Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

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Zur Bedeutung des Zivilen Ungehorsams

In "die tageszeitung" (taz) wurde Mitte Februar eine spannende Debatte über Zivilen Ungehorsam geführt: Der emeritierte Professor Peter Grottian, selbst Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des globalisierungskritischen Netzwerks Attac, kritisierte am 16. Februar in der taz unter der Überschrift "Attac hat Angst"In der Online-Ausgabe der taz findet sich der Artikel unter der Überschrift "Attac hat die Hosen voll" . einen "allzu zaghaften" Einsatz Zivilen Ungehorsams: "Der Vollmundigkeit bezüglich des zivilen Ungehorsams stehen wenige Taten gegenüber." Es helfe nur Üben "am geeigneten Objekt - und lernen, gelassen einen Strafbefehl wegen Besetzung einer Zockerbank aus zuhalten."

Einige Tage später, am 22. Februar, reagierten Jutta Sundermann und Roland Süß, beide Mitglied im bundesweiten Koordinierungskreis von Attac, an gleicher Stelle auf der Meinungs- und Diskussionsseite der taz auf Grottian und machten in der Unterschrift deutlich: "Ziviler Ungehorsam ist eine freiwillige Angelegenheit. Daher fördert es ihn nicht, wenn Attac dazu aufruft."Siehe in der Online-Ausgabe der taz:  "Freiwillig oder gar nicht. Ziviler Ungehorsam kann nicht verordnet werden."

… Der Forum Pazifismus-Redakteur Michael Schmid, seit Jahrzehnten in der Friedensbewegung engagiert und aktiv im "Leuchtturmprojekt" Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie, nimmt die Debatte zum Anlass, Zivilen Ungehorsam als Aktionsmittel sozialer Bewegungen im größeren historischen Zusammenhang zu betrachten.

Redaktion Forum Pazifismus, Nr. 37 I/2013

Zur Bedeutung des Zivilen Ungehorsams

Ein kurzer historischer Überblick

Von Michael Schmid

In seinem taz-Beitrag plädiert Peter Grottian für einen offensiveren Umgang mit dem Mittel des Zivilen Ungehorsams. Für Zivilen Ungehorsam zu werben begrüße ich, auch wenn ich Peter Grottian nicht in allen Punkten zustimmen kann.

Ich möchte mich in diesem Beitrag aber vor allem auf diese Punkte konzentrieren: Ziviler Ungehorsam in der bundesdeutschen Geschichte, Entstehung des Zivilen Ungehorsams - Thoreau, Gandhi, King, Ziviler Ungehorsam - ein Element gewaltfreier Aktion und Anmerkungen zur Debatte in der taz.

Ziviler Ungehorsam in der bundesdeutschen Geschichte

In politischen Debatten und in der Praxis der sozialen Bewegungen der Bundesrepublik hat Ziviler Ungehorsam lange Zeit keine besondere Rolle gespielt. Und das, obwohl er durchaus vorhanden war. Denn die Geschichte des bundesrepublikanischen Protests war begleitet von Formen des Zivilen Ungehorsams.

Zum Beispiel die "Helgolandfahrten" in den frühen 1950er Jahren. Damals diente die Insel Helgoland der englischen Luftwaffe als Abwurfziel bei Bombardierungsübungen. Weil die völlige Zerstörung der Insel drohte, begannen Gruppen von Jugendlichen um die Jahreswende 1951/52 mit Besetzungen. Diese Jugendlichen wurden immer nach ein paar Tagen von der Polizei festgenommen, später wurden insgesamt 367 Monate Gefängnisstrafe gegen sie verhängt. Schließlich war mit den Aktionen aber so viel öffentliche Aufmerksamkeit erregt, dass nach Debatten im britischen Unterhaus und Deutschen Bundestag Helgoland noch 1952 freigegeben wurde.

Im Rahmen der Ostermarschbewegung der 1960er Jahre gab es gelegentliche gewaltfreie Sitzblockaden. Das öffentliche Verbrennen von Einberufungsbescheiden zur Bundeswehr war eine weitere Form Zivilen Ungehorsams. Eine andere die den Staat erheblich unter Druck setzende Selbstbezichtigungskampagne "Wir haben abgetrieben" in den frühen 1970er Jahren gegen den Paragraphen 218 Strafgesetzbuch.

Am 18. Februar 1975 wurde von einigen hundert Menschen in Wyhl bei Freiburg der Bauplatz des dort geplanten Atomkraftwerks besetzt. Die Polizei räumte den Platz mit der Folge, dass drei Tage später das Gelände von 20.000 Menschen besetzt wurde. Das war der Ausgangspunkt für das spätere Ende eines Atomkraftwerks Wyhl und gleichzeitig der Beginn einer breiten Anti-AKW-Bewegung. Zugleich kann dieser erfolgreiche Widerstand in Wyhl als die große Ermutigung zum Zivilen Ungehorsam in der Bundesrepublik angesehen werden.

Den Bauplatzbesetzungen in Wyhl folgten Platzbesetzungen und der Bau von Anti-Atom-Dörfern an anderen geplanten AKW-Standorten, wie etwa die "Republik Freies Wendland", die nach 33 Tagen mit einer Räumung beendet wurde. Eine weitere Aktion gegen den Bau und Betrieb von Atomkraftwerken war der Stromteilzahlungsboykott, mit dem Tausende von Kunden die Zahlung eines Atomstromanteils an der Stromrechnung verweigerten.

In den 1980er Jahren griff die Friedensbewegung dann schließlich immer häufiger zum Mittel des Zivilen Ungehorsams: So wurden Atomwaffenlager gewaltfrei blockiert, wie etwa in Großengstingen, wo einer ersten Sitzblockade einer kleineren Gruppe im Jahre 1981 eine langfristig geplante Großaktion im Sommer 1982 folgte, bei der rund 800 Menschen eine Woche lang die Zufahrtsstraße zum Atomwaffendepot rund um die Uhr blockierten. Zahlreiche weitere Blockadeaktionen schlossen sich in den folgenden Jahren sowohl an diesem wie an zahlreichen anderen Orten an. Vor allem die spektakulären Aktionen in Mutlangen fanden besondere Aufmerksamkeit. Ziviler Ungehorsam wurde aber auch in Form von Einsteigaktionen in Atomraketenstellungen, Rüs- tungssteuerboykott und Totalverweigerung geübt. Der Boykott gegen die Volkszählung von 1987, mit dem regional unterschiedlich teilweise etwa 15 Prozent der zu Befragenden die Teilnahme verweigerten, ist ein weiteres Beispiel für eine Aktion des Zivilen Ungehorsams.

Diese in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts in der Bundesrepublik begründete Tradition von Kampagnen Zivilen Ungehorsams wurde bis heute fortgesetzt. Stichwortartig seien hier erwähnt: Castor-Blockaden, Resist-Kampagne gegen den Irak-Krieg, Heiligendamm, Genfeld-Befreiungen oder auch Stuttgart 21.

Entstehung des Zivilen Ungehorsams - Thoreau, Gandhi, King

Als moderne Väter des Konzepts Ziviler Ungehorsam gelten Henry David Thoreau, Mohandas Karamchand Gandhi und Martin Luther King.

Doch Beschreibungen für konkrete Situationen, in denen Menschen mit Ungehorsam auf Unrecht reagieren, finden sich bereits in der Antike. Und auch der biblische Satz "Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen" aus der Apostelgeschichte ist ein Beispiel, auch wenn dieser Satz in der christlichen Tradition nicht programmatisch zur Einflussnahme in die Politik entwickelt worden ist. Aber er ist von Christinnen und Christen als Begründung eigenen Verhaltens für den Fall verwandt worden, dass Gott dann ungehorsames Handeln gebietet, wenn Menschen etwas verlangen, was Gottes Willen, also der Liebe, zuwiderläuft.

Der Franzose Étienne de la Boétie schrieb, nachdem er erlebte, wie ihm nahestehende Zeitgenossen unter blutiger absolutistischer Herrschaft schwer zu leiden haben, um 1560 den revolutionären Gedanken nieder, dass zu den Stützen tyrannischer Herrschaft Elemente auf der Seite der Beherrschten, der Leidenden, gehören. Somit haben diese durch Nichtzusammenarbeit ein Machtmittel gegen den Tyrannen in der Hand. Diese Gedanken zur Beendigung von Gewaltherrschaft durch Nichtzusammenarbeit gelten für jede Herrschaft.Diesen Hinweis verdanke ich Martin Arnold.

Im 19. Jahrhundert wurde diese Theorie der Nichtzusammenarbeit auf andere Bereiche ausgeweitet, unter anderem durch den US-amerikanischen Schriftsteller Henry David Thoreau (1817-1862).

Thoreau war 1846 für eine Nacht im Gefängnis, weil er die Bezahlung einer Kopfsteuer verweigerte, um damit keinen Staat zu unterstützen, der die Sklaverei duldete und einen Krieg zur Eroberung Mexikos führte. Um die Gründe für seine Steuerverweigerung öffentlich zu erklären, schrieb er einen Text, in dem er die Nichtzusammenarbeit mit Unrecht zur Pflicht anständiger Menschen erhob. Einer seiner Kernsätze lautet: "Wenn aber das Gesetz so beschaffen ist, dass es notwendigerweise aus dir den Arm des Unrechts an einem anderen macht, dann, sage ich, brich das Gesetz. Mach’ dein Leben zu einem Gegengewicht, um die Maschine aufzuhalten. Jedenfalls muss ich zusehen, dass ich mich nicht zu dem Unrecht hergebe, das ich verdamme." Gewaltfreier Widerstand, das macht Thoreau hier deutlich, beginnt meist bei einem selbst. Gleichzeitig verband er damit die Erwartung: Wenn genug Personen sich weigern, einen Missstand zu unterstützen, und die dafür drohenden Sanktionen auf sich nehmen, wird der Missstand abgebaut. "Vor der Wahl, ob er alle anständigen Menschen im Gefängnis halten oder Krieg und Sklaverei aufgeben soll, wird der Staat mit seiner Antwort nicht zögern", war er überzeugt.

Auf Thoreau wird der Begriff "Ziviler Ungehorsam" zurückgeführt, wenngleich er selber ihn vielleicht gar nicht verwandt hat. Sein Verleger brachte das zu Lebzeiten Thoreaus mit dem Titel Resistance to Civil Government erschienene Werk nach dessen Tod mit einigen Veränderungen unter dem Titel Civil Disobedience, Ziviler Ungehorsam, heraus.

Mohandas K. Gandhi war es dann, dem wir eine allgemeine Verbreitung des Begriffs "Ziviler Ungehorsam" und die Demonstration der damit verbundenen Möglichkeiten zu verdanken haben. Gandhi hatte seine erste große Kampagne "passiven Widerstandes" 1906 in Südafrika noch ohne Kenntnis von Thoreaus Essay angeführt. Der Begriff "passiver Widerstand" stellte ihn aber nicht zufrieden und auf der Suche nach einer besseren Bezeichnung schuf er das Wort "Satyagraha" (Kraft der Wahrheit). Nachdem er inzwischen auf Thoreau gestoßen war und bei diesem die Bestätigung dessen fand, was er selber praktizierte, wählte er für englische Leser als Entsprechung für Satyagraha den Ausdruck "Ziviler Ungehorsam".

Allerdings sagte Gandhi später, er habe bemerkt, dass selbst Ziviler Ungehorsam nicht die ganze Bedeutung des Kampfes vermittelt habe. Ziviler Ungehorsam ist für ihn eine Methode, die in einem größeren Zusammenhang ihre Wirkung entfaltet. Deshalb benutzte er dann den Ausdruck Ziviler Widerstand. Und für die Ausübung Zivilen Ungehorsams im indischen Unabhängigkeitskampf stellte er klar, dass er ohne vorherige Planung und ein ergänzendes "konstruktives Programm" nur Abenteurertum darstelle, und damit alleine schlimmer als nutzlos sei.

Von Martin Luther King und der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung wurden die Ideen Thoreaus und Gandhis aufgegriffen und in gewaltfreie Kampagnen umgesetzt. King sprach allerdings weniger von Zivilem Ungehorsam. Vielmehr bevorzugte er die Bezeichnung "direkte gewaltfreie Aktion", um zu vermeiden, den Aspekt der Gesetzesüberschreitung bei den Aktionen zu betonen. Aber mit den sich häufenden "Sit-ins" von Schwarzen in für Weiße reservierten Örtlichkeiten, etwa Restaurants oder Bussen, wurden gezielt Gesetze übertreten.

Ziviler Ungehorsam - ein Element gewaltfreier Aktion

Gewaltfreie Aktion ist eine Form politischer Aktivität, welche die als normal vorgesehenen politischen Kanäle umgeht und nicht-institutionelle Formen der Aktion gegen einen Gegner einsetzt. "Gewaltfreie Aktion ist eines der wichtigsten Instrumente, über die Bewegungen verfügen, um ihre Ziele gegen den Widerstand der Regierenden durchzusetzen. Sie dient der Dramatisierung eines Unrechtszustands, drückt die Entschlossenheit und die Ernsthaftigkeit der Protestierenden aus und hat durchaus die Kapazität, Ziele auch gegen Widerstreben der Gegenseite durchzusetzen." Bund für Soziale Verteidigung: Gewaltfreie Aktion und Ziviler Ungehorsam. Informationsblätter. Stand Frühjahr 2013. Text: Christine Schweitzer mit Björn Kunter.

Das Spektrum gewaltfreier Aktionen ist allerdings sehr viel breiter als Ziviler Ungehorsam. Ziviler Ungehorsam ist eine Methode gewaltfreier Aktion, aber nicht identisch mit ihr. Die Methoden reichen von Protesten wie Leserbriefschreiben, Publizierung von Zeitungsartikeln und Flugblättern über Mahnwachen und Demonstrationen, Boykotte, Streiks und Blockaden bis hin zur Bildung einer Parallelregierung.

Es ist sinnvoll, gewaltfreie Aktionen in ein strategisches Konzept einzubinden. Theodor Ebert hat mit seinem Buch "Gewaltfreier Aufstand", einem der deutschsprachigen Standardwerke zu dem Thema, ein Eskalationsszenarium beschrieben. Dabei definiert er drei Eskalationsstufen "gewaltfreier Kampfmaßnahmen": Protest, legale Nichtzusammenarbeit und ziviler Ungehorsam. Parallel dazu sollen jeweils konstruktive Handlungen erfolgen, mit denen das angestrebte Ziel jeweils vorweggenommen werden soll.Siehe Theodor Ebert: Gewaltfreier Aufstand. Alternative zum Bürgerkrieg. Waldkircher Verlagsgesellschaft, 1978. S. 33ff.

Diese Eskalationsstufen gewaltfreier Aktion dürfen nicht in dem Sinne verstanden werden, dass sie gleichsam mechanisch hintereinander ablaufen. Die Methoden der nächsten Stufen lösen außerdem nicht die der vorangegangenen ab, sondern ergänzen diese. Allerdings sollen nach klassischem Verständnis Aktionen Zivilen Ungehorsams, mit denen bewusst staatliche Gesetze übertreten werden, erst dann angewandt werden, wenn alle legalen Mittel ausgeschöpft sind.

Verallgemeinernd kann zu den Erfahrungen mit gewaltfreier Aktion und Zivilem Ungehorsam gesagt werden, dass diese angewandt werden, um Missstände zu überwinden und konstruktive Veränderungen voranzubringen. Der Gedanke "Nichtzusammenarbeit mit einem Missstand" geht über verbale Äußerungen und bloße Appelle hinaus. Er erfordert eine eigene Tat. Taten wiederum sind stärker als (bloße) Worte. Wenn sie Gutes voranbringen, stecken sie andere an. Darauf weist Martin Arnold als ein Ergebnis seiner Untersuchungen zur Wirkungsweise gewaltfreien bzw. gütekräftigen Handelns hin. Da zeigt sich, dass hier eine Kraft wirkt. Weil das etwas anderes als die Norm "Gewaltfreiheit" ist, weil es stark ist und ermutigt, hat Martin Arnold hierfür den Namen "Gütekraft" gewählt.

Anmerkungen zur Debatte in der taz

Die bisherigen Ausführungen dürften deutlich machen, dass jegliche gewaltfreie Aktion, insbesondere aber der Zivile Ungehorsam, die freie Entscheidung Einzelner benötigt, welche bereit sind, sich überhaupt aktiv zu beteiligen, Risiken einzugehen und vor allem die Konsequenzen zu tragen.

Und weil gerade der Zivile Ungehorsam mit persönlichen Risiken verbunden ist, sind Menschen und Organisationen, die andere zu Zivilem Ungehorsam anregen oder aufrufen, geradezu verpflichtet, über diese Risiken in aller Offenheit und Klarheit zu informieren. Bei Peter Grottians taz-Artikel könnte der Eindruck entstehen, als ob er diese Risiken herunterspielt, die für Einzelne wie für Organisationen entstehen können.

Dies gilt auch wenn Peter Grottian den Vorwurf erhebt: "Attac hat leider nur eine große Klappe und denkt eher daran, seinen Status der Gemeinnützigkeit zu bewahren, der durch Proteste gefährdet werden könnte, als an zivilen Ungehorsam."

Nun ist es in der Geschichte der Bundesrepublik durchaus schon vorgekommen, dass Organisationen wegen der Unterstützung von Zivilem Ungehorsam die Gemeinnützigkeit entzogen oder überhaupt erst gar nicht zuerkannt worden ist.

Natürlich verleiht völlige staatliche Unabhängigkeit einer Organisation größere Handlungsfreiheit - gerade für Aktionen des Zivilen Ungehorsams. Deshalb waren Gandhis Aschrams, die Kaderschmieden für seine Aktionen, autark, versorgten sich selbst, waren nicht auf staatliche Unterstützung angewiesen. Es gab und gibt in Deutschland durchaus Organisationen, die auf den Gemeinnützigkeitsstatus ganz verzichten. Oder die das Risiko bewusst eingehen, diesen Status verlieren zu können, und offen Zivilen Ungehorsam unterstützen. Doch es ist letztlich eine Frage des Abwägens, welche Folgen ein Entzug der Gemeinnützigkeit für eine Organisation hätte.

Es hat sich durchaus bewährt, wenn sich für Aktionen des Zivilen Ungehorsams ein verantwortlicher Arbeitskreis oder ein Personenbündnis bildet und dazu aufruft.

Allerdings erfordert jegliche gewaltfreie Strategie, jede Kampagne Zivilen Ungehorsams eine gute Organisation. Zumindest wenn der Flopp nicht vorprogrammiert sein soll. Schon dadurch wird verhindert, dass Ziviler Ungehorsam inflationär eingesetzt werden kann. Auch wenn Peter Grottians Ungeduld nachvollziehbar ist: Ziviler Ungehorsam muss von unten wachsen, kann nicht von oben verordnet werden. Ob und wie viele Menschen sich an einer geplanten Aktion beteiligen, hängt dann sicherlich von vielerlei Faktoren ab. Wenn namhafte Persönlichkeiten und Organisationen einen Aufruf unterstützen, könnte sich dies durchaus positiv auf die Resonanz auswirken. Aber massenhafte Beteiligung ist selbst dann nicht gewährleistet.

Nebenbei bemerkt: Für mich ist nicht nachvollziehbar, weshalb es Ausdruck eines autoritären Politikverständnisses sein soll, würde Attac als Organisation zu Zivilem Ungehorsam aufrufen, wie Jutta Sundermann und Roland Süß in ihrer Entgegnung Peter Grottian vorhalten.

Es ist zu hoffen, dass sich soziale Bewegungen weiter bewusst bleiben - oder erst werden - welches Potenzial zur Veränderung von Missständen der gewaltfreien Aktion bis hin zu Zivilem Ungehorsam innewohnt. Und dass sie dieses Instrumentarium anwenden - längerfristig geplant, gut organisiert und mit langem Atem.

"Gewaltfreie Aktion braucht manchmal einen langen Atem, denn sie will gesellschaftliche Veränderungen, die oftmals schwer durchzusetzen sind. Nach einer einzelnen erfolglosen gewaltfreien Aktion zu schließen, dass Gewaltfreiheit nicht funktioniere, beruht auf irrigen Annahmen bezüglich der Wirkung politischer Aktion überhaupt. Gewaltfreie Aktion ist sowohl ein effizientes Instrument wie ein ethisch verantwortbares Mittel für die politische Auseinandersetzung. Sie ist der dritte Weg zwischen desinteressiertem Wegschauen und politischer Gewalt."Bund für Soziale Verteidigung: Gewaltfreie Aktion und Ziviler Ungehorsam. Informationsblätter. Stand Frühjahr 2013. Text: Christine Schweitzer mit Björn Kunter.

Quelle: Forum Pazifismus - Zeitschrift für Theorie und Praxis der Gewaltfreiheit
Nr. 37 I/2013, S. 3ff.. Herausgeber: Internationaler Versöhnungsbund - deutscher Zweig, DFG-VK (Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen) mit der Bertha-von-Suttner-Stiftung der DFG-VK, Bund für Soziale Verteidigung (BSV) und Werkstatt für Pazifismus, Friedenspädagogik und Völkerverständigung PAX AN.

Fußnoten

Veröffentlicht am

06. April 2013

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