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Obama will Moratorium für Offshore-Bohrungen nach Öl- und Gasvorkommen aufheben

Aufschrei der Umweltorganisationen

 

Von Amy Goodman und Juan Gonzalez, 01.04.2010 - Democracy Now!

Umweltschutzorganisationen verurteilen Obamas umstrittenen neuen Plan, große Seegebiete des Atlantik, der Golfregion und der Küsten vor Alaska für Bohrungen nach Öl- und Gasvorkommen freizugeben. Am Mittwoch hatte die Obama-Administration angekündigt, das seit langem geltende Moratorium aufzuheben, das Ölbohrungen entlang der amerikanischen Ostküste (vom Bundesstaat Delaware bis zur Central Coast von Florida) verbietet. Auch im Südosten der Golfküste sollen neue Seegebiete für Bohrungen freigegeben werden, so Obama. Auch Gebiete im arktischen Ozean, nördlich von Alaska, sind betroffen. Wir sprechen nun mit Brendan Cummings vom ‘Center for Biological Diversity’. Während Bushs Regierungszeit trug das Zentrum dazu bei, die Pläne der Bush-Regierung für Offshore-Bohrungen (die zwischen 2007 und 2012 umgesetzt werden sollten), zu vereiteln.

Unser Gast: Brendan Cummings, Direktor für öffentliches Land am ‘Center for Biological Diversity’

Juan Gonzalez: Umweltschutzorganisationen wenden sich massiv gegen Obamas umstrittenen neuen Plan, große Meeresgebiete im Atlantik, in der Golfregion und an den Küsten Alaskas für Offshore-Bohrungen nach Gas und Öl freizugeben. Am Mittwoch erklärten Obama und sein Innenminister Ken Salazar das seit langem gültige Moratorium für Ölbohrungen entlang der Ostküste (von Delaware bis zur Central Coast von Florida) für beendet. Im Südosten der Golfküste sollen ebenfalls neue Seegebiete für Bohrungen freigegeben werden, ebenso im arktischen Ozean, nördlich von Alaska. Damit wäre Bristol Bay, in Südwest-Alaska, das einzig noch verbliebene Schutzgebiet.

Obama verkündete dies am Mittwoch bei seinem Aufenthalt in der Andrews Air Force Base in Maryland. Er sagte (Zitat): "Diese Entscheidung ist mir nicht leichtgefallen".

(Einblendung)

Präsident Barack Obama: Es wird jene geben, die mit dieser Entscheidung ganz und gar nicht einverstanden sind - unter ihnen solche, die sagen (werden), wir sollten überhaupt keine neuen Bohrgründe freigeben. Aber ich möchte betonen, dass diese Ankündigung Teil einer breiteren Strategie ist, die uns wegführen wird von einer Wirtschaft, die mit fossilen Brennstoffen und ausländischem Öl läuft und hin zu einer (Wirtschaft), die sich mehr auf die Energieressourcen im eigenen Land und auf saubere Energien verlassen wird. Diese Umstellung wird jedoch nur dann gelingen, wenn sie unsere Wirtschaft kurz- und langfristig stärkt. Es wäre ein Fehler, diese Realität zu verkennen.

Andererseits wird es Einige geben, die argumentieren, wir gingen nicht weit genug, (und) die vorschlagen, wir sollten alle unsere Gewässer für die Suche nach Energien freigeben - ohne Einschränkung oder Rücksichtnahme auf die generelleren ökologischen und ökonomischen Folgen. Diesen Leuten habe ich Folgendes zu sagen: Wir besitzen weniger als zwei Prozent der Ölreserven dieser Welt; wir konsumieren mehr als 20 Prozent des Öls dieser Welt. Das bedeutet, mit Bohrungen alleine lässt sich unser Energieverbrauch langfristig nicht einmal annähernd decken. Im Interesse unseres Planeten und unserer Energieunabhängigkeit müssen wir jetzt mit dem Wandel hin zu sauberen Brennstoffen beginnen.

Die Antwort lautet also nicht, immer und überall zu bohren. Sie besteht auch nicht darin, die Tatsache zu ignorieren, dass wir einen Bedarf an vitalen Energiequellen haben - um unser Wirtschaftswachstum und unsere Sicherheit aufrechtzuerhalten. Letztendlich müssen wir die ermüdenden Debatten der Linken und Rechten, (die Debatten) zwischen Wirtschaftsführern und Umweltschützern, zwischen denen, die sagen, Bohrungen seien ein Allheilmittel und denen, die behaupten, sie hätten keine Berechtigung, hinter uns lassen, denn es ist ein zu wichtiges Thema, als dass wir zulassen dürften, dass der Fortschritt hinausgezögert wird, während wir immer wieder denselben alten Kampf führen. (Ende)

Amy Goodman: Die Öl-Industrie, Wirtschaftsgruppen und einige Republikaner haben auf den Vorschlag der Obama-Administration mit verhaltener Unterstützung reagiert, während Umweltorganisationen und eine Reihe von Demokraten sich besorgt zeigen.

Um mehr zu erfahren, sind wir nun am Telefon mit Brendan Cummings in Kalifornien verbunden. Er ist Direktor für Öffentliches Land am ‘Center for Biological Diversity’ (Zentrum für Biologische Vielfalt). Das Zentrum war damals einer der Kläger gegen den Originalplan der Regierung Bush. Dieser Plan sah Ölbohrungen zwischen 2007 und 2012 vor. Es ist nun ein Jahr her, seit das Aus für den Plan kam. Doch gleichzeitig wurde damals eine Überarbeitung des Planes angestoßen. Dieser (neue) Plan wurde gestern vorgestellt.

Brendan Cummings, willkommen bei Democracy Now!. Wie ist Ihre Reaktion auf Präsident Obamas Ankündigung?

Brendan Cummings: Eine furchtbare Enttäuschung. Was wir gestern sahen, war nicht etwa ein grundlegender Wandel gegenüber der gescheiterten Energiepolitik der Ära Bush-Cheney. Stattdessen begrüßte Obama mit ganzem Herzen eine Politik, die da lautet: Wir können unseren Weg aus der Klimakrise freibohren; wir können unseren Weg zu Energieunabhängigkeit freibohren. (Er sagte praktisch) es wird schon okay sein, einige der sensibelsten und ökologisch wichtigsten Regionen auf dem Territorium der USA dauerhaft zu opfern - um eines kurzfristigen politischen Vorteiles willen. Das ist eine schreckliche Enttäuschung. Wir hätten von diesem Präsident weit, weit Besseres erwartet.

Juan Gonzalez: Brendan Cummings - wie wichtig sind die Bohrungen, auch hinsichtlich der Versorgung mit Öl? Bereits vor 30 Jahren hatte sich die Regierung Reagan für Offshore-Bohrungen ausgesprochen. Es sei für die USA ein Weg, ein Beitrag, zur Etablierung von Unabhängigkeit im Energiebereich. Doch stattdessen haben wir immer mehr Öl verbraucht und sind immer abhängiger geworden von fossilen Brennstoffen, oder?

Brendan Cummings: Stimmt genau. Aber wenn wir im Energiebereich jemals unabhängig sein wollen, müssen wir weg vom Öl. Wir müssen uns Quellen erneuerbarer Energie zuwenden. Außerdem müssen wir unseren Energieverbrauch drastisch drosseln. Leider passiert keins von beidem.

Offshore nach Öl zu bohren, anschließend die neuen Ölfelder zu benennen und freizugeben (Leasing) - das alles ist ein sehr langer Prozess. Auf der anderen Seite setzt die Schädigung der Umwelt schon mit den ersten Probebohrungen und den seismologischen Studien ein, mit Dingen dieser Art. Das eigentliche Öl für die Märkte lässt Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, auf sich warten. Somit hat dies hier sehr wenig Einfluss auf die Ölwirtschaft - weder national noch global.

Die Auswirkungen bekommen jene Regionen zu spüren, in denen die Bohrungen durchgeführt werden. Und natürlich werden auch politische Auswirkungen nicht ausbleiben. Schließlich hat Obama im Grunde (seinen) Kritikern Recht gegeben - Leuten vom Schlage "drill, Baby, drill" (Sarah Palin - Anmerkung d. Übersetzerin), den er vor zwei Jahren, als er noch kandidiert hat, kritisch gegenüberstand. Jetzt scheint er deren Vorstellungen übernommen zu haben: Wir müssen dieses Zugeständnis machen, wir müssen Bohrungen zulassen, um eine positive Energiepolitik voranzutreiben. Aber das ist doch absurd.

Juan Gonzalez: Aber was ist mit seinem Argument, er wolle die ermüdenden alten Debatten zwischen den Linken und Rechten zu diesem Thema hinter sich lassen und eine neue, gemeinsame Grundlage beim Umgang mit dem Thema ‘Öl-Bohrungen vor den Küsten’ schaffen.

Brendan Cummings: Leider ist dieses Konzept nur allzu typisch für Obamas Energiepolitik. Ein Ölleck kennt keine Linken und keine Rechten. Es gibt noch keine Technologie, die es ermöglichen würde, einen Ölteppich unter arktischen Bedingungen zu entfernen. Bohrungen in der Chukchi- und der Beaufort-See vor Alaska kämen für die Eisbären, für die nativen Gemeinden, die entlang der Küste Alaskas leben und für die ohnehin gefährdeten Wale dieser Regionen wohl einem Desaster gleich. Es geht bei dieser Debatte weder um rechts noch um links - oder darum, alles unbedingt zu schützen. Es geht auch nicht um eine Energiepolitik, die Amerika einen besseren Zugang zu Energien verschaffen könnte. Man kann über Ölverschmutzung nicht debattieren, man kann sie nur verhindern. Es gibt Regionen in Amerika - Gebiete entlang unserer Küsten - die so sensibel sind, dass der einzige Weg, sie effektiv zu schützen, darin besteht, darauf zu verzichten, diese Gebiete jemals für Ölbohrungen freizugeben.

Amy Goodman: Wir sprechen mit Brendan Cummings (…) Wer profitiert von dieser neuen Politik, Brendan?

Brendan Cummings: Kurzfristig die Ölkonzerne. Nehmen wir das Beispiel Alaska. Das am heißesten umkämpfte Gebiet, wenn es um Leasing-Käufe (von Öl- oder Gasfeldern) geht, ist die Chukchi-See, die zu Alaska gehört. Unter Präsident Bush wurde sie für Bohrungen freigegeben, und im Februar 2008 für Leasing-Angebote. Diese Handlungsweise wurde praktisch von allen Demokraten des Kongresses verurteilt, auch von Obama selbst - aber gestern fand er es toll: "Wir werden zulassen, dass es voran geht".

Shell Oil plant, diesen Sommer noch dort zu bohren, und bis dato hat Obamas Innenminister, Ken Salazar, jedem Schritt von Shell (in dieser Angelegenheit) einen Freibrief erteilt. Wir werden vor Gericht gegen sie kämpfen. Shell wird als Erster von dieser Sache profitieren.

Meiner Meinung nach sind die Rechten, die anderen, die profitieren werden; Republikaner mit Verbindung zur fossilen Energieindustrie. Wieder einmal wurde ihnen bestätigt, dass sie nur laut genug kreischen und genug Druck auf Obama auszuüben brauchen… Dinge, die angeblich zu Obamas Grundprinzipien gehören, wissen Sie, Dinge, die er während seines Wahlkampfes versprochen hat, werden nun bereitwillig geopfert - wegen ein wenig Kritik von rechts. Ich denke daher, dass jene, die glauben, dass sie Obama noch weiter nach rechts drängen können, gestern viel Grund zum jubeln hatten. Für sie war es ein Erfolg.

Juan Gonzalez: Was ist mit den Gebieten, die er für absolut tabu erklärt hat? Bristol-Bay in Alaska und die gesamte Küste entlang Kaliforniens hat Obama für tabu erklärt. Können Sie uns etwas über die Gründe für diese Entscheidungen sagen?

Brendan Cummings: Ja. Im Falle Kaliforniens ist es ziemlich offensichtlich. Es wäre politisch nicht durchführbar, in Kalifornien neue Bohrfelder einzurichten. Das stand also nie - nie wirklich - zur Debatte.

Bushs Innenminister Dirk Kempthorne war der Unbedeutendste im Kabinett. Von ihm kam damals der Vorschlag für Bohrungen in Kalifornien. Er war wirklich nur ein Strohmann, denn allen war klar, dass dies nicht zur Debatte stand. Doch nun war es Obama möglich, diese Sache nutzen, um zu behaupten, er nähme diese Regionen von den (geplanten) Bohrungen aus.

Viel interessanter ist der Fall Bristol Bay - einer vor Alaska gelegenen Bucht. In diesem Gewässer lebt der gefährdetste Großwal der Welt: der Nordpazifik-Wal, von dem es vermutlich weniger als fünfzig Exemplare gibt. Die wenigen überlebenden Exemplare dieser Spezies leben genau in diesem Abschnitt der Behring-See, vor Alaska. Und diese Gewässer sind auch die Heimat eines der wichtigsten Fischereiproduktes der USA: dem Alaska-Lachs. Wenn Ihnen von einem Fisch gesagt wird, es handle sich um einen wilden Alaska-Lachs, so stammt er mit hoher Wahrscheinlichkeit aus Bristol Bay.

Es wurde enormer Druck ausgeübt, damit in dieser Region gebohrt werden kann. Doch die Umweltgemeinde, die lokalen Gemeinden in der Region Bristol Bay und die Fischer organisierten sich unglaublich dagegen. Bristol Bay ist ein gutes Beispiel. Trotz der Politik Alaskas und dem Druck - die Menschen, die gegen die Bohrungen waren, ob sie es nun wegen der gefährdeten Wale oder aus Angst um ihre Existenz als Fischer taten, organisierten sich und konnten so den nötigen politischen Druck erzeugen - so dass selbst eine Senatorin aus Alaska wie Lisa Murkowski, die sich als größte Feindin der Klimaregulation positioniert hat, eingestand, dass Bohrungen in Bristol Bay eine schlechte Idee wären. Das ist also der einzige kleine Lichtblick. aber das alles war nur möglich, weil die Leute sich äußerst lautstark für den Schutz des Gebietes einsetzten und klarstellten, dass Bohrungen inakzeptabel seien.

Amy Goodman: Ich sehe gerade ein Zitat von Phil Radford. Er ist der leitende Direktor von Greenpeace und sagte: "Handelt es sich hier um Obamas Plan für saubere Energie oder um Palins Drill-Baby-Drill-Kampagne?" Und ich habe gesehen, wie Newt Gingrich, der vormaliger Sprecher des (Repräsentanten-)Hauses, Präsident Obama applaudierte. Senator Lindsey Graham sagte: "Ich anerkenne die offensichtliche Bereitschaft des Präsidenten, Offshore-Bohrungen als Teil der Energiepolitik der Regierung in Betracht zu ziehen". Glauben Sie, dass Obama dies - so kurz nach Unterzeichnung des neuen Krankenversicherungsgesetzes - getan hat, weil er es als eine Art Geste des guten Willens gegenüber jenen verstand, die er glaubt, abgeschreckt zu haben?

Brendan Cummings: Ja, ich glaube, damit hat es viel zu tun. Ihm steht derzeit ein kleines Zeitfenster der Popularität zur Verfügung. Die Menschen, die von ihm den Wandel erwartet hatten und über das vergangene Jahr enttäuscht waren, sehen wieder einen kleinen Hoffnungsschimmer, wissen Sie, durch das Krankenversicherungsgesetz (wie mangelhaft es auch sein mag). Ja - ihm bleibt ein klein wenig Zeit, um böse Ankündigungen zu kaschieren.

Ich denke, es hängt auch mit dem Timing bestimmter anderer Angelegenheiten zusammen. Eine davon ist rein juristischer Art: Er wollte die juristische Deadline einhalten und mit etwas Neuem zu dem Plan aus der Bush-Zeit aufwarten. Zweitens, sind wir in der Klimadebatte im Senat an einem Punkt angelangt, an dem es um die Kerry-Lieberman-Graham-Gesetzesvorlage geht. Sie sieht Vergleichbares vor. Die Verabschiedung dieses Gesetzes würde bedeuten, dass große Seegebiete Offshore-Bohrungen geopfert würden. Es geht dabei um einen politischen Kuhhandel für neue Handelsbestimmungen. Das gewinnt langsam immer mehr an Fahrt.

Ich denke über die Ankündigung (Obamas) im Kontext der Aussage seiner Administration nach: Ja, wir sind zu einem Deal bereit; wir sind bereit "der Ölindustrie zu geben, was sie möchte - wenn sie uns auch etwas gibt". Leider ließ (Obamas) Aussage gestern offen, ob es eine positive Gegenleistung geben wird - im Hinblick auf eine saubere Energiepolitik, meine ich. Wissen Sie, für mich sieht es so aus, als hätte man der Ölindustrie und den Obama-Kritikern, die sagen, er tue nicht genug für die Ölindustrie, einfach ein Geschenk gemacht.

Amy Goodman: Brendan Cummings wir lassen es dabei. Brendan Cummings ist Public Lands Director am ‘Center for Biological Diversity’. Er war mit uns telefonisch aus der Wüste von Kalifornien verbunden.

Amy Goodman und Juan Gonzalez sind Moderatorin bzw. Moderator des TV- und Radioprogramms ’ Democracy Now! ‘, das aus rund 500 Stationen in Nordamerika täglich/stündlich internationale Nachrichten sendet.

 

Quelle: ZNet Deutschland vom 05.04.2010. Originalartikel: Environmental Groups Decry Obama Plan to Lift Moratorium on Offshore Drilling . Übersetzt von: Andrea Noll. 

Veröffentlicht am

07. April 2010

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