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Schreiben an Gammertinger Bürgermeister wegen “Bundeswehrpatenschaft” und Unterstützung des Afghanistan-Krieges (II)

Fortsetzung von Teil I

Die Stadt Gammertingen (Kreis Sigmaringen) ist - wie rund 700 andere Gemeinden in Deutschland - eine "Patenschaft" mit einer Bundeswehreinheit eingegangen. Dagegen gibt es Proteste, die von Lebenshaus Schwäbische Alb initiiert wurden (siehe "Offener Brief" an Bürgermeister wegen Unterstützung des Afghanistan-Krieges ). Unterstützt wird unsere Aktion auch durch verschiedene Menschen, die sich per Brief, E-Mail oder Telefonat an Bürgermeister Jerg wenden. Sollte dies jemand machen, dann bitten wir darum, uns darüber zu informieren. Wir veröffentlichen hier eine Auswahl dieser Schreiben an Bürgermeister Jerg.

Schreiben an den Bürgermeister von Gammertingen, Herrn Holger Jerg

Dietrich Hyprath: Patenschaft und "Verabschiedungsappell" sind gewollte Werkzeuge zur Ebnung des Wegs für Kriegsakzeptanz

Herrn
Bürgermeister Holger Jerg
Hohenzollernstraße 5
72501 Gammertingen

Bundeswehr-Partnerschaft

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Jerg,

die Gemeinde Gammertingen unterhält eine Patenschaft mit der 4. Bundeswehr-Kompanie des Führungsunterstützungsbataillons 291 in Sigmaringen.

Sie haben als Bürgermeister der Stadt Gammertingen an einem "Verabschiedungsappell" in Sigmaringen teilgenommen, bei dem u.a. Soldatinnen und Soldaten in den Kriegseinsatz nach Afghanistan verabschiedet wurden. Ein Krieg, der bereits in statu nascendi verloren war.

Ich möchte nicht als Radikalpazifist verstanden werden; meinen achtzehnmonatigen Wehrdienst leistete ich zur Zeit der Kuba-Krise in Loyalität zur Bundeswehr und meinen Vorgesetzten ab: Gegen freiwillige Patenschaften wäre nichts einzuwenden, insofern wir von Streitkräften im Sinne des Grundgesetzes Art. 87a ausgingen. Hierbei wurde zur Zeit des Kalten Krieges an die Landesverteidigung gedacht, also an einen Gegner, der massiert über die Grenzen des Landes vorrücken könnte.

Dem ist aber heute nicht so, Herr Bürgermeister Jerg. Beide von Ihnen mitgetragenen Zustände und Maßnahmen sind deswegen scharf zu verurteilen, weil sie gewollte Werkzeuge sind, um den Weg für eine Kriegsakzeptanz in der deutschen Bevölkerung zu ebnen und die Teilnahme an Angriffskriegen der Bundeswehr als Normalität erscheinen zu lassen. Dem deutschen Volk werden Angriffskriege als "Friedenssicherung" und als "Verteidigung der Bundesrepublik am Hindukusch" oder am Horn von Afrika verkauft. "Friedenssicherung" ist heute ein gängiger Euphemismus, der für neokoloniale Raubzüge steht.

Der Beweis:

In einem Auszug aus BT-Drucksache 17/2581 vom 14. Juli 2010 über "Sinn, Zweck, Umfang und Kosten von Partnerschaften von Städten, Gemeinden und Landkreisen mit Einheiten der Bundeswehr" heißt es: "Patenschaften von Einheiten und Verbänden der Bundeswehr mit Städten und Gemeinden sollen das Verständnis der Bürgerinnen und Bürger für die Bundeswehr als Instrument einer wehrhaften Demokratie zur ‘Friedenssicherung’ fördern".

An derartig grenzdebile Feststellungen glauben mehr als siebzig Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung n i c h t. Das soll auch in Gammertingen und anderswo so bleiben!

Begründung:

Seitdem das Bundes-"Verfassungsgericht" mittels eines Taschenspielertricks im Juli 1994 militärische Einsätze der Bundeswehr in aller Welt für "verfassungsgemäß" erklärt hat, wurden kleinere und größere Kontingente der Bundeswehr zu zahlreichen Einsätzen in fremde Kontinente entsandt, die unnötigerweise reale Gefahren für Leib, Leben und Gemüt deutscher Soldatinnen und Soldaten mit sich brachten.

Mit dem Urteil des Bundes-"Verfassungsgerichts" wurde der "verfassungsgemäße" Zweck der Bundeswehr als eine Verteidigungsarmee nach Art. 87a(1) GG geräuschlos beseitigt.

Die Bundeswehr mutierte von einer Verteidigungsarmee zu einer Angriffsarmee. Kapitel 5 der "Zentrale Dienstvorschrift" ZDv beschreibt den militärischen Dienst unter Einsatzbedingungen. In Kapitel 5 der ZDv 10/1 aus dem Jahre 2008 heißt es: "der militärische Dienst erfordert in letzter Konsequenz, im Kampf zu töten und dabei das eigene Leben und das Leben von Kameraden einzusetzen."

Für Soldatinnen und Soldaten, Söldner und Guerilleros in aller Welt, ist das eine Binsenweisheit. Ein extra zu diesem Zwecke errichtetes Ehrenmal soll aber glauben machen, dass Angehörige deutsche Streitkräfte für ihr Vaterland gefallen sind und noch fallen werden. Auch das ist eine dreiste Lüge: Die Bundeswehr ist durch die Bedeutungslosigkeit des Art. 87a GG sowie durch deren Bündnisverpflichtung mit der NATO zu einer Vasallen-Armee im Dienste des US Imperialismus geworden.

"Angela Merkel unterzeichnet die Kanzlerakte und spricht vor dem amerikanischen Repräsentantenhaus. Dafür müssen wir die Lasten des internationalen Engagements der USA - etwa in Afghanistan schultern" behauptet (aus nicht gesicherter Quelle) Dr. Josef Braml, Redakteur "Jahrbuch Internationale Politik", Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. DGAP.

Mit welch "feiner" Gesellschaft sind wir im Bunde?

Bundeswehr Soldatinnen und Soldaten werden von den derzeitigen Hegemonialmächten für Angriffskriege missbraucht. Für Völkermorde (Kunduz-Affaire) wird ihnen von höchsten Instanzen Absolution erteilt. Dabei galten Angriffskriege nach Art. 26 GG als verfassungswidrig sowie nach §§ 80 ff StGB strafbar.

Der "Große Vorgesetzte" USA hat mehrere Völkerrechtsverträge nicht ratifiziert: die beiden Zusatzprotokolle der Genfer Rotkreuzkonventionen und das Staut des Internationalen Strafgerichtshofs im Haag. Zwecks Formvollendung, hier die jüngste Äußerung von Barack Obama: "Streubomben sind weiterhin unverzichtbar; sie sind legitime Waffen mit einem klaren militärischen Auftrag."

Für deutsche Soldaten in Afghanistan, auf dem Balkan oder in Ostafrika gilt hingegen das über Jahrzehnte hin entwickelte humanitäre Völkerrecht, das verbindlich und konkret Kämpfe in bewaffneten Konflikten regelt (vergl. FAZ v. 16.04.2010 "Jenseits der Grenzen" von Robert Lucius). Alleine hier fällt eine deutliche Inkompatibilität von Kombattanten innerhalb des NATO Bündnisses auf.

Mit dem Willen der regierenden Parteien und des Bertelsmann Think Tank soll sich das aber schnell ändern!

Totalrevisionisten und Technokraten fordern, dass mit der Transformation der Bundeswehr zur Einsatzarmee nun wieder vom Krieg aus gedacht und eine entsprechende geistige Ausrichtung stattfinden müsse. Einher damit "gehe die Wiedergeburt des Soldatischen und das Leitbild des Kämpfers. Der Einfluss der Zivilgesellschaft auf die Armee und das Leitbild des Staatsbürgers in Uniform seien für eine Einsatzarmee nicht mehr akzeptabel" (Elmar Wiesendahl: "Innere Führung für das 21. Jahrhundert - Die Bundeswehr und das Erbe Baudissins"). "Die Deutschen müssen das Töten lernen". So äußerten sich Vertreter der Regierung George W. Bush gegenüber Karsten Dietrich Voigt, dem einstigen Regierungsbeauftragten für deutsch-amerikanische Beziehungen zur Lage in Afghanistan (Der Spiegel, Nr. 47 vom 20.11.2006).

"So it’s a hell of a lot of fun to shoot them. Actually it’s quite fun to fight them, you know. It’s a hell of a shoot. It’s fun to shoot some people. I’ll be right up there with you. I like brawling."
Quelle: http://en.wikiquote.org/wiki/JamesMattis

Wortwahl und Syntax lassen hinter diesem Gestammel einen Neandertaler vermuten. Tatsächlich stammt die Phraseologie vom neu ernannten obersten Chef der US-Angriffskriege im Irak, Mittleren Osten, Afghanistan und Zentral Asien, dem Marine Corp. General James N. Mattis, auch "verrückter Hund" genannt. Er wurde im Juli durch die Obama-Administration eingesetzt.

Mattis ist ein Veteran des völkerrechtswidrigen Angriffs-Krieges im Irak 1991 (Operation Desert Storm). Er zog seine Spur des Todes und der Verwüstung in 2001 (Invasion in Süd-Afghanistan) und gleichfalls 2003 während der Invasion im Irak nach sich.

Besonders mord- und blutdürstig gebärdete sich Mattis aber im April 2004 während der Attacke auf die irakische Stadt Fallujah, wo die Stadt zerstört und tausende Zivilisten durch die Kommandos Mattis massakriert wurden. (Quelle: http://www.wsws.org/articles/2010/jul2010/pers-j12.shtml )

Layla Anwar schreibt in einem Artikel: "Falluja schlimmer als Hiroshima": "Falluja ist eine verbotene Stadt. Sie wurde intensiv im Jahr 2004 bombardiert, sowohl mit DU-Bomben als auch mit Weißen-Phosphor-Bomben und ist seither eine no-go-zone geworden. Die massiven Mengen an Uran, denen die Leute in Falluja ausgesetzt wurden, führten auch zu dem schwindelerregenden Anstieg von Lungen-, Lymphknoten- und Brustkrebs bei Erwachsenen. Zitat Pof. Chris Busby: "Die Situation in Falluja ist erschreckend und grauenhaft; sie ist gefährlicher und schlimmer als Hiroshima." Der Artikel von Layla Anwar kann nachgelesen werden unter: http://www.radio-utopie-de/2010/07/07/falluja-schlimmer-als-hiroshima/

Die Studie "Cancer, Infant Mortality and Birth Sex-Ratio in Falluja, Iraq 2005-2009" von Chris Busby - Malak Hamdan und Entesar Ariabi ist erschienen im "Intarnational Journal of Environmental Research and Public Health" und nachzulesen unter: http://www.mdpi.com/1660-4601/7/7/2828/pdf

NATO-Kreuzzüge und "Friedenssicherungen" hinterlassen den heimgesuchten Ländern wahrlich eine "strahlende" Zukunft!

Dass der Zug in die falsche Richtung läuft, das haben wohl schon die Sanitätsoffiziere bemerkt. In beträchtlicher Zahl verlassen die Mediziner die deutschen Streitkräfte.

Und in absehbarer Zeit werden Sie, Herr Bürgermeister und Gleichgesinnte, weitere Soldatinnen und Soldaten verabschieden. Und zwar nach Persien.

Der Verteidigungsminister (besser: Kriegsminister) Karl-Theodor zu Guttenberg hat uns anlässlich der Trauerfeier für vier in Afghanistan getötete Soldaten den schicksalsschweren Hinweis auf die Bombardierung des Iran gegeben. Er sagte: "Tod und Verwundung sind Begleiter unserer Einsätze geworden, und sie werden es auch in den nächsten Jahren sein - nicht nur in Afghanistan!"

Die Kanzlerin Merkel hatte hierfür den Boden mit Hilfe psychologischer Kriegsführung durch ihre Rede vor der Knesset am 18. März 2008 geschickt vorbereitet. Sie sagte: "Die historische Verantwortung Deutschlands ist Teil der Staatsräson meines Landes. Das heißt, die Sicherheit Israels ist für mich als deutsche Bundeskanzlerin niemals verhandelbar - und wenn das so ist, dann dürfen das in der Stunde der Bewährung keine leeren Worte bleiben".

Frau Merkel ist damit zum Sicherheitsrisiko Nummer Eins für die Bundesrepublik geworden, indem sie über Krieg und Frieden unseres Landes entscheidet. Wie sagte doch Guthe Schnaper, die Ehefrau von Mayer Amschel Rothschild? "Wenn meine Söhne den Krieg nicht wollten, so gäbe es keinen!" Die Söhne wollen ihn aber, weil sie bestens daran verdienen.

Vielleicht können Sie, verehrter Herr Bürgermeister Jerg, dazu beitragen, die Kriegsrisiken zumindest zu begrenzen. Erteilen Sie der US-amerikanischen Hegemonialpolitik eine klare Absage, indem Sie und Ihre Kollegen

  • Bundeswehr-Partnerschaften aufkündigen
  • die Verbannung von Killer-Computerspielen aus Kinder- und Jugendzimmern fordern
  • die Verurteilung von hochrangigen Kriegsverbrechern vor einem internationalen Tribunal einklagen
  • sich einsetzen für die Dekontaminierung und Entschädigungsleistungen nach dem Verursacherprinzip an Staaten und Personen, denen Schaden durch Uranwaffen zugefügt wurden
  • sich gegen den Verbleib der Bundesrepublik Deutschland im NATO-Kriegsbündnis aussprechen.

Mit freundlichen Grüßen,
Dietrich Hyprath

Kopie:
Lebenshaus Schwäbische Alb e.V.
info@lebenshaus-alb.de

Streitkräfteamt InfoService Bürgerfragen
bwbuergerfragen@bundeswehr.org

Darmstädter Signal d.s.
JoergWiebach@Darmstaedter-Signal.de

Deutscher BundeswehrVerband e.v.
Marcus.Garbers@dbwv.de

Verband deutscher Soldaten e.V.
vds.bund.bonn@t-online.de

Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegnerinnen
office@dfg-vk.de

(10.08.2010)

Edith und Horst Reißlandt: Die afghanische Gesellschaft lässt sich mit friedlicher Unterstützung verändern

Sehr geehrter Herr Jerg,

wir möchten Bezug nehmen auf die Patenschaft der Stadt Gammertingen für eine Bundeswehr-Kompanie.

Durch unsere Mitgliedschaft im Lebenshaus-Verein haben wir Kenntnis von dem offenen Brief unseres Friedensfreundes Michael Schmid erhalten.

Wir sind froh, daß es noch Menschen wie ihn gibt, die versuchen, der Anerkennung des Kriegsspiels für fremde Interessengruppen den Friedensdienst entgegen zu stellen.

Wir finden, daß eine Patenschaft für hochbezahlte Fremdenlegionäre, die bewußt bereit sind gegen das christliche Gebot "Du sollst nicht töten" zu verstoßen, mehr mit Zurückhaltung betrachtet werden sollte.

Meine Frau und ich sind Kinder des 2. Weltkrieges. Millionen Todesopfer, Millionen Vertriebene aus ihrer Heimat war der Preis für diesen Irrsinn.

Und schon ist Deutschland wieder dabei bei dieser Schweinerei. Was glauben Sie, wie oft uns Gott noch die Chance des Umdenkens gibt?

Den Frieden in der ganzen Welt anzustreben, ist doch das Ziel der meisten Völker.

Die Waffenschmiede der Kriegsgewinnler läuft auf höchsten Touren, die sind nicht an Frieden interessiert.

Und für dieses schmutzige Geschäft sollten doch unsere jungen Leute nicht eingespannt werden. Wir brauchen junge Frauen und junge Männer für wichtigere Aufgaben in unserem eigenen Land.

Die afghanische Gesellschaft lässt sich mit friedlicher Unterstützung verändern, selbst wenn es Generationen dauert.

Mit Gewalt wird nur Gegengewalt erzeugt.

Bei allem was wir tun, gibt es zwei Seiten. Vielleicht ist diese Patenschaft auch als Seelsorge für die verirrten Schafe gedacht und Sie haben es im christlichen Sinne gemeint, um den traumatisierten Jungens und Mädchen bei ihrer möglichen Rückkehr ins normale Leben zu verhelfen.

Wir würden uns freuen, es so ausgelegt zu sehen.

Mit freundlichem Gruß
Horst und Edith Reißlandt

(15.09.2010)


Zu Teil I:  Schreiben an Gammertinger Bürgermeister wegen "Bundeswehrpatenschaft" und Unterstützung des Afghanistan-Krieges (I)

Siehe ebenfalls:

 

Veröffentlicht am

11. August 2010

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