) von 13,0 pro 100.000 Einwohnern. Die normale Inzidenz (Anzahl der neu Erkrankten) von Schilddrüsen-Karzinomen bei Kindern unter 18 Jahren in Japan liegt bei 0,35 pro 100.000 Einwohner. "Die Zahl der Schilddrüsenkrebsfälle in Fukushima ist daher besorgniserregend", so Dr. Rosen. Die zweite Runde der Reihenuntersuchungen, die ab April 2014, durchgeführt werden soll wird erstmals Rückschlüsse auf die Zahl der tatsächlichen Neuerkrankungen zulassen. Kritisch anzumerken ist zudem, dass andere maligne Erkrankungen wie beispielsweise solide Tumore, Leukämien oder Lymphome, nicht-maligne gesundheitliche Folgen wie Katarakte, endokrinologische und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sowie genetische Konsequenzen der radioaktiven Exposition der Bevölkerung nicht adäquat untersucht werden.

  • Hier kann die Dokumentation des Umwelt-Journalisten Alexander Neureuter über das Leben der Menschen in der Präfektur bestellt werden: "Fukushima 360°"

Quelle:  IPPNW - Pressemitteilung vom 17.02.2014.

Veröffentlicht am

22. Februar 2014

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