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Die Unschuld der Außenpolitik der Vereinigten Staaten von Amerika

Von Robert C. Koehler

Die Schlagzeile der Samstagausgabe des Wall Street Journal lautete: "Antiamerikanische Mobs toben."

Am nächsten Tag tötete ein NATO-Luftangriff acht Frauen, die in den Bergen Ostafghanistans Feuerholz sammelten, ein Vorfall, der so gut wie keine Schlagzeilen in den großen Medien der Vereinigten Staaten von Amerika zur Folge hatte.

Irgendwo in der Kluft zwischen diesen beiden Phänomenen - den überhitzten Berichten über unsere gewalttätigen, irrationalen Feinde im Mittleren Osten und dem Schweigen, das unseren Krieg und unsere Okkupation der Region umgibt - liegen die amerikanische Politik, die Werte, das Rennen um das Präsidentenamt, die nationale Identität. Jenseits dieser Kluft liegt die Wahrheit darüber, wer wir sind, und nur wenn wir Zugang zu dieser Wahrheit haben, wird die Zukunft zu einer kreativen Möglichkeit und wird Frieden möglich.

Die gängige Auffassung, mit der wir von den Massenmedien gefüttert werden, geht nur von der Angst - der Hysterie - aus, die in der Schlagzeile des Wall Street Journal steckt. Der Artikel von Jay Solomon und Carol E. Lee teilt uns folgendes mit:

"Der regionale Aufruhr gerade drei Tage nach einer Attacke auf das Konsulat der Vereinigten Staaten von Amerika in Bengazi, bei dem der Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika und drei weitere Bedienstete getötet wurden, unterstrich Washingtons eingeschränkte Fähigkeit, seinen Einfluss in einer Region geltend zu machen, in der eine Reihe von Regierungen, die im Lauf des so genannten Arabischen Frühlings neu gewählt worden waren, nur minimale Kontrolle über ihre bockigen Bevölkerungen haben.

"In vielen Fällen," fährt die Geschichte fort, "erwiesen sich die politischen Führer und Sicherheitskräfte in diesen neuen Regierungen als unwillig oder unfähig, sich den Demonstranten und radikalen islamistischen Gruppen entgegenzustellen, die zu größeren Freiräumen gekommen sind, um auf die Straßen zu gehen.

Anders gesagt, der Mittlere Osten ist archaisch, unberechenbar, "bockig," eine Region voller religiöser Fanatiker, leicht manipulierbar von zynischen Anführern. Nahezu alles - ein idiotischer 13-minütiger Videoclip auf YouTube über die "Unschuld von Moslems" zum Beispiel - kann ihre mörderische Wut auslösen. Die neuen Regierungen, die die alten Autokratien ersetzt haben, können solche Völker nicht kontrollieren. Und jetzt sind tragischerweise ein paar Amerikaner tot.

Während die Geschichte weiter geht, wird die Theorie langsam zur Tatsache. Und endlich kommt´s:

"Der republikanische Kandidat Mitt Romney zum Beispiel hat ausgehend von den Unruhen beanstandet, dass das Weiße Haus nicht die Kräfte begriffen hat, die durch die Rebellionen frei geworden sind, die die Region seit vergangenem Jahr erfasst haben, und viel aggressiver vorgehen und versuchen hätte sollen, Regimes einzurichten, die in ihrer Ausrichtung säkular und pro-westlich sind."

Und das ist die Art, wie es funktioniert. Plötzlich stellt sich heraus, dass die "Macht macht Recht"-Position, so kindisch und irrational sie auch ist - dass die Außenpolitik der Vereinigten Staaten von Amerika den Zweck hat, die Welt gewaltsam nach ihren Interessen zu formen, dass militärische Einschüchterung nur Scherereien bringt, wenn sie nicht schnell und unbarmherzig durchgreift - vernünftig und logisch ist. Darüber lässt sich unter bestimmten Umständen vielleicht streiten, aber es bleibt die Option der ersten Wahl in einer gefährlichen Welt, wo Zivilisationen ständig aufeinanderprallen, Aufständische lauern, und primitive "Stammes"-Fanatiker uns wegen unserer Freiheiten hassen.

So setzt Richard Cohen in einem Artikel in der Washington Post vor ein paar Tagen die Obama-Administration herab, sie habe "hinten herum geführt," weil sie letztes Jahr weniger aggressiv war als Frankreich bei der Ergreifung militärischer Maßnahmen, um Gaddafi in Libyen zu stürzen. Und jetzt sehen wir, wohin uns dieser naive Glauben an die Diplomatie geführt hat:

"Die Meinung, dass die Vereinigten Staaten von Amerika von hinten führen können," schreibt Cohen, "ist jämmerlich, die traurige Erfindung einer Obama-Administration, die beruhigende Passivität für eine Außenpolitik hält."

Hiss die Fahne, preise den Herrn, her mit der Munition. Das ist amerikanische Hysterie in Reinkultur. Nur unerbittlicher Militarismus kann die tobenden Mobs dort draußen jenseits unserer Grenzen aufhalten, beruhigende Passivität wird einfach nicht reichen. Und wenn dich diese Einstellung stört und beleidigt, wird Barack Obama zur Stimme der Vernunft in einer mit Problemen belasteten Welt, der gute Mann, der tut, was er kann. Außer … da ist wieder dieses Schweigen.

Peter Hart schrieb vor kurzem in einem Artikel für FAIR: "Es gehört zum Aufgabenbereich der Medienkonzerne, sicher zu stellen, dass reale politische Beschwerden hauptsächlich aus der Diskussion herausgehalten werden. Es ist viel leichter, über wütende Mobs und deren Religion zu reden als zur Kenntnis zu nehmen, dass vielleicht einiges von der Wut mit Religion überhaupt nichts zu tun hat."

Während arabische Gewalt adrenalinsteigernde Schlagzeilen bewirkt und darüber meistens ohne jeden ernsthaften Zusammenhang berichtet wird - zum Beispiel die Verwüstung des Irak durch die Vereinigten Staaten von Amerika, Guantánamo, Abu Ghraib, die Koranverbrennungen, die laufenden Morde mittels Drohnen - wird die Gewalt, die von der Politik der Vereinigten Staaten von Amerika ausgeht, mit so vielen Dingen zugemüllt, dass es oft schwierig ist herauszufinden, ob überhaupt etwas passiert ist.

Zum Beispiel wurde über den NATO-Luftangriff am vergangenen Wochenende, der acht afghanische Frauen tötete und acht weitere verletzte, darunter junge Mädchen, in der New York Times unter dieser Überschrift berichtet: "Karzai prangert die Koalition wegen Luftangriffen an." Wie Hart ausführt, steht im Mittelpunkt der Geschichte die Spannung, die die Toten "zwischen Herrn Karzai und seinen amerikanischen Wohltätern" hervorriefen. Inzwischen "sind die Tötungen afghanischer Frauen zweitrangige Nachrichtenereignisse."

Die Geschichte der Tötungen schließt: "Die Koalitionskräfte haben anscheinend nicht mitbekommen, dass Frauen aus den Dörfern manchmal in den frühen Morgenstunden in den Wald gehen, um Holz für die Kochstellen zu sammeln, auf denen sie das Frühstück zubereiten."

Das ist die Unschuld der Außenpolitik der Vereinigten Staaten von Amerika. Ich fühle, dass viel mehr Schrecken - mehr Angst in Hinblick auf die Zukunft - in dieser Pseudo-Entschuldigung für die High-Tech-Ermordungen von acht Frauen liegt als in den wütenden Protesten von betroffenen Arabern.

Quelle: www.antikrieg.com vom 20.09.2012. Originalartikel:  The Innocence of U.S. Foreign Policy . Übersetzung: Klaus Madersbacher. Robert Koehlers Artikel erscheinen auf seiner Website COMMONWONDERS.COM , in HUFFINGTON POST und vielen weiteren Websites und Zeitungen.

Veröffentlicht am

24. September 2012

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