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Howard Zinn: ‘The Bomb’

August 2010: 65 Jahre nach Hiroshima und Nagasaki

Von David Swanson, 21.07.2010 - After Downing Street / ZNet vom 21. Juli 2010

Das Buch des verstorbenen Autors Howard ZinnAnmerkung d. Übersetzerin: ‘The Bomb’ von Howard Zinn (2010 erschienen), das soeben erschienen ist, seziert auf brillante Weise einige der zentralen Mythen unserer militarisierten Gesellschaft. Wer das Buch von H.P. Albarelli Jr. ‘A Terrible Mistake: The Murder of Frank Olsen and the CIA’s Secret Cold War Experiments’ kennt, weiß, dass 2010 viele der Scheußlichkeiten, die Amerika französischen Städten angetan hat, zur Veröffentlichung kommt. Albarelli beschreibt in seinem Buch, wie die CIA eine ganze Stadt in LSD-Rausch versetzt hat - mit tödlichen Folgen. In ‘The Bomb’ beschreibt Howard Zinn den ersten Einsatz von Napalmbomben durch das US-Militär: Sie warfen das Napalm über der französischen Kleinstadt Royan ab. Alles, was damit in Kontakt gekommen sei, schreibt er - auch die Menschen - seien verbrannt. Zinn war einer der Bomberpiloten und somit an diesem furchtbaren Verbrechen beteiligt.

Mitte April 1945 war der Krieg in Europa praktisch schon zu Ende. Alle wussten, dass es vorbei war. Es gab keinen militärischen Grund (ein Oxymoron?) die deutschen Soldaten, die nahe des französischen Royan stationiert waren anzugreifen, ganz zu schweigen von einer Begründung, die französischen Männer, Frauen und Kinder dieser Stadt zu verbrennen. Bereits im Januar hatten die Briten Royan zerstört. Sie hatten es aus demselben Grund bombardiert - nämlich der deutschen Truppen wegen, die in der Nähe stationiert waren. In weiten Kreisen war von einem tragischen Irrtum die Rede. Tragische Irrtümer gehörten nun einmal unweigerlich zu einem Krieg, lautete die Begründung. Das galt auch für jene fürchterlichen Brandbomben, die ihre deutschen Ziele erfolgreich trafen und das galt später für die Bombardierung Royans mit Napalm. Zinn gibt dem Alliierten Oberkommando die Schuld. Dieses hätte - in den letzten Kriegswochen - noch einen weiteren "Sieg" einfahren wollen, obwohl der Krieg bereits gewonnen war. Er gibt den ehrgeizigen militärischen Oberbefehlshabern vor Ort die Schuld. Er gibt der amerikanischen Air Force die Schuld, weil sie die neue Waffe testen wollte. Er gibt allen Beteiligten Schuld - sich selbst wohl eingeschlossen. Er spricht "von dem stärksten aller Motive - dem gewohnheitsmäßigen Gehorsam (und) dass in allen Kulturen gelehrt wird, dass man nicht aus der Reihe tanzt, nicht über Dinge nachdenkt, über die man nicht nachzudenken hat", und er spricht "von dem negativen Motiv, sich nicht einmischen zu wollen und auch keinen Grund zu sehen, sich einmischen zu sollen".

Als Zinn aus dem Krieg in Europa heimkehrt, erwartet er, im Pazifik eingesetzt zu werden. Doch dann erfährt er aus den Nachrichten vom Bombenabwurf auf Hiroshima - und jubelt. Im August 2010 sind es genau 65 Jahre, seit dies geschah. Erst Jahre später begreift Zinn, welch unverzeihliche Verbrechen, in welch ungeheurer Größenordnung, der Abwurf der Atombomben auf Japan war. Die Tat erinnerte ihn in gewisser Weise an die letzte Bombardierung Royans. Der Krieg mit Japan war am Ende; die Japaner wollten den Frieden und waren bereit aufzugeben. Die einzige Bedingung, die von Japan gestellt wurde, war, der Kaiser solle bleiben dürfen. Diese Bitte wurde später gewährt. Doch Napalm war - wie die Atombombe - eine Waffe, die getestet werden sollte. US-Präsident Harry Truman wollte der Welt - und vor allem Russland - die Atombombe demonstrieren. Außerdem wollte er den Krieg mit Japan zu Ende bringen, bevor Russland sich einmischen konnte. Die furchtbare Art und Weise, in der dies geschah - Massenmord - ist durch nichts zu rechtfertigen.

Zinn geht noch einen Schritt zurück und entlarvt die Mythen rund um die Begründung für den Kriegseintritt der USA. Amerika, England und Frankreich seien Imperialmächte gewesen, die sich bei ihren aggressiven internationalen Ambitionen gegenseitig unterstützt hätten - beispielsweise auf den Philippinen. Allerdings hätten sie etwas dagegen gehabt, wenn Deutschland oder Japan das Gleiche taten. Gegen Aggression an sich hingegen wären sie nicht gewesen. Der Großteil der britischen und amerikanischen Zinn- und Gummi-Importe kam aus dem Südwestpazifik. Jahrelang, so Howard Zinn, hätten die USA deutlich gemacht, dass sie sich nicht für das Schicksal der verfolgten Juden in Deutschland interessierten. Und so, wie sie mit Afroamerikanern und japanisch stämmigen Amerikanern umsprangen, hätte deutlich gemacht, so Zinn, dass sie keine Antirassisten waren. Franklin D. Roosevelt beschrieb die Bombardierung ziviler Gebiete durch die Faschisten als "inhumane Barbarei". Später tat er dasselbe - in weit größerem Ausmaß - mit deutschen Großstädten. Dann folgte die Zerstörung von Hiroshima und Nagasaki. Es waren Zerstörungen nie gekannten Ausmaßes. In den Jahren davor hatte man die Japaner "entmenschlicht". Als Beispiel zeigt Zinn (in seinem Buch) ein Bild aus dem (amerikanischen) LIFE-Magazin, auf dem eine japanische Person zu erkennen ist, die oder der gerade verbrennt; darunter steht als Kommentar: "Es ist der einzige Weg". Das US-Militär ging diesen Weg weiter und warf die Bomben ab - obwohl ihnen bewusst war, dass dieser Krieg auch ohne weitere Bombardierungen zu Ende gehen würde und obwohl sie wussten, dass durch die Bomben auf Nagasaki auch US-Kriegsgefangene sterben würden.

Die Amerikaner ließen es zu, dass diese Dinge in ihrem Namen geschahen - so, wie die Deutschen und Japaner es zugelassen hatten, dass in ihrem Namen schreckliche Verbrechen begangen wurden. Mit der Klarheit, die Zinns Markenzeichen war, weist er darauf hin, wie das Wörtchen ‘wir’ missbraucht wird - um zu suggerieren, dass Regierung und Bevölkerung eins sind. Außerdem, so Zinn, werde das Wort benutzt, um ‘Bevölkerung’ und ‘Militär’ gleichzusetzen. Auf der anderen Seite würden die Völker anderer Länder - aufgrund der Taten ihrer Regierungen - dämonisiert. Das Buch weist einen besseren Weg, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen und macht seinen Standpunkt zu folgenden beiden Punkten klar:

Erstens. Es gibt Parallelen zwischen dem, was das US-Militär heute tut und den Verbrechen von damals; auch die unehrenhaften Motive seien die gleichen.

Zweitens. Die bösen Kriege und der so genannte "gute Krieg" hätten vieles gemeinsam. An diesem "guten Krieg" sei wenig bis gar nichts gut gewesen, so Zinns Meinung.

Howard Zinn hat sich in seinem Leben nur kurz in einem Krieg engagiert. Den Großteil seines Lebens widmete er dem Frieden. Mehr als fast jede(r) andere hat er sich für den Frieden eingesetzt - mehr als so manche Friedensnobelpreisträger.

David Swanson ist Mitglied von United for Peace and Justice (UFPJ) in den USA. Swanson hat einen Mastergrad in Philosophie. Er war als Nachrichtenreporter und Kommunikationsdirektor tätig (u. a. für Dennis Kucinich in dessen Präsidentschaftswahlkampf 2004). Er ist Medienkoordinator der International Labor Communications Association.

 

Quelle: ZNet Deutschland vom 30.07.2010. Originalartikel: Howard Zinn’s "The Bomb" . Übersetzt von: Andrea Noll.

Fußnoten

Veröffentlicht am

31. Juli 2010

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