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Flugaffäre: Veto aus Südamerika

Die erzwungene Landung des bolivianischen Präsidenten in Wien hat zum kollektiven Protest eines Subkontinents geführt, der nicht wie eine Kolonie behandelt werden will

Von Lutz Herden

Das Verhältnis zwischen Südamerika und Europa hat gelitten. Die Flugaffäre um Evo Morales sorgt für politische Kollateralschäden, mit denen die Regierungen Frankreichs, Spaniens, Portugals und Italiens kaum gerechnet haben dürften, als sie der bolivianischen Präsidentenmaschine am 3. Juli den Überflug verweigerten und eine Notlandung in Wien erzwangen. Erst gab es innerhalb von 48 Stunden einen Ad-hoc-Gipfel des Staatenbundes UNASUR in Cochabamba. In dieser Woche nun folgt ein zweites Treffen auf höchster Ebene in Montevideo. Der Umgang mit Evo Morales hat den Subkontinent näher zusammenrücken lassen. Verletzt und erniedrigt fühlen sich nicht nur Länder mit linken Regierungen wie Venezuela, Bolivien, Ecuador und Argentinien, sondern auch Chile, Peru oder Brasilien, die auf entspannte Beziehungen zu den USA bedacht sind.

Wir leben eben nicht mehr im 20. Jahrhundert, als sich die Staaten Südamerikas vermutlich nicht so schnell und nicht so einmütig zum konzertierten Veto gegen diesen Kollaps der Contenance zusammengefunden hätten. Weshalb das so ist? Eine Erklärung könnte lauten: Der Eklat von Wien wirkt wie das Relikt eines arroganten Kolonialismus. Für einige, nicht eben unmaßgebliche EU-Regierungen scheinen die internationalen Beziehungen eine Art Ständeordnung zu sein mit Staaten erster, zweiter und dritter Klasse.

Wer dieses Ranking ignoriert, auf Würde und Entscheidungsfreiheit Wert legt, dem droht eine Lektion, wie sie Morales zuteil wurde. Der musste 13 Stunden in Wien ausharren und sein Flugzeug von fremdem Sicherheitspersonal inspizieren lassen, als sei er nicht Präsident eines souveränen Staates, sondern ein verdächtiges Subjekt von möglicherweise beachtlicher krimineller Energie.

Morales dürfte recht haben, wenn er sagt, es ging beim respektlosen Umgang mit seiner Person nicht nur um den Asylsucher Edward Snowden. "Ich bin davon überzeugt, dass mein Delikt - man könnte fast sagen: meine Sünde - darin besteht, dass ich ein indigener Präsident und Antiimperialist bin. Und dass ich die Politik von Staaten infrage gestellt habe, die uns nur Hunger und Kriege ins Land brachten." Man stelle sich bloß vor, die Behörden in La Paz hätten dem amerikanischen oder französischen Präsidenten die Überflugrechte verwehrt.
Welcher Affront, welcher akute Krisenfall wäre beklagt und als Beweis für die leider verminderte internationale Satisfaktionsfähigkeit eines durch "Linkspopulisten" regierten Landes gedeutet worden.

Umso mehr ermutigt es, dass die Staaten Südamerikas die am 3. Juli vorgeführte globale Klassengesellschaft verwerfen und sich nicht zu deren Domestiken degradieren lassen. Wenn Edward Snowden jetzt auf Asyl in Venezuela, Nicaragua oder Bolivien hoffen kann, ist das nur folgerichtig. Es wollen ihm Länder helfen, die sich nicht einschüchtern lassen und jenem willfährigen Opportunismus wie Deutschland folgen, wo dem Schutzsuchenden Snowden ein Refugium verweigert wird. Immerhin jemand, der für zivilisatorische Standards wie den Schutz und die Freiheit des Individuums oder das Recht auf informationelle Selbstbestimmung mehr getan hat als die Regierungen in Paris, Rom, Lissabon, Madrid und Berlin zusammen.

Quelle: der FREITAG vom 11.07.2013. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Veröffentlicht am

12. Juli 2013

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