Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

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Die Antikriegs- und Friedensbewegung sagt: Nie wieder Krieg ist eine ganz zentrale Erfahrung aus der deutschen Geschichte

Rede von Tobias Pflüger beim Ostermarsch in Oldenburg am 23.04.201

Liebe Oldenburger und Oldenburgerinnen,
liebe Freundinnen und Freunde,

Es ist ein wunderschöner Karsamstag. Und es gibt immer noch - gar nicht so wenige - Unentwegte, die darauf bestehen, dass an Ostern Ostermärsche für Frieden und Abrüstung stattfinden. Hier in Oldenburg finden diese Ostermärsche - wenn ich es richtig verstanden habe - seit 32 Jahren statt. Das ist schon beeindruckend!

Wir erleben es ja gerade, dass im arabischen Raum und darüber hinaus sich Menschen wehren gegen diktatorische Regime. Eigentlich würde man meinen, dass sich alle darüber freuen, dass dort Menschen aufbegehren. Aber offensichtlich war es so, dass auch viele der westlichen Regierungen von diesen Protestbewegungen im arabischen Raum auf dem falschen Fuß erwischt wurden, und sich sehr schwer getan haben, diejenigen zu unterstützen, die dort für Demokratie und bessere soziale Verhältnisse aufbegehrt haben. Das hat eine Reihe von Gründen: Weil z.B. diese Diktatoren in Nordafrika und den arabischen Staaten eng verbandelt sind mit denjenigen, die hier an der Regierung sind. Und zwar ist es da völlig egal ob das Sozialdemokraten und Grüne oder Konservative und Liberale sind. Es gab über Jahre hervorragende Beziehungen mit denjenigen Diktatoren, die entweder schon zurückgetreten sind oder demnächst hoffentlich irgendwann mal zurücktreten.

(…)

Mein Eindruck ist, dass das, was unser Freund aus Kamerun vorhin für Afrika beschrieben hat, auch für eine ganze Reihe arabischer Staaten gilt: Dass eine Reihe von Menschen in arabischen Ländern erkannt haben, dass ihre Armut eng damit zusammenhängt, dass westliche Konzerne in ihren Ländern nach wie vor das Sagen haben.

Und ich denke, dass wir von hier aus ein ganz klares Zeichen setzen sollten: Ja, wir unterstützen die Demokratiebewegungen im arabischen Raum. Ja, wir freuen uns, dass die Menschen dort aufbegehren, und wir sind es satt, dass die Regierungen hierzulande mit doppelten Standards arbeiten. Wir unterstützen alle Demokratiebewegungen, nicht nur die, die ins westliche Konzept passen.

Über Jahre hinweg haben westliche Staaten, u.a. Deutschland, Ausstattungs- und Ausbildungshilfe gegeben, insbesondere an die Polizei und Militärs in den arabischen Ländern. Von der ägyptischen Polizei gingen insbesondere zu Beginn, aber auch bis heute Übergriffe gegen Demonstranten aus. Ägyptische Polizisten wurden ausgebildet von europäischen, auch deutschen Polizisten. Und es sind bis heute an der Bundeswehr-Hochschule in Hamburg Militärs aus Ägypten, die bei der Bundeswehr ausgebildet werden.

Die westlichen Staaten, darunter wieder Deutschland, haben umfangreich Waffen geliefert in die arabischen Länder und in viele dieser Länder werden westliche Waffen bis heute geliefert.

Wir als Ostermarschierer/innen sagen dazu: Wir sind dafür, dass sämtliche Rüstungsexporte eingestellt werden, jetzt natürlich insbesondere in die arabischen Länder!

Und es ist schon zynisch: Dass der Westen jetzt Stück für Stück versucht die Revolutionen, die in den arabischen Ländern gelaufen sind oder noch laufen, zu stehlen. Es ist inzwischen so, dass der Westen eher zufrieden ist, dass in Ägypten ein Militärrat das Sagen hat. Denn seit Jahren gibt es vom Westen aus zu den Militärs und Geheimdiensten z.B. in Ägypten hervorragende Beziehungen. Man kennt sich aus gemeinsamen Ausbildungsgängen. Das gilt für Tunesien, das gilt für Ägypten und - das ist das Interessante - das gilt auch für Libyen. Der jetzige Militärchef der Rebellen in Bengasi, ist der ehemalige Innenminister von Gaddafi, er war zuständig für die verschiedenen Spezialtruppen Libyens. Und es gab zwischen ihm den britischen, us-amerikanischen, französischen und deutschen Eliteeinheiten und entsprechenden Militärs und Geheimdiensten hervorragende Kontakte, an die jetzt angeknüpft wird.

Und ich will es sehr deutlich sagen: In Libyen gab es am Anfang eine Entwicklung, wo sich auch Menschen wegen der sozialen Verhältnisse und wegen dem, dass dort keine Demokratie herrschte, auch in Tripolis, aufgestanden sind. Und dann war es im Interesse des Westens diesen Konflikt zu militarisieren. Was wir inzwischen haben in Libyen ist ein ganz simpler Krieg, ein Krieg, wie er leider in vielen Regionen der Welt läuft. Und es ist ein Krieg, in dem die NATO bombardiert, angeblich zum Schutz von Zivilisten. Ich will es sehr deutlich sagen: Nicht nur Gaddafi und seine Truppen setzen wohl Streubomben ein, sondern auch die NATO setzt Streubomben ein. Die NATO bringt genauso Zivilisten um. Deutschland ist Teil der NATO und hat kein Veto gegen die Angriffe eingelegt.

Ich will es sehr deutlich sagen: Dieser Angriff, den die NATO derzeit auf Libyen fliegt, hat nichts damit zu tun, dass es der Zivilbevölkerung irgendwie hilft. Im Gegenteil, es werden Menschen dadurch getötet. Wir sagen ganz klar NEIN zum Krieg der NATO gegen Libyen, wir lehnen das ganz klar ab!

Ganz zynisch ist es, dass die EU und Deutschland mit den Diktaturen in Nordafrika - insbesondere mit Gaddafi - bei der Flüchtlingsabwehr eng zusammengearbeitet hat und bis heute mit einigen zusammenarbeitet. Wenn es wirklich um Hilfe für Menschen gehen sollte, ist es notwendig Flüchtlinge aufzunehmen und diese schreckliche EU-Agentur FRONTEX sofort aufzulösen!

Liebe Freundinnen und Freunde, am Anfang gab es viele, die gesagt haben, naja, wenn die UNO eine Flugverbotszone beschließt, dann würde das ja tatsächlich den Menschen helfen. Wenn man ein bisschen in die Geschichte zurückgeht, weiß man, was Flugverbotszonen bedeuten. Das war in Bosnien so, das war im Irak so. Jedes Mal waren die Flugverbotszonen der Beginn von ganz "normalen" heißen Kriegen. Das hatte auch ganz am Anfang vor Beginn der westlichen Bombardierungen der für Militär zuständige Minister der USA, Robert Gates, gesagt, er meinte, wer Flugverbotszonen sagt, muss klar sagen, dass das ein Krieg ist. Genau das hat die Antikriegs- und Friedensbewegung immer wieder formuliert. In Flugverbotszonen werden nicht irgendwelche Verbotsschilder aufgestellt, nein Flugverbotszonen bedeuten Angriffe, Angriffe auch gegen Zivilisten. Das ist einer der Gründe, warum wir sagen, diese Angriffe müssen sofort gestoppt werden und stattdessen müssen Waffenstillstandsverhandlungen geführt werden. Und stattdessen muss auf diplomatischem Wege eine Lösung gefunden werden. Stoppt die Bombardierung Libyens!

Die Resolution 1973, die der UN-Sicherheitsrat beschlossen hat, ist eine grundlegende Veränderung in der Politik der Vereinten Nationen. Die UN hat damit zum ersten Mal beschlossen, dass jedes Mitgliedsland der UN Libyen bombardieren darf, wie es dieses Land für richtig erachtet. Und wir wissen inzwischen, dass die türkische Regierung, an der genügend Kritik zu üben ist, direkte Verhandlungen geführt hatte, die große Aussicht auf Erfolg hatten. Der türkische Ministerpräsident Erdogan hat darauf hingewiesen, dass die ersten französischen Kampfflugzeuge kaputt gebombt haben. Es sind Frankreich, Großbritannien, die USA und viele weitere in dieser neuen Koalition der Willigen, die hier bombardieren.

Ich will aber auch sehr deutlich sagen: Herr Westerwelle hat erklärt, Deutschland mache bei diesem Krieg nicht mit. Herr Westerwelle ich sage es ganz offen, Sie sind ein Lügner. Denn die gesamte militärische Infrastruktur, die sich hier in Deutschland befindet, wird für die Bombardierungen in Libyen benutzt. Die Kampfflieger starten z.B. in Spangdahlem bei Trier und werfen ihre Bomben ab über Libyen. Von Ramstein wurden die US-Angriffe koordiniert. Der Tausch der AWACS für Afghanistan und die damit verbundene Aufstockung um 300 Soldaten in Afghanistan zeigt: Die Bundesregierung will die Kriegsführung gegen Libyen effektiv machen. Und heute demonstrieren in Stuttgart unsere Friedensfreunde bei einem Ostermarsch, u.a. auch in Stuttgart-Vaihingen, weil sich dort das AFRICOM der US-Armee befindet, die Einsatzzentrale für die ganzen US-Angriffe.

Und all dies ist grundgesetzwidrig. Denn es steht im Grundgesetz, dass allein die Vorbereitung eines Angriffskrieges verboten ist. Die Bundesrepublik Deutschland ist spätestens nach dem Zwei-Plus-Vier-Vertrag voll souverän und kann entscheiden, nein muss entscheiden, dass Angriffe von deutschem Boden aus nicht geflogen werden. Deshalb hat Herr Westerwelle gelogen. Die deutsche Regierung unterstützt diesen Krieg zumindest indirekt.

Inzwischen werden im Bereich der Europäischen Union Operationspläne für den Einsatz EUFOR Libya beschlossen. Eingesetzt werden sollen die so genannten Battle Groups, die Schlachttruppen der Europäischen Union. Deutschland beteiligt sich an den Operationsplanungen. Das Dumme dabei ist, dass das UN-Büro für humanitäre Hilfe (OCHA) bisher nicht gesagt hat, dass eine militärische Absicherung von Hilfstransporten durch EU-Truppen vonnöten sei, im Gegenteil, dort wird darauf hingewiesen, dass eine Vermischung humanitärer Hilfe mit einem Militäreinsatz nicht erwünscht ist. Somit liegt bisher keine Anfrage der UN vor.

Wir lehnen es ganz klar ab, dass Deutschland diese indirekte Kriegsunterstützung macht, und demnächst wohl in diesen Krieg auch direkt reingehen wird. Wir wollen nicht dass Deutschland Krieg führt!

Liebe Freundinnen und Freunde, die NATO hatte vor zwei Jahren bei ihrem Jubiläumsgipfel in Strasbourg ein neues strategisches Konzept beschlossen. Wir hatten damals den Ostermarsch eine Woche nach vorne verlegt, genau vor zwei Jahren war das in Strasbourg, Kehl und Baden-Baden. Und in diesem strategischen Konzept der NATO wurde die Europäische Union auf gleiche Augenhöhe gestellt, zu einem strategischen Partner erklärt. Inzwischen ist die Europäische Union selbst fähig zu agieren, dazu hat sie z.B. diese EU Battle Groups. Und im Lissabon-Vertrag der EU, der gegen heftige Widerstände durchgeboxt wurde, dem alle anderen Parlaments-Parteien außer der LINKEN zugestimmt haben, steht drin, dass die NATO eine Rolle in der EU-Politik spielt. Und wir haben die Situation, dass inzwischen EU und NATO Hand in Hand Kriege führen.

Und ich kann das sehr deutlich sagen, ich kann da den ehemaligen Bundespräsidenten Köhler zitieren, aber ich kann auch den ehemaligen Verteidigungsminister Guttenberg zitieren, alle haben es zugegeben, dass die Bundeswehr auch dazu eingesetzt wird, für die Durchsetzung von wirtschaftlichen Interessen. Genau dies zeigt sich jetzt beim Krieg um Libyen, da geht es doch nicht unwesentlich um Öl.

Liebe Freundinnen und Freunde, wir lehnen das ab, dass die Bundeswehr für wirtschaftliche Interessen eingesetzt wird, das wollen wir nicht!

Die Bundeswehr wird derzeit umgewandelt, in einer so genannten Reform. Das bedeutet, dass die Teile der Bundeswehr ausgebaut werden, mit denen Auslandseinsätze durchgeführt werden können. Von derzeit ca. 8.000 Soldaten im Auslandseinsatz will man als Zielgröße bis hin zum Dreifachen. Die Wehrpflicht wurde ausgesetzt, weil eine effektivere Bundeswehr angestrebt wird, die verkleinert wird und die Teile mit denen Krieg geführt werden kann, will man ausbauen. Das Strategiepapier der so genannten Weise-Kommission trägt den Titel: "Vom Einsatz her denken".

Nun betreibt die Bundeswehr eine umfangreiche Rekrutierungskampagne. 2011 sollen dafür 50 Millionen Euro ausgegeben werden. Wir wollen nicht, dass Menschen zur Bundeswehr rekrutiert werden zu diesem angeblich sicheren Job. Nein, es ist ein todsicherer Job! Leute geht nicht zur Bundeswehr!

Diese "Reform" ist ausschließlich dazu da, um sie mehr auf Auslandseinsätze und Kriegsführungsfähigkeit auszurichten. Das lehnen wir ab! Wir wollen, dass die Bundeswehr Stück für Stück abgerüstet wird. Und wir wollen nicht, dass mit der Bundeswehr Krieg geführt wird!

Insbesondere der Afghanistan-Einsatz muss sofort beendet werden!

Liebe Freundinnen und Freunde, es muss ja immer, wenn Krieg geführt wird, dann müssen auch die entsprechenden Waffen dafür produziert werden. Wir wissen, dass Deutschland mit vorne dran ist, bei den Ländern, die Waffen in die ganze Welt verschicken. Es werden Geschäfte damit gemacht und ich will es klar sagen, das sind tödliche Geschäfte. Man sieht es jetzt in den arabischen Ländern, was mit den Waffen konkret passiert. Wir sind nicht nur für ein Rüstungsexportverbot, sondern wir sind auch dafür dass diese Rüstungsindustrie mit ihren brutalen Profiten Stück für Stück abgerüstet wird und dass die Rüstungsproduktion vollständig eingestellt wird!

Jetzt haben wir es ja gerade damit zu tun, dass einer anderen Industrie die Felle davon schwimmen, weil mehrere Atomkraftwerke durch ein Erdbeben zerstört wurden. Diese Atomindustrie ist gemeinsam mit der Rüstungsindustrie eine Industrie, die sehr sehr viel Einfluss auf die Politik haben. Wir erinnern uns noch sehr gut, wie die Energiekonzerne Angela Merkel diktiert haben, wie in Zukunft die Atommeiler weiter zu laufen haben. Und wir erinnern uns noch sehr gut, wie damals Rot-grün nicht etwa einen Atomausstieg beschlossen hat, sondern ein Weiterlaufen- und Auslaufenlassen der Atomkraftwerke hier in Deutschland. Wir wollen den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie! Und "sofort" heißt "sofort", und das heißt alle Atomkraftwerke sofort stilllegen!

Es gibt noch einen Aspekt bei der Atomenergie, der häufig übersehen wird. Schauen wir insbesondere nach Frankreich, sieht man die direkte Zusammenarbeit zwischen Atomindustrie und Rüstungsindustrie, weil genau die Nuklearfabriken sind, die das Uran und Plutonium für die Atomwaffen zur Verfügung stellen. Atomkraftwerke und Atomwaffen sind zwei Seiten einer Medaille. Wir sind dafür, dass alle Atomkraftwerke geschlossen werden, wir sind aber auch dafür, dass alle Atomwaffen vernichtet werden, und die Atomwaffen, die hierzulande stationiert sind, in Büchel, müssen endlich abgezogen werden!

Liebe Freundinnen und Freunde! Häufig heißt es: Was will denn die Friedensbewegung? Was sind denn das für Menschen, die immer wieder auf die Straße gehen? Ich hoffe, ich habe es deutlich gemacht, für wie viele Punkte wir kämpfen und es zeigt sich, dass wir Recht hatten und Recht haben an unserer Kritik an Waffen und Hochrüstung usw.

Liebe Freundinnen und Freunde! Es ist so, dass wir auch weiterhin diese Ostermärsche machen werden, weil es richtig ist sie zu machen, weil unsere politischen Forderungen richtig sind. Und wir müssen dabei alle Parteien vor uns herjagen. Die Antikriegs- und Friedensbewegung sagt: Nie wieder Krieg ist eine ganz zentrale Erfahrung aus der deutschen Geschichte. Wir waren nicht umsonst beim Denkmal für Carl von Ossietzky, der so steht es dort auf dem Schild als radikaler Demokrat und Pazifist agiert hat. Ich denke schon, dass wir uns auch in der Tradition von solchen Menschen befinden und freue mich gemeinsam mit Euch diesen Ostermarsch zu bestreiten. Vielen Dank bis zum nächsten Mal!

Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.   - IMI-Standpunkt 2011/025.

Veröffentlicht am

28. April 2011

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