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Sturm über der Sahara

Von Eric Margolis

PARIS - Der blutige Angriff auf eine algerische Erdgasanlage und Frankreichs Überfall auf Mali sind auf Probleme zurückzuführen, die schon seit Jahren bestehen - wir haben ihnen einfach keine Beachtung geschenkt.

Der Anführer der jihadistischen Guerilla Mokhtar Belmokhtar, in den Schlagzeilen der französischen Medien betitelt als neuer Großer Islamischer Satan, hat schon lange Zeit Probleme in der Sahara gemacht, indem er Leute aus dem Westen entführt, Karawanen ausgeraubt und Zigaretten geschmuggelt hat.

Belmokhtar war bekannt als ein "Ehrenmann," einer der vom Westen finanzierten Jihadisten, die in den 1980ern und 1990ern auszogen, um die Sowjets und ihre kommunistischen Verbündeten in Afghanistan zu bekämpfen. Er kehrte in seine Heimat Algerien zurück, nachdem er im Kampf ein Auge verloren hatte, und versuchte mit seinen mitgekommenen "Afghani" das vom Westen gestützte Militärregime zu stürzen, einen wichtigen Versorger Frankreichs mit Erdöl und Erdgas.

1991 ließ die algerische Junta, nachdem ihr die Ideen ausgegangen waren, freie Wahlen zu. Schwerer Fehler. Algeriens Islamisten gewannen die Parlamentswahlen in der ersten Runde. Das Militär geriet in Panik. Unterstützt von Frankreich und den Vereinigten Staaten von Amerika schlug das algerische Militär die islamische Bewegung nieder und sperrte deren Anführer ein.

In der Folge entwickelte sich einer der blutigsten Bürgerkriege unserer Zeit, als Islamisten und andere Aufständische die brutalen Kräfte des algerischen Militärs und Geheimdienstes bekämpften, die sich selbst als "die Ausrotter" bezeichneten.

Im Verlauf eines Jahrzehntes der Barbarei wurden mehr als 200.000 Algerier getötet. Ganze Dörfer wurden niedergemetzelt. Beide Seiten begingen ungeheuerliche Grausamkeiten. Die Regierung in Algier setzte Sonderkommandos in der Verkleidung von Rebellen ein, um Massenmorde durchzuführen. Kleinlastwagen mit Guillotines wurden benutzt, um Menschen die Köpfe abzuschlagen.

Nachdem der Aufstand niedergeschlagen war, formierte sich eine besonders gewalttätige islamistische Guerillagruppe, die vormalige GIC, neu zur AQIM - al-Qaida im islamischen Mahgreb. Das rief eine rasende Reaktion im Westen hervor. AQIM jedoch hatte praktisch nichts zu tun mit Osama bin Ladens afghanisch-pakistanischer Gruppe. Aber der Name al-Qaeda selbst bewirkte die sofortige Aufmerksamkeit der Medien - ein vorrangiges Ziel radikaler Gruppen.

Nachdem Malis Soldaten ihre klägliche korrupte Regierung im letzten März gestürzt hatten, brach im riesigen Norden das Chaos aus. Nomadische Tuareg-Stammesleute riefen den unabhängigen Staat Azawad aus. Bunt zusammengewürfelte Jihadisten, darunter einige von Belmokhtars Männern, führten im Norden ein drakonisches Shariaregime ein. Aus dem Süden Malis ertönten Rufe nach Hilfe durch den früheren Kolonialherrn Frankreich.

Vor zwei Monaten hatte Präsident Francois Hollande noch erklärt, Frankreich würde nicht wieder in Afrika intervenieren. Nachdem es 1960 den Staaten, die das ehemalige Französische Westafrika gebildet hatten, nominale Unabhängigkeit gewährt hatte, hat Frankreich 50 Mal interveniert. Französische Techniker, Banker und Geheimagenten lenkten hinter den Kulissen den größten Teil Westafrikas. 60.000 Franzosen leben in Algerien und Westafrika, das von Paris als seine Einflusssphäre betrachtet wird.

Mali ist ein bedeutender Lieferant von Uran für Frankreichs Atomindustrie, welche 80% der Energieversorgung des Landes erbringt. Frankreichs Bergbauinteressen erstrecken sich über Westafrika, das obendrein auch ein wichtiger Exportmarkt ist für französische Güter und Waffen.

Nachdem die Jihadisten erklärten, dass sie die Minen Malis verstaatlichen würden, wendete Hollande sich von einer Taube zum Falken. Frankreichs Streitkräfte zogen in den Krieg hinter einem Sperrfeuer von Medienpropaganda über von den Islamisten begangene Brutalitäten -gerade als wären die französischen Kräfte in Afghanistan von Talibankämpfern vertrieben worden.

Hollandes Beliebtheitswerte, infolge von Frankreichs düsteren Wirtschaftsproblemen, Steueranhebungen und Schließungen von Betrieben schon auf 32% herunter, schnellten hoch auf über 80%. Militärische Abenteuer und patriotisches Fahnenschwenken sind immer sichere Gegenmittel für Politiker, die im eigenen Land in Schwierigkeiten stecken. Belmokhtar wurde zum Osama bin Laden der Sahara erklärt. Mali wurde zu einem humanitären Einsatz, der im Westen gelobt wurde. Die Vereinigten Staaten von Amerika begannen leise auf Zehenspitzen in den Konflikt vorzudringen.

Obwohl ein Sturm im Wasserglas mit ein paar tausend französischen Soldaten, bedroht der Aufruhr in Mali die schwankenden, von Frankreich und den Vereinigten Staaten von Amerika gestützten Regimes in Westafrika. Ganz besonders die in Elfenbeinküste, Tschad und der Zentralafrikanischen Republik, wo 5.000 französische Soldaten und Flugzeuge stationiert sind. Ein islamistischer Aufstand im ölreichen Nigeria verbreitet sich schnell, was auch Washington größere Kopfschmerzen bereitet, dessen regionale Energieressourcen bedroht sind.

In kleine Kriege einzusteigen ist immer leicht. Herauszukommen nicht, wie Afghanistan gezeigt hat. Sogar französische Generäle sagen jetzt, dass ihre Soldaten in Mali, das über keine richtige Regierung verfügt, für eine lange Zeit bleiben werden.

Die patriotische Euphorie in Frankreich nimmt bereits ab. Frankreichs kämpferische Gewerkschaften sind zurück auf dem Kriegspfad gegen die Schließung von Betrieben. Bei den Bemühungen, Frankreichs riesiges Budgetdefizit einzuschränken, wird der kleine Kreuzzug in Mali kaum hilfreich sein.

Quelle: www.antikrieg.com vom 27.01.2013. Originalartikel: Storm over the Sahara . Übersetzung: Klaus Madersbacher.

Veröffentlicht am

29. Januar 2013

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