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Referenten mit Einsatzerfahrung

Die sogenannten Jugendoffiziere der Bundeswehr üben scharfe Kritik an der Medienberichterstattung über den Krieg in Afghanistan. Die für die Propaganda gegenüber Schülern und Studenten zuständige Militäreinheit greift unter anderem Medien an, die kritisch über das im September 2009 auf deutschen Befehl begangene Massaker in Kunduz informierten. Entsprechende Darstellungen trügen "zu einer negativen Einschätzung der bisherigen Erfolge des Einsatzes in Afghanistan bei", heißt es. Auch würden insbesondere Heranwachsende aufgrund der "wenig objektiven" Meldungen zum Krieg am Hindukusch generell an dessen Sinn "zweifeln", erklären die Jugendoffiziere.

Um die ihrer Ansicht nach negative Berichterstattung zu kontern, fordern sie den verstärkten Einsatz von Onlinemedien. Zwecks "zielgruppengerechter Erstinformation" komme etwa den Internetseiten der Bundeswehr eine "fundamentale Bedeutung" zu, lassen die Propagandaspezialisten verlauten und verlangen eine regere Beteiligung der deutschen Streitkräfte an sogenannten Sozialen Netzwerken wie Facebook und YouTube. Ausgebremst werden sollen damit nicht zuletzt die von den Jugendoffizieren identifizierten "medialen Gegenkampagnen" - Proteste, die sich gegen ihre Auftritte an Schulen und Universitäten richten.

Schlechte Presse

In ihrem unlängst erschienenen "Jahresbericht 2010" üben die sogenannten Jugendoffiziere der Bundeswehr scharfe Kritik an der Medienberichterstattung über den Krieg in Afghanistan. So habe etwa die Darstellung des von einem deutschen Oberst im September 2009 angeordneten Massakers an Zivilisten nahe dem nordafghanischen Kunduz wesentlich "zu einer negativen Einschätzung der bisherigen Erfolge des Einsatzes in Afghanistan bei(getragen)", heißt es. Zum Beleg werden nicht überprüfbare Aussagen der von den Militärpropagandisten agitierten Jugendlichen angeführt. Diesen wird anderem die Auffassung zugeschrieben, "dass lediglich negative Vorfälle, wie zum Beispiel die Intensivierung der Kampfhandlungen, die Gefallenen (…) und die Verluste unter der Zivilbevölkerung gemeldet" würden, während "Medienberichte über Erfolge spärlich" ausfielen. In der Konsequenz zweifelten die Heranwachsenden schließlich generell am Sinn der Afghanistan-Mission, heißt es: "Häufig hören Jugendoffiziere Aussagen wie: ‘Was hat das denn mit uns zu tun?’ oder ‘Kein deutscher Soldat sollte dort sein Leben riskieren müssen’". Auch ein "persönliches Bedrohungsempfinden" sei bei Jugendlichen "kaum zu erkennen", erklären die Jugendoffiziere: "Es wird argumentiert, dass Deutschland ausschließlich durch sein Engagement in Afghanistan im Fokus von Terroristen stehe."Zitate hier und im Folgenden aus: Bundesministerium der Verteidigung: Jahresbericht der Jugendoffiziere der Bundeswehr 2010; www.bmvg.de.

Authentisch

Um die vermeintlich einseitige Berichterstattung zu kontern, begeben sich nach eigener Aussage vorrangig Jugendoffiziere mit "Einsatzerfahrung" als "sicherheitspolitische Referenten" an deutsche Schulen. Im Gemeinschaftskundeunterricht etwa präsentieren sie laut ihrem Jahresbericht "authentische Schilderungen eigener Erlebnisse" mit dem Ziel, die "negative(n) Bilder, die sich über Internet oder Fernsehen gebildet haben", zu "relativieren". Die Schüler wiederum schätzten die von den Jugendoffizieren repräsentierte "Authentizität" ebenso wie deren Fähigkeit zu "offen-verständliche(r) Kommunikation" und "sachliche(r) Information", heißt es. Zum Beleg zitieren die Autoren des Jahresberichts folgenden Text einer E-Mail, die ein Schüler an einen Jugendoffizier geschrieben haben soll: "Ihr Vortrag am Freitag war echt interessant und ich wollte mich dafür noch mal bedanken. Ich fand es gut, zum Thema Afghanistan etwas zu hören, das nicht nur von Zeitungsberichten kommt. Unsere Lehrer erzählen zwar viel, aber keiner von denen war in Afghanistan und kann wirklich von der ‘Realität’ dort erzählen."

Zielgruppengerecht im Internet

Einen zentralen Stellenwert bei dem Versuch, unliebsame Schilderungen der "Einsatzrealität" zu unterdrücken, nimmt laut dem Jahresbericht die Nutzung von Onlinemedien durch die Bundeswehr ein. Da die Nutzung des Internets sowohl bei Jugendlichen als auch bei der "jungen Lehrerschaft" ein "fester Bestandteil des Interessen- und Arbeitsalltags" sei, komme den Webseiten der deutschen Streitkräfte hinsichtlich "zielgruppengerechter Erstinformation" eine "fundamentale Bedeutung" zu, erklären die Jugendoffiziere. Die "bundeswehreigenen Onlineauftritte" müssten daher "attraktiv, unterhaltsam und nutzerfreundlich gestaltet" sein, heißt es: "Innovationen wie der im August 2010 etablierte YouTube-Auftritt der Bundeswehr und die verstärkte Einbindung von Videobeiträgen aus den Einsatzgebieten werden positiv aufgenommen und entscheiden maßgeblich über eine multiplikatorische Weitergabe an Kolleginnen und Kollegen sowie Bekannte." Als "ideales Medium", um "Vorurteile und Berührungsängste Jugendlicher mit der Bundeswehr" abzubauen, gilt den Jugendoffizieren ihrem Jahresbericht zufolge außerdem nach wie vor das "Planspiel" POL+IS ("Politik und Internationale Sicherheit"). Simuliert werden hierbei unter anderem Maßnahmen der Aufstandsbekämpfung wie in AfghanistanSiehe dazu Zielgruppengerecht .).

Dozenten auf Augenhöhe

Mit Hilfe von Onlinemedien und POL+IS sollen offenbar auch "mediale Gegenkampagnen" ausgebremst werden - Proteste, die die Militärpropagandisten in ihrem aktuellen Jahresbericht erwähnen. "Plakatierungs-, Flugblatt- oder Störaktionen" hätten sich sowohl gegen die Schulbesuche der Jugendoffiziere wie gegen deren Kooperationsvereinbarungen mit zahlreichen Kultus- und Bildungsministerien gerichtet, heißt es. Auch an Universitäten sei man zunehmend mit Protesten konfrontiert, beklagen die Autoren des Jahresberichts: Während die Hochschulleitungen die Jugendoffiziere als "Dozenten auf Augenhöhe" akzeptierten, gehe von den Allgemeinen Studierendenausschüssen (AStA) "unreflektiert-negative Kritik" aus.

Besonders gewürdigt

Als vorbildhaft gilt den Jugendoffizieren demgegenüber der mediale Umgang mit der EU-Mission "Atalanta" zur Bekämpfung der Piraterie am Horn von Afrika. Die "intensive Berichterstattung" und insbesondere die "Bilder erfolgreicher Piratenfestnahmen" hätten der Bundeswehr die "besondere Würdigung" seitens vieler Jugendlicher eingebracht, schreiben die Autoren des Jahresberichts. Aber nicht nur die Bekämpfung der Freibeuterei werde "begrüßt", heißt es: "Die Schülerinnen und Schüler sind oftmals sogar verwundert, dass es hierüber in der Politik überhaupt eine Debatte gibt und sehen es als selbstverständlich an, dass der Staat alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel nutzt, um die wirtschaftlichen Interessen des Landes zu sichern."

Quelle: www.german-foreign-policy.com   vom 19.08.2011.

Fußnoten

Veröffentlicht am

24. August 2011

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