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Die mysteriösen “Laptop-Dokumente” - Mit gefälschten Geheimdienst-Papieren soll ein präemptiver Atomkrieg gegen den Iran gerechtfertigt werden

Von Michel Chossudovsky, Global Research, 24.11.2010

Der UN-Sicherheitsrat hat am 9. Juni 2010 die Verhängung einer vierten Runde weitreichender Sanktionen gegen die Islamische Republik Iran beschlossen. Die Resolution 1929 fordert neben einem verschärften Waffenembargo auch "schärfere finanzielle Kontrollen".

Aus der Resolution 1929 vom 9. Juni 2010: (Der UN-Sicherheitsrat) beschließt, dass alle Staaten die Lieferung, den Verkauf oder den Transfer von Kampfpanzern, gepanzerten Kampffahrzeugen, großkalibrigen Artilleriesystemen, Kampfflugzeugen, Angriffshubschraubern, Kriegsschiffen, Flugkörpern oder Flugkörpersystemen, … sei es auf direktem oder indirektem Weg und gleichviel ob sie ihren Ursprung in ihrem Hoheitsgebiet haben oder nicht, von ihrem Hoheitsgebiet aus oder durch ihr Hoheitsgebiet oder durch ihre Staatsangehörigen oder ihrer Hoheitsgewalt unterstehende Personen oder unter Nutzung von Schiffen oder Luftfahrzeugen, die ihre Flagge führen, an Iran verhindern werden, beschließt ferner, dass alle Staaten die Bereitstellung von technischer Ausbildung, Finanzmitteln oder -dienstleistungen, Beratung, anderen Dienst- oder Hilfeleistungen im Zusammenhang mit der Lieferung, dem Verkauf, dem Transfer, der Bereitstellung, der Herstellung, der Wartung oder dem Einsatz solcher Rüstungsgüter und sonstigen Wehrmaterials an Iran durch ihre Staatsangehörigen oder von ihrem Hoheitsgebiet aus oder durch ihr Hoheitsgebiet verhindern werden, und fordert in diesem Zusammenhang alle Staaten auf, Wachsamkeit und Zurückhaltung in Bezug auf die Lieferung, den Verkauf, den Transfer, die Bereitstellung, die Herstellung und den Einsatz aller anderen Rüstungsgüter und sonstigen Wehrmaterials zu üben … " (s. dazu auch un.org/News/Press Übersetzung entnommen aus UNResolution_Iran

Sowohl die Russische Föderation als auch die Volksrepublik China gaben dem Druck der USA nach und stimmten der Resolution 1929 des UN-Sicherheitsrates zu. Im November gab Moskau unter Berufung auf eine Anordnung des Präsidenten Dmitri Medwedew die Annullierung eines Abkommens zur militärischen Zusammenarbeit mit dem Iran bekannt, das die Lieferung von Luftabwehrraketen des Typs S-300 (s. wikipedia.org ) vorsah.

Ohne russische Militärhilfe ist der Iran eine "leichte Beute". Sein Luftverteidigungssystem hängt von einer fortlaufenden militärischen Zusammenarbeit mit Russland ab.

Diese Entwicklung zielt auf das Zentrum der Struktur bestehender militärischer Abkommen. Russland und China können jetzt ihrem De-facto-Verbündeten Iran keine strategische oder konventionelle Waffen und keine andere Militärtechnologie mehr verkaufen. Das ist auch eines der Hauptziele der Resolution 1929, die Washington durchzusetzen entschlossen ist.

Gefälschte Geheimdienst-Papiere

Die Resolution 1929 des UN-Sicherheitsrates basiert auf einer total falschen Annahme. Sie geht davon aus, dass der Iran nach Atomwaffen strebt und die globale Sicherheit bedroht. Der UN-Sicherheitsrat hat damit die aus den USA, der NATO und Israel bestehenden Militärallianz zu einer Strafaktion ermächtigt und ihr grünes Licht für eine Bedrohung des Irans mit einem präemptiven Atomangriff gegeben.

Die Argumentation der USA im UN-Sicherheitsrat hat sich teilweise auf Geheimdienst-Dokumente gestützt, die angeblich "Beweise" dafür liefern, dass der Iran ein Atomwaffen-Programm betreibt.

Im November 2005 veröffentlichte die NEW YORK TIMES / NYT einen Bericht von William J. Breit und David E. Sanger mit dem Titel "Relying on Computer, U.S. Seeks to Prove Iran’s Nuclear Aims" (Unter Berufung auf einen Computer versuchen die USA dem Iran das Streben nach Atomwaffen nachzuweisen. (Der Artikel ist aufzurufen unter nytimes ) Die in der NYT veröffentlichten Beschuldigungen Washingtons beruhen auf Dokumenten, "die angeblich von einem iranischen Computer stammen, den ein Unbekannter gestohlen und 2004 einem US-Geheimdienst übergeben haben soll". (s. luftpost-kl.de/luftpostarchiv )

Zu diesen Dokumenten gehören auch "eine Reihe von Zeichnungen zu einem Wiedereintrittskörper einer Rakete", der angeblich eine im Iran hergestellte Atomwaffe aufnehmen könnte:

"Mitte Juli luden höhere Offizielle eines US-Geheimdienstes führende Mitglieder der International Atomic Inspection Agency (Statt "Inspection" muss es wohl "Energy" heißen!) in das oberste Stockwerk eines Wolkenkratzers in Wien ein, von dem aus die Donau zu überblicken ist, und informierten sie über Dokumente, die - wie sie sagten - auf einem gestohlenen iranischer Laptop gespeichert waren.

Die US-Amerikaner projizierten diese auf eine Leinwand und breiteten auf einem Konferenztisch eine Auswahl aus mehr als eintausend Seiten aus, die aus iranischen Computersimulationen und Berichten über (angeblich im Iran durchgeführte) Experimente stammen sollten; dazu erklärten sie nach Aussage eines halben Dutzends an dem Treffen beteiligter Europäer und US-Amerikaner, die Materialien belegten, dass im Iran seit langem Versuche zur Konstruktion eines atomaren Sprengkopfs liefen.

Die US-Amerikaner gaben gleich zu Beginn zu, die Dokumente seinen kein Beweis dafür, dass der Iran bereits über eine Atombombe verfüge. Sie präsentierten sie aber als eindeutige Beweise dafür, dass der Iran trotz seiner Beteuerung, sein Atomprogramm diene nur friedlichen Zwecken, gleichzeitig versuche, einen kompakten (Atom-)Sprengkopf zu entwickeln, der auf seine Shahab-Rakete passe, die Israel und andere Staaten im Mittleren Osten erreichen könnte (s. ebenfalls nytimes ).

Diese "geheimen Dokumente" wurden anschließend vom US-Außenministerium der International Atomic Energy Agency / IAEA übergeben, als Nachweis dafür, dass der Iran an einem Atomwaffen-Programm arbeite.

Die Echtheit dieser Dokumente wurde zwar schon wiederholt angezweifelt, aber in einem kürzlich veröffentlichten Artikel hat der investigative Journalist Gareth Porter zweifelsfrei nachgewiesen, dass die mysteriösen Laptop-Dokumente Fälschungen sind. Die in den Dokumenten enthaltenen Zeichnungen beziehen sich auf eine veraltete nordkoreanische Rakete, die der Iran (angekauft, aber) Mitte der 1990er Jahre ausgemustert hat.

Wie dumm, dass die vom US-Außenministerium präsentierten Zeichnungen den "falschen Raketensprengkopf" abbilden:

"Mitte Juli 2005 versuchte Robert Joseph, Staatssekretär für Rüstungskontrolle und internationale Sicherheit im US-Außenministerium, die IAEA für die Absicht der Bush-Administration zu gewinnen, die "Dokumente" zum Atomwaffen-Programm des Irans dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vorzulegen; deshalb stellte er führenden Offiziellen der IAEA in Wien in einer formellen Präsentation die Materialien vor, die angeblich belegten, dass der Iran ein Atomwaffen-Programm betrieb. Joseph projizierte einen Teil der Dokumente auf eine Leinwand und lenkte die Aufmerksam besonders auf eine Reihe technischer Zeichnungen und Skizzen, die 18 verschiedene Möglichkeiten zur Unterbringung einer nicht näher bezeichneten Nutzlast in dem Wiedereintrittskörper oder "Sprengkopf" der Shahab-3 (s.
wikipedia ), einer ballistischer Mittelstreckenrakete des Irans, zeigten.

Als Analysten der IAEA erlaubt wurde, die Dokumente zu prüfen, stellten sie fest, dass die Skizzen sich auf einen Wiedereintrittskörper bezogen, den das iranische Militär nach ihren Kenntnissen zugunsten eines neuen verbessertes Modells bereits ausgemustert hatte. Der in den Skizzen dargestellte Sprengkopf hatte die vertraute Form einer "Schultüte" - wie die in Nordvietnam entwickelte Nodong-Rakete (s. wikipedia ), die der Iran Mitte der 1990er Jahre erworben hatte; das hat auch Olli Heinonen, der ehemalige Chef der Sicherheitsabteilung der IAEA, dem Autor dieses Artikels in einem am 5. November geführten Interview bestätigt. Der Sprengkopf der neuen Rakete, die der Iran Mitte des Jahres 2004 im Flug testete, hatte aber nicht die Form einer Schultüte sonder erinnerte eher an eine Babyflasche und war aerodynamischer als der Sprengkopf der ursprünglichen iranischen Rakete.

Auf den Laptop-Dokumenten ist der falsche Wiedereintrittskörper dargestellt, nicht der neu entworfene." (Die Übersetzung dieser und der nachfolgenden Passage aus dem Artikel Gareth Porters haben wir ungekürzt aus der LUFTPOST 227/10 übernommen, s. luftpost-kl.de/luftpost-archiv )

Wer steckte hinter der Produktion der gefälschten Geheimdienst-Papiere? Gareth Porter hält den israelischen Mossad für den Urheber der gefälschten Dokumente über ein angebliches iranisches Atomwaffen-Programm:

"Der Ursprung der Laptop-Dokumente wird wahrscheinlich niemals endgültig zu klären sein, aber die bisher aufgetauchten Hinweise deuten darauf hin, dass Israel dahinter steckt. Bereits 1995 hat Yaakov Amidror, der Chef des Geheimdienstes der israelischen Streitkräfte, erfolglos versucht, seine Partner in der USA davon zu überzeugen, dass der Iran den Bau von Atomwaffen plane. Von 2003 bis 2004 seien Berichte des Mossad über ein iranisches Atomwaffen-Programm von hohen CIA-Mitarbeitern als Versuch angesehen worden, die Regierung Bush dazu zu bringen, über eine Militäraktion gegen die Atomanlagen des Irans nachzudenken, berichtete unter Zitierung einer israelischen Quelle eine pro-israelische Nachrichtenagentur."

Lügen und Fälschungen zur Rechtfertigung einer Militäraktion

Die Laptop-Dokumente waren unverzichtbar für die Begründung der von den USA im UN-Sicherheitsrat durchgesetzten Sanktionen:

Wieder handelt es sich um einen klaren Fall von Betrug mit gefälschten Geheimdienst-Dokumenten, der vergleichbar ist mit der von Colin Powell im Februar 2003 im UN-Sicherheitsrat vorgeführten Präsentation über die angeblich im Besitz des Iraks befindlichen Massenvernichtungswaffen. Die damals präsentierten, ebenfalls von Geheimdiensten gefälschten Dokumente dienten als Rechtfertigung für den im März 2003 beginnenden Überfall auf den Irak.

"Der Mangel an tatsächlichen Beweisen spricht für sich selbst. In den Monaten vor dem Krieg im Irak überschwemmte die Bush-Administration die Mitglieder des US-Kongresses und Repräsentanten einzelner Länder in den Vereinten Nationen mit Hunderten von Seiten aus Geheimdienstberichten, die belegen sollten, dass der irakische Präsident Saddam Hussein über Tonnen von chemischen und biologischen Waffen verfüge und ein Atomwaffen-Programm betreibe.

Die von der CIA und der Defense Intelligence Agency - einem Geheimdienst des Pentagons, der Erkenntnisse ausländischer Geheimdienste auswertet - zur Verfügung gestellten (Fehl-)Informationen, wurde von der Bush-Administration benutzt, um die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass der Irak eine Bedrohung für die Welt darstelle." (s. globalresearch )

Wieder versuchen die USA mit von Geheimdiensten ins Spiel gebrachten Fälschungeneinen Krieg zu rechtfertigen.

Die Begründung, mit der die USA (erneut) den UN-Sicherheitsrat getäuscht haben, ist hinfällig. Da stellt sich doch die wichtige Frage, ob Russland und China ihre Zustimmung zu  den Sanktionen gegen den Iran nicht revidieren werden?

Wird sich die Antikriegsbewegung der USA den Plänen Washingtons, einen mit gefälschten Geheimdienst-Papieren gerechtfertigten Atomkrieg gegen Iran vom Zaun zu brechen, in den Weg stellen?

Quelle: Luftpost vom 01.12.2010. Originalartikel:  The Mysterious "Laptop Documents". Using Fake Intelligence to Justify a Pre-emptive Nuclear War on Iran . Übersetzung und Anmerkungen: Wolfgang Jung. Informationen über Michel Chossudovsky sind aufzurufen unter http://de.wikipedia.org/wiki/Michel_Chossudovsky .

Veröffentlicht am

02. Dezember 2010

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