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“Bei Abriss Aufstand”: Die Schwaben proben die Revolution (II)

In einem Artikel mit dem Titel "’Bei Abriss Aufstand’: Die Schwaben proben die Revolution" ist Wolfgang Sternstein ausführlich auf die Frage eingegangen, wie es komme, dass die Umgestaltung des Bahnhofs von Stuttgart einen derartigen Aufstand auslösen könne. Dabei gehe es nur vordergründig um den Bahnhof und die Neubaustrecke. Es gehe vielmehr um Demokratie und gute Regierung, denn je länger der Konflikt andauere, desto mehr "Vetterleswirtschaft", Kungelei und Filz kämen ans Licht. In Stuttgart 21 sieht er auch ein Musterbeispiel dafür, was geschehe, wenn der Souverän, das Volk, praktisch von jeder direkten Mitsprache bei politischen Entscheidungen ausgeschlossen werde. Nach einem ausführlichen Blick auf den Anlass dieses "gewaltfreien Aufstands" ist er auf die Protestformen im Einzelnen eingegangen.

Geendet hat Wolfang Sternstein seinen Artikel "’Bei Abriss Aufstand’: Die Schwaben proben die Revolution" mit einer persönlichen Anmerkung: "Seit fünfunddreißig Jahren bemühe ich mich mit anderen, die gewaltfreie Konfliktaustragung in diesem Land heimisch zu machen, bisher, so schien es, ohne großen Erfolg. Das hat sich nun grundlegend geändert. Vielleicht dürfen wir jetzt die Früchte jahrzehntelanger Mühen ernten. Mit Sorge sehe ich allerdings, dass der ‘Aktionskonsens’ zerbrechen könnte, wenn die Landesregierung weiterhin einen Konfrontationskurs verfolgt." Daran knüpft er in dem folgenden Artikel an, in dem er auf die Ereignisse in Stuttgart vom "Schwarzen Donnerstag" am 30. September 2010 und danach eingeht.

"Bei Abriss Aufstand": Die Schwaben proben die Revolution (II)

Von Wolfgang Sternstein

Ziviler Ungehorsam

Das war der Stand der Ereignisse kurz vor dem 30. September 2010, dem "schwarzen Donnerstag" in der Geschichte des Landes Baden-Württemberg. Der letzte Satz des vorigen Absatzes klingt wie eine Vorahnung dessen, was sich kurz darauf ereignen sollte.

Zunächst jedoch ein Blick in die Vergangenheit. Die Landesregierung von Baden-Württemberg hatte nach den blutigen Auseinandersetzungen um das Atomkraftwerk Wyhl im Jahre 1975 ein neues Konzept für den Umgang mit widerständigen Bürgern entwickelt: die Stuttgarter Linie. Sie suchte das Gespräch mit den Vertretern der badisch-elsässischen Bürgerinitiativen und schloss mit ihnen nach langen, zähen Verhandlungen einen Vertrag, die "Offenburger Vereinbarung", die den Bürgerinitiativen erhebliche Zugeständnisse machte und wesentlich zur Befriedung der Region beitrug. Sensationell war nicht nur der Inhalt der Vereinbarung, sondern auch die Tatsache, dass sich Landesregierung und Betreiber mit den Vertretern der Bürgerinitiativen, die den Bauplatz des Kraftwerks widerrechtlich besetzt hatten und besetzt hielten, an den Verhandlungstisch setzten.

Im Zuge der Massenproteste gegen die Raketenstationierung in Mutlangen, Heilbronn und Neu-Ulm kam es 1983 zu einer Fortsetzung des Dialogs in Gestalt der "Stuttgarter Gespräche", an denen der Landespolizeipräsident Dr. Alfred Stümper und weitere Beamte des Innenministeriums auf der einen Seite und Vertreter von Bürgerinitiativen und Umweltschutzverbänden auf der anderen Seite sowie Vertreter der Energieversorgungsunternehmen und der Kirchen teilnahmen. Diese Gespräche fanden in der Broschüre "Überlegungen zur Austragung von Umweltkonflikten" der Arbeitsgemeinschaft für Umweltfragen (AGU) aus dem Jahre 1984 ihren Niederschlag.

Ich war an diesen Gesprächen als Vertreter des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU), einer Dachorganisation von Bürgerinitiativen, die in jener Zeit eine große Rolle in der Öffentlichkeit spielte, an diesen Gesprächen und der Ausarbeitung der "Überlegungen" beteiligt. Kernpunkt dieses Konzepts war der Gewaltverzicht, zu dem sich beide Seiten verpflichteten. Das galt sowohl für das Werfen von Steinen, Brandflaschen und Feuerwerkskörpern, das Verschießen von Stahlkugeln mit Zwillen und dergleichen von Seiten der Demonstranten, als auch für den Einsatz von Wasserwerfern, Tränengas bzw. Pfefferspray und Schlagstöcken von Seiten der Polizei. Die Gespräche und deren Ergebnis waren in der Friedensbewegung höchst umstritten. Ich fand sie sinnvoll, räume aber ein, dass sie von Anfang an öffentlich hätten geführt werden müssen.

Ich habe damals versucht, bei der Polizei und beim politischen Gegner Verständnis für die Aktionsform des zivilen Ungehorsams als eines letzten Mittels des gewaltfreien Widerstands zu wecken. Das war nicht leicht, da viele Polizisten und Politiker jeden Rechtsbruch als kriminelle Handlung werteten. Heute ist der zivile Ungehorsam dagegen weit verbreitet und in der Öffentlichkeit als gewaltfreie Aktionsmethode weitgehend anerkannt. Einer aktuellen Umfrage des Wissenschaftszentrums Berlin unter Stuttgart-21-Gegnern zufolge sind 90 Prozent der Befragten bereit, ihre Ziele "auch mit den Mitteln des zivilen Ungehorsams, zum Beispiel mit Besetzungen und Blockade, zu erreichen". (Pressemitteilung des WZB vom 27.10.2010)

Bei näherer Betrachtung zeigt sich indes, dass die Vorstellungen über das, was ziviler Ungehorsam ist, weit auseinandergehen. Deshalb sei hier der Versuch einer Definition gewagt. Unter zivilem Ungehorsam in der Tradition von Henry David Thoreau, Mahatma Gandhi und Martin Luther King versteht man die bewusste Übertretung von Gesetzen oder gesetzesähnlichen Vorschriften sowie die Gehorsamsverweigerung gegenüber polizeilichen Anweisungen mit dem Ziel, staatliches Unrecht oder staatliche Korruption zu beseitigen. Ziviler Ungehorsam in diesem Sinne sollte "zivil", das heißt offen, dialogbereit und gewaltfrei sein. Dazu gehört auch die Bereitschaft, die für die Gesetzesübertretung oder die Gehorsamsverweigerung verhängte Sanktion klaglos hinzunehmen. Das gilt selbstverständlich nicht für die Fälle, in denen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit von Seiten der Polizei grob missachtet wird. Auch ist es den Ungehorsamen unbenommen, ihr Handeln vor Gericht zu begründen und zu rechtfertigen. Wer zivilen Ungehorsam leistet, stellt weder den Rechtsstaat noch die Demokratie als Staatsform in Frage. Im Gegenteil, den Ungehorsamen geht es um ihre Verbesserung, nicht um ihre Zerstörung. Durch ihre Bereitschaft, Nachteile und Strafen hinzunehmen, bekunden sie vielmehr ihren Respekt vor dem Recht als solchem und appellieren an die Regierung und die Parlamente, die angefochtene Entscheidung noch einmal zu überdenken. Massenhafter ziviler Ungehorsam kann die Rücknahme der Entscheidung sogar erzwingen. Nach Meinung Gandhis ist er sogar ein geeignetes Mittel, eine Diktatur, ja selbst ein totalitäres Regime zu stürzen.

Allerdings haben nach meiner Beobachtung viele Gegner und Befürworter von Stuttgart 21 keine klare Vorstellung davon, was ziviler Ungehorsam in dem von mir beschriebenen Sinn bedeutet. Viele Gegner des Projekts meinen, Straßen- oder Sitzblockade seien durch die Grundrechte auf freie Meinungsäußerung und auf freie Versammlung, die zusammen das Demonstrationsrecht bilden, gedeckt. Das ist jedoch nicht der Fall. Akte des zivilen Ungehorsams stellen strafbare Handlungen dar, die als Ordnungswidrigkeit oder als Straftat geahndet werden können. Bei den Befürwortern von Stuttgart 21 ist dagegen die Auffassung verbreitet, jede rechtswidrige Handlung sei an sich bereits kriminell und moralisch verwerflich. Wer zivilen Ungehorsam leiste, "terrorisiere die Bürger und wolle Politik und Presse einschüchtern", schreibt beispielsweise Heinz Walde in einem Leserbrief (Sonntag Aktuell, 31.10.10, S. 6). "Es ist, wie es immer ist - wenn einem die Argumente ausgehen, wird zu Gewalt und Terror gegriffen."

Der schwarze Donnerstag

Doch zurück zum schwarzen Donnerstag. Bis zu diesem Tag hatte sich der verantwortliche Polizeipräsident Siegfried Stumpf wie seine Vorgänger Ratgeb und Schairer an die "Stuttgarter Linie" gehalten. Er schritt selbst dann nicht ein, als Demonstranten wiederholt den Verkehr auf den dem Bahnhof benachbarten Hauptverkehrsstraßen blockierten. Bei der Räumung von Sitzblockaden, mit denen der Abriss des Nordflügels behindert, wenn möglich sogar verhindert werden sollte, gingen die Polizeibeamten meist betont höflich vor, wie ich aus eigener Erfahrung weiß.

Am 30. September vollzog der Polizeipräsident indes eine Wendung um 180 Grad. Vermutlich hoffte er, mit einem Überraschungscoup den Parkschützern zuvorzukommen, die für den Fall eines Rodungsbeginns eine Alarmkette eingerichtet hatten. Ursprünglich war der Einsatz wohl für den Nachmittag des 30. September geplant, wurde aber, nachdem die Parkschützer den Alarm ausgelöst hatten, auf den Vormittag vorgezogen. So rückten um 10 Uhr morgens 700 Polizisten, meist bürgerkriegsmäßig ausgerüstete Sondereinheiten aus Hessen, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, mit vier Wasserwerfern und mehreren, mit Hamburger Gittern beladenen LKW in den Schlossgarten vor, um ein Geviert von etwa 50 x 50 Metern einzuzäunen. Auf diesem Gelände sollten die Bäume gefällt und ein dreistöckiges Gebäude für das "Wassermanagement" errichtet werden.

Zufällig fand zur gleichen Zeit in der Nähe eine angemeldete Demonstration einer Schüler-Organisation, die sich "Jugendoffensive gegen Stuttgart 21" nannte, mit etwa tausend Teilnehmern statt. Als sie die Alarmmeldung der Parkschützer erreichte, eilten sie unverzüglich in den Schlossgarten, stellten sich dem Konvoi in den Weg und besetzten einen LKW mit Gittern. Da sie der polizeilichen Aufforderung, das Fahrzeug zu verlassen, nicht nachkamen, wurden sie unter dem Protest der Umstehenden von Polizisten heruntergeholt. Mittlerweile waren mehrere hundert Parkschützer am Schauplatz eingetroffen. Sie quittierten die Aufforderung über Lautsprecher, den Schlossgarten zu verlassen, mit ohrenbetäubendem Lärm. Aus Hilflosigkeit, so scheint es mir, wurde daraufhin der Einsatz der Wasserwerfer befohlen. Auch wurde vereinzelt vom Schlagstock Gebrauch gemacht. Vor allem aber wurde reichlich Pfefferspray verspritzt.

Auch mir blieb es nicht erspart, damit Bekanntschaft zu machen. Ich war nachdem mich der Parkschützer-Alarm erreicht hatte, in den Schlossgarten geeilt und hatte mich an einer Sitzblockade beteiligt. Doch statt wie gewöhnlich, von Polizisten hinter eine Sperrkette getragen zu werden, machten die in ihren schwarzen Uniformen roboterhaft wirkenden vermummten Polizisten unverzüglich von ihren Machtmitteln Gebrauch. Ich erhielt eine geballte Ladung Pfefferspray aus nächster Nähe in die Augen. Zum Glück waren auf unserer Seite Sanitäter im Einsatz, die mich mit wiederholten Spülungen von dem höllischen Schmerz befreiten. Vorsorglich ließ ich mir von einer Augenärztin ein Attest ausstellen, um im Fall von Spätschäden nicht ohne Beweismittel dazustehen. Im Unterschied zu den Demonstranten, die schwere Augenverletzungen erlitten, bin ich ohne ernsthafte Blessuren davongekommen. Ein gewaltfreier Aktivist sollte, so meine ich, von einer Attacke, wie sie mir widerfuhr, kein Aufhebens machen. Sie gehört zu seinem Berufsrisiko, so wie es zum Berufsrisiko von Polizisten gehört, gelegentlich mit kriminellen Gewalttätern zu tun zu haben. Das gilt selbstverständlich nicht für die vier Demonstranten, die bei diesem Einsatz schwere Augenverletzungen erlitten. Das Bild des Rentners, der sich schützend vor die Jugendlichen stellte und dem der Hochdruck-Wasserstrahl beide Augen zerstörte, sodass ihm das Blut aus den Augenhöhlen rann, schockierte die ganze Republik. Mit Recht haben die Schwerverletzten Anzeige gegen die Verantwortlichen für diesen brutalen Polizeieinsatz gestellt.

Polizeipräsident Stumpf nahm als Einsatzleiter die ganze Verantwortung auf seine Schultern. Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Stefan Mappus, stritt jede Einflussnahme ab. Das glauben ihm vermutlich nur blind ergebene Anhänger, zumal der SPIEGEL (44/2010, S. 32) berichtet, am Tag vor dem unglücklichen Großeinsatz habe es in der Villa Reitzenstein, dem Sitz der Landesregierung, eine Einsatzbesprechung gegeben, an der der Ministerpräsident, nicht aber der eigentlich zuständige Innenminister teilgenommen habe. Ein von den Grünen und der SPD beantragter Untersuchungsausschuss des Landtags wird sich um Aufklärung bemühen. Seine Ergebnisse könnten das Ansehen der regierenden CDU/FDP-Koalition, das ohnehin durch Stuttgart 21 gelitten hat, weiter beschädigen und ihren Sieg bei den Landtagwahlen am 27. März 2011 gefährden.

Bemerkenswert ist, dass sich die Gegner des Projekts bisher nicht zu Gewalttaten haben provozieren lassen. Selbst die am Tag darauf im Schlossgarten abgehaltetene Kundgebung mit mehreren zehntausend Teilnehmern blieb friedlich, obwohl sie in unmittelbarer Nähe zum Ort des Geschehens stattfand. Die Versuche, den Demonstranten gewalttätige Provokationen zu unterstellen, erwiesen sich als unhaltbar. Die Pflastersteine, die angeblich geworfen wurden, erwiesen sich bei Lichte besehen als Kastanien. Selbst wenn vereinzelt Feuerwerkskörper geflogen sein sollten, ist das kein ausreichender Grund für den brutalen Einsatz, zumal nicht ausgeschlossen werden kann, dass es sich dabei um eingeschleuste Provokateure handelte.

Der Schock, den der Polizeieinsatz am schwarzen Donnerstag in der Öffentlichkeit auslöste, veranlasste die Landesregierung, Schlichtungsgesprächen unter Leitung des erfahrenen Schlichters Heiner Geißler, zuzustimmen. Es bleibt abzuwarten, was dieses Experiment in Transparenz und Offenheit erbringen wird. Die Lösung des Konflikts durch einen Schlichterspruch, dem beide Seiten zustimmen, ist jedoch äußerst unwahrscheinlich, da der Konflikt im Unterschied zum Tarifkonflikt nicht kompromissfähig ist. Bei S 21 und K 21 gibt es letzten Endes nur ein Entweder-Oder: Entweder geht der Bahnhof unter die Erde, oder er bleibt oben, wie die Gegner des Projekts nicht müde werden, in Sprechchören zu fordern. Auch ein Volksentscheid, wie von der SPD favorisiert, wird vermutlich keine Lösung bringen, da die gesetzlichen Voraussetzungen dafür erst geschaffen werden müssten.

So richten sich denn die Hoffnungen der Gegner des Projekts auf die Landtagswahl im März 2011. In der Tat ergeben die Umfragen derzeit rechnerisch eine Mehrheit für eine grün-rote Koalition. Dass sie sich aber in eine Mehrheit an der Wahlurne umsetzen lässt, ist extrem unwahrscheinlich, da eine einzelne Sachfrage nur in seltenen Fällen wahlentscheidend ist. Sollte die Unzufriedenheit der Wähler mit der Landes- und der Bundespolitik bis dahin allerdings dramatisch zunehmen, ist eine "Denkzettelwahl" nicht ausgeschlossen.

Resumé

Der weitere Verlauf des Konflikts bleibt spannend. Bahn, Stadt, Land und Bund sind entschlossen, das Projekt Stuttgart 21 durchzusetzen, zumal die Bundeskanzlerin in einer Bundestagsdebatte die Landtagswahl zu einem Plebizit über Stuttgart 21 und die Zukunft des Landes Baden-Württemberg ausgerufen hat. Die Gegner des Projekts sind jedoch nicht weniger entschlossen, es zu verhindern. Eines kann man aber schon jetzt mit Gewissheit sagen: Selbst wenn Staat und Wirtschaft ein Projekt mit aller Macht durchsetzen wollen, werden sie am gewaltfreien Widerstand der betroffenen Bevölkerung scheitern, vorausgesetzt - und diese Bedingung ist entscheidend - sie ist bereit, den Preis zu bezahlen, den gewaltfreier Widerstand nun mal kostet.

Nach dem Schlichterspruch

Mittlerweile kennen wir den Schlichterspruch, mit dem Heiner Geißler den "Faktencheck" abgeschlossen hat. Wie ist das Verfahren und sein Ergebnis zu bewerten? - Ich bewerte beides, trotz mancher Einschränkung, überwiegend positiv. Das Verfahren sollte bei ähnlich kostspieligen und umstrittenen Projekten Schule machen. In Stuttgart krankte es allerdings von Anbeginn daran, dass es zu spät kam. Zehn Jahre früher und S 21 wäre sang- und klanglos in der Versenkung verschwunden, selbst wenn der gesellschaftliche Wandel, der eine gewichtige Ursache für den gewaltfreien Aufstand ist, damals noch keine so große Rolle spielte. Das Projekt wäre am Missverhältnis zwischen Kosten und Nutzen gescheitert. Der Schlichterspruch trägt der Tatsache Rechnung, dass die Eigendynamik des Projekts und die dahinter stehenden gesellschaftlichen Kräfte viel zu stark sind, um dem Schlichter ein ablehnendes Votum zu erlauben.

Nun heißt es: Ring frei für die nächste Runde in der Auseinandersetzung! Gehen wir, die Gegner, gestärkt oder geschwächt in diese Runde? Schwer zu sagen. Mein persönlicher Eindruck: gestärkt. Ob das zutrifft, kann jedoch nur die Zukunft zeigen.

Dr. Wolfgang Sternstein (Stuttgart), ist Friedens- und Konfliktforscher mit dem Schwerpunkt Theorie und Praxis der gewaltfreien Aktion. Seit 1975 ist er in der Bürgerinitiativen-, Ökologie- und Friedensbewegung aktiv. Er hat an zahlreichen gewaltlosen Aktionen teilgenommen, stand deswegen mehr als ein Dutzend Mal vor Gericht und war neunmal für sein gewaltfreies Engagement im Gefängnis. Er ist Vorsitzender und Mitarbeiter des Instituts für Umweltwissenschaft und Lebensrechte (UWI) und unter anderem Mitglied von Lebenshaus Schwäbische Alb.

 

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Veröffentlicht am

03. Dezember 2010

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