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Robert Fisk: Obama-Administration verhält sich kraftlos und feige gegenüber dem Mubarak-Regime

Interview mit ‘Democracy Now!’ 

Von Amy Goodmann und Robert Fisk, 04.02.2011 - Democracy Now! / ZNet

Amy Goodman: Sie können die Kommentare von Sharif Abdel Kouddous auf www.democracynow.org nachlesen. Er ist Senior-Produzent von Democracy Now! und direkt vor Ort, auf dem Tahrir-Platz (Platz der Befreiung) in Kairo. Siehe auch Sharifs Blogs und aktuellen Berichte. Anmerkung d. Übersetzerin: Siehe die Übersetzung von Sharif Abdel Kouddous’ Live-Berichterstattung aus Kairo auf der ZNet-Seite .

Zunächst geht es um Robert Fisk. Er ist seit vielen Jahren Nahost-Korrespondent der Londoner Tageszeitung The Independent, und seit Jahren wird ihm von britischen Reportern und Redakteuren attestiert, er sei der beste (Auslands-)Korrespondent. Fisk ist Autor zahlreicher Bücher, u.a. von ‘The Great War for Civilisation: The Conquest of the Middle East’.

Auf den Straßen Kairos schrieb er: "Nun wird eine geschichtliche Pleite einen US-Präsidenten betreffen - (ein Präsident der) der islamischen Welt die Hand entgegenstreckte und sie zu einer Faust ballte, als diese (islamische Welt) gegen eine Diktatur kämpfte und Demokratie forderte."

Wir haben Robert Fisk erst wenige Stunden vor dieser Sendung erreicht. Wir wollten wissen, wie er auf die sich entfaltenden Ereignisse in Ägypten reagiert und befragten ihn auch zu der Reaktion der USA:

Robert Fisk: Nun, die Leute, die im Grunde Mubaraks Sturz fordern, beweisen immensen Mut. Was für ein Gegensatz zu der absoluten Kraftlosigkeit der US-Administration. Die feigen Töne kommen aus dem US-Außenministerium - von Mrs. Clinton: diese endlosen Aufrufe, sich doch zurückzuhalten und die endlosen Wiederholungen, Mubarak sei ein Freund Amerikas usw. Mubarak ist ein Diktator, der über einen Polizeistaat herrscht. Was für ein Gegensatz zu jenen einsamen Ägyptern, die von der Geheimpolizei gefilmt werden - von Fernsehsendern überall auf der Welt - wie sie ihre Namen nennen und sich dazu bekennen, gegen das Regime zu sein. Es ist ein außergewöhnliches Beispiel für eine verpasste Gelegenheit Amerikas. Wissen Sie, ich stehe mit den Leuten auf der Straße. Sie sind nicht antiamerikanisch. Es gibt keine anti… niemand verbrennt amerikanische Flaggen, obwohl ich es, unter diesen Umständen, (wenn ich ein Ägypter wäre) wahrscheinlich tun würde. Sie zeigen immenses Verständnis für die internationale Situation. Natürlich werden sie immens betrogen.

Was macht sie so mutig? Im Grunde ist es eine simple Tatsache. Wenn Menschen die ständigen Demütigungen, die ständige Unterdrückung und die ständige Angst abschütteln, wenn sie sich weiterbilden und ihre Fesseln abwerfen - "ich habe keine Angst mehr", heißt der alte Standardsatz -, wenn dies geschieht, ist es unmöglich, die Menschen erneut mit Angst zu infizieren. Sie stehen aufrecht. Vielleicht erleiden sie zwischendurch eine Niederlage, aber sie werden wieder aufstehen. Das ist auch der Grund, weshalb immer mehr Leute zu den Demonstranten stoßen.

Wir sehen Folgendes: Am Freitag vergangener Woche - während der großen Kämpfe in Kairo - zeigten die Menschen, dass sie der Staatssicherheitspolizei trotzen. Und nun müssen sie buchstäblich mit Steinen gegen Mubaraks Leute kämpfen. Sie kämpfen buchstäblich und wurden verletzt. Das zeigt, dass sie wirklich mutig sind. Wir haben es nicht mit Menschen zu tun, deren Stimmen im Fernsehen zu hören sind und die sich dann wieder in ihr Mittelschichts-Heim zurückziehen oder auf ihre Bauernhöfe usw.. Das hier ist echt. Mubarak begreift das offensichtlich nicht. Ich denke jedoch, dass bei der Armee der Groschen so langsam fällt.

Das Wichtigste, was ich in den letzten Tagen gesehen habe, war, wie Mubarak am Freitag der Armee befahl, den Platz (der Befreiung) zu räumen. Einzelne Offiziere in Panzern vweigerten sich. Ich habe selbst gesehen, wie sie sich ihre Panzerhelme vom Kopf rissen - über die sie ihre Befehle (über ein eigenes militärisches Netzwerk) erhalten. Stattdessen benutzten sie nun Handys. Oft riefen sie daheim an - denn viele kommen aus Militärfamilien. Sie wollten vom Vater wissen, was sie tun sollten. Natürlich wird der Vater gesagt haben: "Du darfst nicht auf deine Mitbürger schießen". Ich denke, DAS war der Moment, an dem das Mubarak-Regime zusammenbrach. Wenn wir eines Tages zurückblicken und dies hier Geschichte sein wird, werden wir es wohl so einschätzen. Ich denke, es (das Mubarak-Regime) ist zusammengebrochen und am Ende - unabhängig davon, was Mubarak, in seiner stummen Welt, träumen mag. Ich denke, das war ein äußerst kritischer Augenblick.

Das große Drama der Amerikaner ist Folgendes: Sie wollen, dass das (ägyptische) Militär die Situation unter Kontrolle bringt und Mubarak los wird. Doch werden wir in diesem Fall Mubaraks Vizepräsidenten vorgesetzt bekommen? Oder wird Ägypten von jenem ehemaligen Geheimdienstoffizier Mubaraks regiert werden, der Ägyptens Chefunterhändler mit Israel ist. Unter allen Ägyptern ist er Israels Lieblingskandidat, um Ägypten zu regieren und die Armee unter Kontrolle zu bringen, damit diese das Land regieren kann. In diesem Falle hätten wir einen neuen freundlichen Militärdiktator, der einer Armee vorsteht, die ein Land regiert - ein weiteres Land in der arabischen Welt. Im Grunde haben wir das die ganze Zeit erlebt. Die Demonstranten sind 24 Stunden hinter dem Zeitplan, was die Erarbeitung dieser Dinge angeht.. Sie sind schrecklich müde. Sie versuchen, am Leben zu bleiben. Sie werden sehr hart kämpfen müssen, um sicherzustellen, dass die politische Zukunft in ihren Händen und nicht in den Händen einer Generals-Bande liegen wird, die unter Mubarak groß geworden ist und seine Herrschaft satt hat. Dass die Armee gegen Mubarak ist (und das ist sie, meiner Meinung nach, in zunehmendem Maße), bedeutet jedoch nicht, dass sie freie, offene, wunderbare demokratische Wahlen in Ägypten unterstützen wird. Es ist ein wirklich schöner Gedanke, aber ich erinnere mich an keine Armee in der Geschichte, die das tatsächlich getan hätte - vor allem an keine ägyptische. Ich denke daher, dass sich diese Fragen stellen werden.

Es ist sehr interessant, zu beobachten, wie die Menschen sich verhalten. Ich stehe hier direkt neben einem Panzer - Steine fliegen und so weiter. Gestern sah ich zum Beispiel einen weinenden jungen Soldaten. Er stand (auf dem Panzer), während Steine aus beiden Richtungen an ihm vorbeiflogen. Er befand sich offensichtlich im Zwiespalt. Sollte er seine Soldatenpflicht erfüllen oder seine Pflicht als ägyptischer Staatsbürger? Schließlich sprang er von seinem Panzer herab, direkt vor mir. Er weinte und umarmte einen Demonstranten. Diese Szene ist ein wirklich signifikanter Augenblick, in diesem Zusammenhang, kam es mir in den Sinn. Wissen Sie, wenn auf der Straße große Politik gemacht wird… diese Szene war ein Mikrokosmos für das, was (im Großen) geschieht. Die Armee ist gegen Mubarak. Ich glaube, dass das in den nächsten 24 Stunden auch deutlich werden wird.

Amy Goodman: Das war Robert Fisk, langjähriger Nahostkorrespondent von The Independent in London. Er lebt in Beirut, aber heute sprach er natürlich von den Straßen Kairos mit uns.

Robert Fisk ist ein international anerkannter Journalist des "Independent" in London. Seine Berichte über den Nahen Osten liefern den dringend notwendigen Kontrast zur offiziellen Doktrin und inspirieren Aktivisten auf der ganzen Welt. Er ist regelmäßiger Autor des ZNet, außerdem schreibt er noch für "The Nation" und weitere Publikationen.

Quelle: ZNet Deutschland vom 05.02.2011. Originalartikel: Obama Administration Has Been Gutless and Cowardly in Dealing with the Mubarak Regime . Übersetzt von: Andrea Noll.

Fußnoten

Veröffentlicht am

06. Februar 2011

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