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Dreht sich der Wind?

Von Andreas Buro und Memo Sahin - Kommentar, Nützliche Nachrichten 5-6/2012

In diesem Kommentar versuchen wir Puzzle-Teile zusammenzusetzen. Viele Teile fehlen noch, manche passen nicht in das Bild, doch scheint es, - mit aller Vorsicht gesagt - dass sich im türkisch-kurdischen Konflikt wichtige Änderungen anbahnen. Vor zwei Monaten empfanden wir die Situation als blockiert. Wir hoffen, es ist nicht leichtfertig, jetzt wieder nach Licht am Horizont Ausschau zu halten.

Nach seinem politischen Besuch in den USA im April dieses Jahres traf Mesut Barzani, der Präsident der autonomen Region Kurdistan im Irak, in Istanbul die höchsten Repräsentanten der Türkei und der Regierungspartei AKP. Er hatte vermutlich eine Botschaft der USA im Gepäck, die er in Istanbul vorstellte. Bekannt wurde Barzanis Aussage: "Die Zeit des bewaffneten Widerstandes ist vorbei. Für eine friedliche Lösung der Kurdenfrage sind wir bereit, unseren Beitrag zu leisten."

Ein anderes Puzzle besagt, US-Diplomaten hätten einen Plan zur Beilegung der Kurdenfrage in der Tasche und der kurdische Präsident des Irak, Djalal (Celal) Talabanî, vermittele deshalb zwischen der Türkei und der PKK, was Talabanî gegenüber der Presse auch zugab.

Man darf vermuten, dass der türkisch-kurdische Konflikt, der sich auch im Irak und in Syrien auswirkt, in den USA, die viele Jahre dem kurdischen Teil des Irak Schutz und Protektion gewährt haben, als ein Störfaktor empfunden wird. Sie haben sich zwar im ‚Kampf gegen den Terror’ stets auf die Seite Ankaras gestellt, haben Hilfe bei Aufklärung und Waffenlieferung gewährt, doch beunruhigte sie sicherlich die Vorstellung, der Irak könne durch diesen Konflikt weiter destabilisiert werden und in Syrien die sunnitischen Moslembrüder Oberhand gewinnen. Um die Kurden in Syrien zu beruhigen und ins Boot zu holen, wurde in Istanbul dem Nationalrat Syrien ein Kurde als Präsident gekürt. Gleich danach hat Barzani, die in zwei Blöcken agierenden Kurden aus Syrien am 11. Juni in die kurdische Hauptstadt Irakisch-Kurdistans, Hewlêr/Arbil, eingeladen und diese haben eine Zusammenarbeit vereinbart. Eine von ihnen ist die Partei für Demokratische Einheit (PYD), die als Ableger der PKK in Syrien bezeichnet wird und die wichtigste Kraft unter den Kurden in Syrien ist.

In der gleichen Zeit begab sich ein türkischer Journalist und Meinungsmacher in der rechten Ecke der Türkei mit Einverständnis der Regierung Erdogans, Avni Özgürel, in das Hauptquartier der PKK in die Kandilberge in Irakisch-Kurdistan. Er führte ein Interview mit dem Präsidenten des Exekutivrates der PKK, Murat Karayilan, um auszuloten, was im Gange ist. Er ist optimistischer zurückgekehrt als zuvor.

Angeblich haben die USA einen Plan zur Beilegung des Konflikts ausgearbeitet. Er soll unter anderem vorsehen, dass die PKK einen dauerhaften Waffenstillstand erklärt, nicht jedoch ihre Waffen abgeben muss. Darauf sollten auch die türkischen Streitkräfte ihre Angriffe auf die Stellungen der PKK einstellen. Die türkische Regierung solle ihre Terrorstrafgesetze entschärfen, so dass ein großer Teil der Inhaftierten kurdischen Politiker und Funktionäre frei gelassen werden könne. Außerdem solle Öcalan aus der Isolationshaft auf Imrali zum Hausarrest im Festland verlegt werden, wo er Möglichkeiten bekäme, seinen Beitrag zu diesem Plan zu leisten. Ferner solle kurdischer Unterricht als Wahlfach und nach Bedarf ermöglicht werden. Auf Dauer dürften dann vermutlich auch weitere Beschränkungen in der Ausübung der kurdischen Sprache fallen. Welche weiteren Puzzleteile in dem Plan noch enthalten sein sollen, ist uns nicht bekannt.

Angeblich sollen AKP und PKK diesem Konzept zugestimmt haben. Doch es kann sich auch um ein taktisches Verwirrspiel handeln, denn zu erfahren ist, dass die AKP gleichzeitig auch Barzani umwirbt, um ihn als Bundesgenossen für den Kampf gegen die PKK in Irakisch-Kurdistan zu gewinnen. Barzani habe bisher allerdings solches Ansinnen zurück gewiesen. Widersprüchlich ist freilich auch, das Verhalten Ankaras gegenüber den syrischen Kurden. Es versucht diese zu behindern, einen vollwertigen Status als syrische Staatsbürger zu erlangen. Die USA allerdings wünschen, dass die syrischen Kurden, sich dem syrischen Nationalrat anschließen, um so dem Kampf gegen das Assad-Regime zu stärken.

Vermutlich gibt es weitere Puzzle-Teile, die wir noch nicht kennen, die vielleicht bald das Licht der Öffentlichkeit erblicken werden.

Quelle:  Dialog-Kreis - Nützliche Nachrichten 5-6/2012.

Veröffentlicht am

15. Dezember 2012

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