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Zerschlagen und neu aufbauen

Vorfeldorganisationen der Berliner Außenpolitik unterstützen Rebellenmilizen aus Darfur und weiten ihre Zuarbeit für die Sezessionsregierung des Südsudan aus. Wie das von der Bundesregierung finanzierte Europäische Zentrum für Minderheitenfragen (EZM) mitteilt, hat es vor zwei Wochen ein Treffen maßgeblicher Anführer der Aufstände in Darfur an seinem Sitz in Flensburg organisiert. Ziel war demnach die Einigung auf eine gemeinsame Strategie. Die in Flensburg vertretenen Rebellenmilizen haben die jüngste Verhandlungsrunde vom vergangenen Wochenende in Libyen boykottiert und damit eine Einigung mit der Zentralregierung des Sudans unmöglich gemacht.

Die Abspaltungsbewegung im Sudan wird von Aktivitäten der bundeseigenen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) begleitet. Die GTZ hilft der Sezessionsregierung des Südsudans, deren Friedensvertrag mit Khartum vor dem Scheitern steht, beim "Staatsaufbau". Von den sudanesischen Rebellen gehen Angriffe auf die bedeutendste Konkurrenz des Westens aus: Vor wenigen Tagen überfielen Darfur-Milizen chinesische Erdölförderanlagen im Sudan.

Ethnisch verbrämt

Wie das Europäische Zentrum für Minderheitenfragen bestätigt, haben sich Mitte Oktober maßgebliche Anführer der Aufstände in Darfur im EZM getroffen. Die Einrichtung, die von der Bundesregierung, der Regierung des Bundeslandes Schleswig-Holstein und der Regierung Dänemarks finanziert wird, widmet sich ausdrücklich der "Konfliktvermittlung" an "ethnopolitischen Brennpunkten".Rainer Hofmann: Minderheitenschutz in Europa. Völker- und staatsrechtliche Lage im Überblick, Berlin 1995, zitiert nach: Walter von Goldendach, Hans-Rüdiger Minow: Von Krieg zu Krieg. Die deutsche Außenpolitik und die ethnische Parzellierung Europas, München 1999. S. auch Hintergrundbericht: Das Europäische Zentrum für Minderheitenfragen. Während Dänemark das EZM als institutionellen Mittler für die deutschsprachige Minderheit in Süddänemark ansieht, benutzt die Bundesregierung das EZM als weltweite Speerspitze ihrer ethnisch verbrämten Außenpolitik.

Gewaltsame Sezession

Über die völkischen Dimensionen der deutschen Ethnopolitik hat sich in der Vergangenheit Professor Dr. Rainer Hofmann Gedanken gemacht, ein Vorstandsmitglied des Flensburger EZM. Minderheiten, die als "Volk" und damit als Träger des Selbstbestimmungsrechts anzusehen seien, könnten "ein Recht auf Sezession" geltend machen, heißt es in einer Schrift des Juristen. Im Falle "erzwungene(r) Assimilation" sei es wohl politisch unausweichlich und auch völkerrechtlich zulässig, daß die hiervon betroffenen Völker versuchten, "ihre eigenständige Identität und damit auch ihr Überleben durch eine - im Extremfall auch gewaltsame - Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes mit dem Ziel der Errichtung eigener Staaten oder gewaltsamer Änderung von Grenzen zu erreichen. "Rainer Hofmann: Minderheitenschutz in Europa. Völker- und staatsrechtliche Lage im Überblick, Berlin 1995, zitiert nach: Walter von Goldendach, Hans-Rüdiger Minow: Von Krieg zu Krieg. Die deutsche Außenpolitik und die ethnische Parzellierung Europas, München 1999. S. auch Hintergrundbericht: Das Europäische Zentrum für Minderheitenfragen.

Regionale Identität

Zur Taktik gewaltbereiter Sezessionisten gehört es, sich als gleichwertige Verhandlungspartner der bekämpften Zentralregierung zu präsentieren, um einen hoheitlichen Status vorzutäuschen. Diese Taktik wird vom EZM gefördert, indem es den Rebellengruppen ein Forum bietet und die politische Aufwertung als "friedensfördernd" darstellt. Unter diesem Vorwand wurde jetzt in Flensburg eine gemeinsamen Strategie der Darfur-Rebellen diskutiert. Sie müssten eine "regionale Identität" entwickeln, heißt es im Stil identitärer Ethno-Konzepte rassistischer Gruppierungen.Press Release; www.ecmi.de/37/2007/10/17/Press-Release.php. Darfur: "Volksgruppen"-Unterstützung in Flensburg; www.steinbergrecherche.com/sudan.htm. Die "Identität" solle sicherstellen, dass "die Repräsentanten der Darfur-Rebellen in der Lage sein werden, eine gemeinsame (politische) Position zu vertreten."

Eine Botschaft

Von Gemeinsamkeiten sind die Sezessionisten weit entfernt und in zahlreiche Fraktionen gespalten. Den zerstrittenen Rebellen stellte das "Europäische Zentrum für Minderheitenfragen" jetzt in Flensburg ranghohe Politikberater aus Universitäten und Fachinstitutionen zur Seite.Press Release; www.ecmi.de/37/2007/10/17/Press-Release.php. Beraten wurden Anführer des islamistischen Justice and Equality Movement (JEM) sowie ein Teil des mehrfach fraktionierten Sudan Liberation Movement (SLM/A). Beide Milizen haben nur wenige Tage nach den EZM-Beratungen die Friedensverhandlungen mit der Zentralregierung boykottiert. Stattdessen griffen Milizionäre des JEM ein Ressourcengebiet an, auf dem ein chinesisches Unternehmen Erdöl fördert, und entführten zwei ausländische Arbeiter. Der Überfall sei "eine Botschaft vor allem an die chinesischen Firmen", die die größten Investoren in der sudanesischen Ölindustrie seien und mit der Zentralregierung zusammenarbeiteten, heißt es in einer Erklärung der Rebellen.Ölfeld im Sudan überfallen; Basler Zeitung 25.10.2007.

Sezessionsreferendum

Parallel zur Beratung der Darfur-Milizionäre im Flensburger Europäischen Zentrum für Minderheitenfragen unterstützt die bundeseigene Entwicklungsagentur Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) die Autonomieregierung des Südsudans. Nach jahrzehntelangem Bürgerkrieg hat Khartum Anfang 2005 dem Süden Autonomierechte in bedeutendem Umfang zugestanden - inklusive des Rechts, im Jahr 2011 per Referendum über die Sezession abstimmen zu dürfen. Bereits 2004 hatte die GTZ begonnen, die weithin zerstörten südsudanesischen Straßen wieder befahrbar zu machen; die Finanzmittel stellte zu einem bedeutenden Teil Washington zur Verfügung. Zum selben Zeitpunkt trieb ein deutsches Unternehmen Pläne voran, den Südsudan über eine Eisenbahnverbindung mit kenianischen Häfen zu verbinden; Ziel war der Abtransport der reichen Ressourcen (Erdöl, Gold) des Sezessionsgebietes unter Umgehung der Kontrolle durch die Zentralregierung. "Das ist die Lebensader unserer Unabhängigkeit", urteilte damals ein designiertes Mitglied der Autonomieregierung in Juba.s. dazu Die Bahn zur Unabhängigkeit und Keimzelle.

Wasserwirtschaft

Die Zukunft des Eisenbahnprojektes ist nach dem vorläufigen Scheitern der deutschen Firma ungewiss. Doch führt die GTZ ihre Unterstützung für die südsudanesische Autonomieregierung fort - unter der Federführung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Die wegen der Bürgerkriegsverhältnisse eingestellte Entwicklungshilfe für den Sudan hat Berlin inzwischen wieder aufgenommen - allerdings nur für den sezessionswilligen Südsudan. 2006 begann die GTZ mit ersten Maßnahmen zur Verbesserung der Trinkwasserversorgung im Herrschaftsbereich der Separatisten, Pläne zum Aufbau der gesamten südsudanesischen Wasserwirtschaft schlossen sich an.

Staatsaufbau

Im laufenden Jahr erreichen die Maßnahmen der GTZ ein neues Niveau: Die deutsche Organisation startete ein Programm zur "Unterstützung des Staatsaufbaus im Süd-Sudan". Träger des Programms ist das Präsidialamt der Sezessionsregierung, die Gesamtlaufzeit beträgt zehn Jahre (Februar 2007 bis Januar 2017), währt also sechs Jahre über das Sezessionsreferendum hinaus. "Das Vorhaben", kündigt die GTZ an, "verknüpft Politik-, Verwaltungs- und Organisationsentwicklungsberatung. Es arbeitet auf drei Ebenen: Landkreise, Bundesländer und Government of South Sudan (GoSS) gleichzeitig."Projektkurzbeschreibung; www.gtz.de/de/weltweit/afrika/20998.htm ,
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57055 vom 29. 10. 2007.
Zudem soll die Zusammenarbeit zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren (…) gestärkt werden. Einbezogen sind sämtliche Ebenen - mit Ausnahme der gesamtstaatlichen Anbindung an die Zentralregierung in Khartum.

Partner

Dort setzten die südsudanesischen Minister, die sich laut den Bestimmungen des Friedensabkommens von 2005 an der Zentralregierung beteiligen, vor zweieinhalb Wochen ihre Mitarbeit aus. Beobachter schließen wegen der zunehmenden Spannungen eine erneute Kriegseskalation nicht aus. Besondere Aufmerksamkeit gilt derzeit dem erdölreichen Distrikt Abyei im Zentrum des Landes. Das Gebiet war bereits während des Bürgerkrieges zwischen Khartum und Juba umstritten; 2011 soll in einem lokalen Referendum geklärt werden, ob es dem Norden oder dem Süden zugeschlagen wird. In diesem Distrikt liegt auch das Ölfeld, das vor wenigen Tagen von den JEM-Truppen anggegriffen wurde. Sollten die aus Darfur kommenden Rebellen dort weiter Fuß fassen, gelten neue Gewaltoperationen auch der südsudanesischen Sezessionisten nicht als ausgeschlossen. Beide genießen die Sympathie und aktive Unterstützung Berlins.

Quelle: www.german-foreign-policy.com   vom 21.11.2007.

Fußnoten

Veröffentlicht am

22. November 2007

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