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Afghanistan - der ferne Krieg als Spiegel unserer Gesellschaft

Einführung zum Thema der Jahrestagung 2011 des deutschen Zweigs des Internationalen Versöhnungsbundes in Duderstadt

Von Ullrich Hahn, 2. Juni 2011

1.

Der Krieg in Afghanistan ist nicht nur geografisch fern. Im deutschen Alltag kommt er kaum oder nur am Rande vor, nicht anders als der ferne Hunger und die fernen Flüchtlingstragödien im Nahen Osten, in Afrika und vor den Mauern Europas. Wir müssen schon genau hinsehen, um zu merken, dass er, der Krieg, uns angeht, ja, dass er auch von unserem Land ausgeht.

2.

Als Teil der Friedensbewegung ist es uns ein Anliegen, Frieden zu schaffen, auch in Afghanistan.

Dem soll auch unsere Aktion am Samstag dienen, der symbolische Handschlag zur Versicherung einer deutsch-afghanischen Freundschaft.

Es gilt aber daran zu denken, dass die modernen Feindbilder in der Regel nicht mehr fremden Nationen gelten, sondern besonderen Personengruppen, die uns fremd sind, uns verunsichern und für die Öffentlichkeit das Böse repräsentieren.

Es sind nicht die Afghanen als Angehörige einer Nation, sondern z.B. die Moslem, die unter dem Generalverdacht der Gewalt stehen, oder die Terroristen, sofern sie nicht vom Westen bezahlt sind, die Taliban oder andere Gruppen.

Diese zu Feinden erklärten Menschen genießen nicht einmal das Privileg von Festnahme und Anklage, sondern werden möglichst gleich umgebracht.

Es ist nicht eigentlich der Krieg in Afghanistan, sondern der Krieg gegen den Terror, der präsent ist in unserem eigenen Land.

3.

Bei näherem Hinsehen wird der ferne Krieg auf diese Weise zum Spiegel der eigenen Gesellschaft: für unseren Umgang mit einer uns fremden Religion, unserem Bedürfnis nach Sicherheit, unserem Anspruch nach einem privilegierten, energieaufwendigen Lebensstil, unserer Art, die eigenen Interessen bei der Verteilung der Güter dieser Erde und das, was wir als unser Recht ansehen, auch mit Gewalt durchzusetzen.

4.

Krieg ist nicht populär und wird deshalb auch nicht mehr so genannt.

Die offizielle Sprache von Regierung und Medien ist voll von Umschreibungen und der darin liegenden Legitimation:

Da werden Bundeswehreinheiten "zum Aufbau nach Afghanistan verlegt", sie nehmen "Polizeiaufgaben" wahr, handeln unter einem Mandat der UN als Teil der "Internationalen Gemeinschaft", schützen Frauen ohne Kopftuch und Mädchen in der Schule, bekämpfen Terroristen und Brandstifter.

5.

Leider ist es nichts Neues, dass auch dieser Krieg von den kirchenleitenden Organen in unserem Land fast ausnahmslos gutgeheißen wird, durch Worte, Gesten, Rituale und fehlende Distanz. Er reiht sich ein in ausnahmslos alle militärischen Einsätze seit Martin Luthers Zeiten, die von deutschen Fürsten, Kaiser, Führer und Bundesregierung befohlen werden.

Soweit unsere Kriegsgegnerschaft im christlichen Glauben begründet ist, können wir deshalb gar nicht anders, als deutlich und sichtbar auch gegen die kirchliche Legitimierung dieses Krieges zu protestieren.

6.

Zu den letzten Rechtfertigungen für den Verbleib deutscher Truppen in Afghanistan gehört das Zeitmoment: die Notwendigkeit eines Rückzugs sei schon klar, aber aus Verantwortung für die Menschen dort noch nicht möglich. Aber: für die Umkehr von Unrecht zum Recht, vom Krieg zum Frieden, für die Beendigung von Kampfhandlungen, für die Freilassung der Gefangenen, den Rückzug des Militärs aus fremden Ländern und das Ende von Rüstung und Waffenhandelt gibt es keinen besseren Zeitpunkt als "jetzt".

Veröffentlicht am

26. Juni 2011

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