Lebenshaus Schwäbische Alb - Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie e.V.

Ihre Spende ermöglicht unser Engagement

Spendenkonto:
Bank: GLS Bank eG
IBAN:
DE36 4306 0967 8023 3348 00
BIC: GENODEM1GLS
 

Caso 11.481 ein offener Fall - Zum 30. Todestag von Oscar Romero

Mit der juristischen Aufarbeitung des Mordes an Oscar Romero tat sich El Salvador bislang schwer. Sorgt der neue politische Wind im Land jetzt für Bewegung?

 

Von Ulf Baumgärtner

Die Nation horchte auf, als El Salvadors Präsident Mauricio Funes aus Anlass des 18. Jahrestages der Unterzeichnung der Friedensverträge am 16. Januar erklärte: "Im Namen des salvadorianischen Staates bitte ich die Kinder, Jugendlichen, Frauen und Männer, die Alten, die Priester und Ordensleute, die Bauern und Bäuerinnen, Arbeiter und Arbeiterinnen, Studenten und Studentinnen, die Intellektuellen, politisch Oppositionellen und die Aktivistinnen und Aktivisten für die Menschenrechte um Vergebung für die während des internen Krieges begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit."

Jetzt wartet das Land gespannt auf den 30. Jahrestag der Ermordung von Erzbischof Romero. Wird der Präsident am 24. März 2010 vor der Kathedrale von San Salvador und in Anwesenheit von VertreterInnen der drei Gewalten und der Streitkräfte im Namen des Staates öffentlich um Vergebung bitten? Wird dann auch die Zeit gekommen sein, den Caso 11.481 Monsenor Oscar Arnulfo Romero y Galdámez - den juristischen Fall Romero - aus den Schubladen zu holen?

Dort ruht er nämlich seit Jahren. Der erste Anlauf des Rechtshilfebüros der Erzdiözese San Salvador, den Fall vor nationale Gerichte zu bringen, blieb mit Beginn des Kriegsjahrzehntes in den 1980-er Jahren schnell in den Schlingen des internen Rechtswesens hängen.

Nach Unterzeichnung der Friedensverträge kam der zweite Anlauf. Er fuhr 1993 gegen den von den Menschenrechts- und Kriegsverbrecherinnen und ihren KomplizInnen errichteten Schutzwall des "Allgemeinen Amnestiegesetzes für die Konsolidierung des Friedens" vom 20. März, eine unmittelbare Reaktion auf den fünf Tage zuvor erschienenen Bericht der Wahrheitskommission. Laut Leonor Arteaga, Rechtsanwältin der Vereinigung zur Suche nach den verschwundenen Kindern (Pro Büsqueda), haben salvadorianische Gerichte nur zwei Fälle von Verbrechen gegen die Menschlichkeit förmlich sowie unter Berufung auf das Allgemeine Amnestiegesetz abgeschlossen und zu den Akten genommen: den Fall Romero und jenen des Massakers von El Mozote im Dezember 1981.

Der dritte Anlauf bestand in mehreren Verfassungsklagen gegen das Amnestiegesetz, die im September 2000 abschlägig beschieden wurden. Die zuständige Kammer des Obersten’ Gerichtshofes überließ es den Richterinnen, Einzelfälle weiter zu verfolgen. Seit damals gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Die Staatsanwaltschaft kann eine Untersuchung einleiten oder das Gericht von damals den Fall wieder eröffnen. Wird der frische Wind, der in El Salvador aufgekommen ist, eine dieser Instanzen in Bewegung setzen?

Unabhängig von all dem gingen Maria Ju lia Hernandez, die inzwischen verstorbene Leiterin des erzbischöflichen Rechtshilfebüros, und Tiberio Arnoldo Romero, Bruder des ermordeten Erzbischofs, im September 1993 vor die Interamerikanische Menschenrechtskommission (CIDH) der Organisation Amerikanischer Staaten. Aber auch dort ist der Fall vorläufig zum Abschluss gekommen. Die CIDH kann nach umfangreichen, knapp sieben Jahre dauernden Untersuchungen den Fall entweder mit einem internen Bericht an den Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshof reichen oder ihn mit einem öffentlichen Bericht praktisch abschließen.

Ein solcher Quasi-Schlussbericht ist der Bericht Nr. 37/00 vom 13. April 2000. In dem Dokument werden unter anderem die bereits von der Wahrheitskommission genannten Verantwortlichen des Romero- Mordes - Major Roberto d’Aubuisson, die Hauptmänner Alvaro Saravia und Eduardo Avila sowie neben weiteren die Zivilisten Fernando Sagrera und Mario Molina - bestätigt. Soweit sie nicht verstorben sind wie d’Aubuisson, laufen sie frei herum. Nur gegen Saravia wurde in den USA ein zivilrechtliches Verfahren geführt, das 2004 mit einer Verurteilung zu einer hohen Geldstrafe endete. Saravia hatte sich da bereits abgesetzt.

Nach dem Amtsantritt Mauricio Funes’ und seiner FMLN-Regierung im Juni 2009 ist Bewegung in den Fall Romero gekommen. Für den 6. November desselben Jahres lud die CIDH zu einer Folgeberatung ein. Bei dieser Gelegenheit anerkannte der Staat in den Worten von David Morales, Rechtsanwalt und Direktor der Menschenrechtsabteilung des Außenministeriums, seine Verantwortung für die "außergerichtliche Hinrichtung" Romeros. Das war weniger spektakulär als die Rede des Präsidenten zwei Monate später, aber für El Salvador ein historisches Ereignis ähnlichen Kalibers.

Ulf Baumgärtner ist Mitarbeiter der salvadorianischen Nichtregierungsorganisation Pro Büsqueda de Ninas y Ninos Desaparecidos. Er lebt in San Salvador.

 

Quelle: Romero Zeitung 2010 zum 30.Jahrestag der Ermordung Erzbischof Oscar A. Romeros. Hrsg. von Christliche Initiative Romero .

Veröffentlicht am

24. März 2010

Artikel ausdrucken

Weitere Artikel auf der Lebenshaus-WebSite zum Thema bzw. von