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Das Ende der Vision Obamas von einer Welt ohne Atomwaffen

Scott Ritter, ein ehemaliger US-Offizier und UN-Waffeninspekteur, enthüllt das falsche Spiel, das die Obama-Regierung mit dem Iran getrieben hat, um den lange geplanten Überfall auf dieses Land psychologisch vorzubereiten.

Das Ende der Vision Obamas von einer Welt ohne Atomwaffen

Von Scott Ritter, TruthDig, 16.02.10

Jeder, der die Sicherheitspolitik der USA oder eines anderen Landes studiert, weiß dass der Teufel im Detail steckt. Im April 2009 hat Präsident Barack Obama in einer Rede in Prag, der Hauptstadt der Republik Tschechien, seine Vision von einer Welt ohne Atomwaffen entwickelt. Seit dieser Zeit, hat die Obama-Regierung jedoch wenig getan, um diese Vision in die Tat umzusetzen. Wenn man hinter die großartigen Ankündigungen des Präsidenten über seine beabsichtigte Politik schaut, steht er mit leeren Händen da. Bei der Ratifizierung des Comprehensive Test Ban Treaty / CTBT (des Atomwaffenteststopp-VertragesSiehe  http://de.wikipedia.org/wiki/Kernwaffenteststopp-Vertrag ) tut sich nichts. Der Strategic Arms Reduction Treaty / START (der Vertrag zur Verringerung der Strategischen NuklearwaffenSiehe http://de.wikipedia.org/wiki/Strategic_Arms_Reduction_Treaty ) wurde nicht verlängert. Die Entwicklung einer neuen Generation amerikanischen Atomwaffen wurde nicht eingefroren. Ohne Fortschritt auf diesen Gebieten liegen die Chancen auf positive Ergebnisse bei der im Mai 2010 stattfindenden Konferenz zu dem Nuclear Non-Proliferation Treaty / NPT praktisch bei Null.Infos zum Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Atomwaffensperrvertrag und http://www.iaea.org/Publications/Documents/Infcircs/Others/infcirc140.pdf

Der deutlichste Indikator für die erfolglose Politik der Obama-Regierung zur Verhinderung der Weitergabe von Atomwaffen, ist die Tatsache, dass es im Streit um das Atomprogramm des Irans keine Fortschritte gegeben hat und die Kontroverse über den vorgeschlagenen Uran-Austausch immer noch andauert. Bei dem Deal hätte der Iran einen bedeutenden Teil seines auf 3,5 Prozent angereicherten Urans - das für die geplanten iranischen Atomkraftwerke ausreicht - gegen Brennstäbe aus 19,5-prozentigem Uran tauschen müssen. Diese Brennstäbe braucht der Iran für seinen von den USA errichteten Forschungsreaktor, mit dem Isotope für medizinische Zwecke erzeugt werden sollen. Zum Bau von Atomwaffen wird auf 90 Prozent angereichertes Uran gebraucht. Weil der Kernbrennstoff für den Forschungsreaktor knapp wird, braucht Teheran neue Brennstäbe, sonst muss es diesen Reaktor stilllegen. Als Unterzeichnerstaat des NPT hätte der Iran das Recht, die benötigten Brennstäbe unter Kontrolle der International Atomic Energy Agency / IAEA auf dem offenen Markt zu kaufen, aber die USA und Europa haben diesen Kauf mit der Begründung verhindert, der Iran müsse erst seine eigene Urananreicherung aufgeben, mit der er gegenwärtig 3,5-prozentiges Uran herstellt.

Der Grund für die US-amerikanischen und europäischen Bedenken ist nicht die Urananreicherung auf 3,5 Prozent, sondern die Befürchtung, dass der Iran die dafür verwendete Anreicherungs-Technik benutzen könnte, um nach entsprechenden Modifikationen aus diesem niedrig angereicherten Uran auf 90 Prozent angereichertes atomwaffenfähiges Uran herzustellen. Diese Befürchtung und die Ängste vor einem atomar bewaffneten Iran lassen außer Acht, dass die IAEA heute den iranischen Gesamtvorrat an Nuklear-Material vollständig unter Kontrolle hat und jede (ungenehmigte) Abzweigung davon sofort feststellen würde. Außerdem gibt es neben der Fähigkeit zur Urananreicherung keine verlässlichen Beweise dafür, dass sich der Iran mit einem Atomwaffenprogramm beschäftigt hat.

Aber der einschüchternde Druck, den die Nulltoleranz-Politik Israels auf die amerikanischen und europäischen Politiker ausübt, wenn es um den Iran und sein auf friedliche oder (angeblich) andere Zwecke ausgerichtetes Atomprogramm geht, hat eine Situation geschaffen, in der sich der gesunde Menschenverstand verflüchtigt und alles möglich wird. Nehmen Sie zum Beispiel die gegenwärtigen Vorräte des Irans an 3,5-prozentigem Uran. Die IAEA hat bescheinigt, dass der Iran im Besitz von etwa 1.800 Kilogramm dieses Materials ist. Übereifrige Politiker und Geheimdienstler, die zu Hypothesen neigen, haben das Szenario entwickelt, der Iran könne diesen Vorrat an 3,5-prozentigem Uran, wenn er ihm zur freien Verfügung überlassen bleibe, als Ausgangsmaterial für einen grundlegenden Versuch zur Anreicherung seines Urans auf 90 Prozent benutzen, das dann für den Bau einer einzigen Atombombe ausreiche. Für diesen Durchbruchs-Versuch müsste der Iran Tausende seiner Zentrifugen, die er bisher für die Anreicherung auf 3,5 Prozent benutzt hat, für die höhere Anreicherung umrüsten. Ironischerweise ist der nächste Schritt in dem entwickelten Szenario die Umstellung der iranischen Zentrifugen auf eine Urananreicherung von 20 Prozent - auf etwa die Stufe, die Teheran für die Kernbrennstäbe seines Forschungsreaktors braucht.

Die Angst vor einem möglichen verdeckten iranischen Durchbruchsversuch zur Urananreicherung erreichte ein fiebriges Ausmaß, als der Iran im September 2009 die Existenz einer im Bau befindlichen, kleinen, unterirdischen, mit Zentrifugen arbeitenden Anreicherungsanlage in der Nähe der Stadt Qom bekannt gab - wobei ein US-Geheimdienst behauptete, das sei erst geschehen, nachdem er diese Anlage entdeckt hatte. Die Tatsache, dass diese Einrichtung noch im Bau war und im September 2009 aus wenig mehr als einer ausbetonierten Baugrube ohne jede Installation bestand, konnte die Ängste derjenigen, die hinter jedem Busch oder unter jedem Felsen eine iranische Atombombe vermuten, nicht besänftigen. Plötzlich sollte der Iran kurz vor dem Bau einer Atombombe stehen, und es musste unbedingt etwas getan werden, um das zu verhindern.Siehe dazu auch http://www.luftpost-kl.de/luftpost archiv/LP_09/LP21909_091009.pdf

Die Aufmerksamkeit wechselte jetzt von der fortschreitenden Urananreicherung des Irans, deren dauerhafte Einstellung die USA und Europa nach wie vor forderten, zu dem 1.800 Kilogramm-Vorrat an 3,5-prozentigem Uran, über den der Iran verfügte. Aus diesem Material hätte der Iran theoretisch eine Atombombe herstellen können. Wenn es gelungen wäre, das (gesamte) Material unter internationale Kontrolle zu bekommen, wären die (unterstellten) iranischen Ambitionen zum Bau einer Atombombe zumindest für einige Zeit zu vereiteln gewesen. Der Iran wollte dieses Material aber nicht einfach abliefern. Deshalb wurde zwischen den USA und dem Iran ein Deal ausgehandelt, der vorsah, dass der Iran 1.600 Kilogramm seines auf 3,5 Prozent angereicherten Urans Russland übergeben sollte, das es auf 19,5 Prozent anreichern und an Frankreich weiterleiten wollte; Frankreich hätte dann daraus Brennstäbe hergestellt, die nicht für den Bau einer Atombombe geeignet sind. Dieser Urantausch schien eine elegante Lösung für ein lästiges Problem zu sein. Tatsächlich verkaufte ihn Präsident Obama als seine eigene Initiative, als er im Oktober 2009 bekannt gegeben wurde.

Dem Iran ging es bei dem Tausch immer um den Erhalt der aus 19,5-prozentigem Uran hergestellten Kernbrennstäbe für seinen Forschungsreaktor in Teheran, in dem dringend benötigte Isotope für medizinische Zwecke erzeugt werden. Die Iraner ließen sich aber vor allem auch deshalb auf dieses Geschäft ein, weil es ihnen nicht nur Brennstäbe verschafft, sondern ihnen auch die Anreicherung ihres Urans auf 19,5 Prozent erspart hätte; damit wäre ihnen auch die Umrüstung ihrer auf eine Urananreicherung von 3,5 Prozent ausgelegten Zentrifugen erspart geblieben. Der Iran hat immer wieder betont, er habe weder vor noch wünsche er es, Uran über 3,5 Prozent hinaus anzureichern, weil er für die Brennstäbe seiner Atomreaktoren, die Strom erzeugen sollen, nur 3,5-prozentiges Uran brauche. Wäre die Urananreicherung auf 3.5 Prozent beschränkt geblieben, hätte das nicht nur eine Arbeitserleichterung für den Iran bedeutet, damit wäre auch der IAEA, die überprüft, ob sich der Iran an den NPT hält, das Überwachen und Inspizieren erleichtert worden. Der Iran sah den Urantausch auch als Möglichkeit an, für sein (begrenztes) Urananreicherungs-Programm die Akzeptanz der internationalen Gemeinschaft zu erhalten; dieser Wunsch stand natürlich in diametralem Gegensatz zu den Zielen der USA und Europas.

Kein Vorschlag zur Abwicklung des Urantauschs über einen neutralen Dritten, über mehrere Monate oder mehrere Jahre konnte die iranische Position mit der Position der USA und Europas versöhnen. Der Kern des Problems ist das iranische Urananreicherungs-Programm an sich. Jeder Urantausch ist wenig mehr als ein Schaugeschäft im Rahmen des eigentlichen Konflikts, bei dem es darum geht, ob die internationale Gemeinschaft dem Iran gestattet, überhaupt Uran anzureichern. Den USA und Europa geht es nicht darum, die Anreicherung auf 3,5 Prozent zu begrenzen oder auf 19,5 Prozent zu erweitern; das ist völlig irrelevant, denn ihre gemeinsame Politik ist nur darauf ausgerichtet, jede Urananreicherung im Iran zu verhindern.

Der fatale Fehler, den Obama bei seinem Vorschlag zum Urantausch im Oktober 2009 gemacht hat, war sein Versäumnis, ausdrücklich zu erklären, dass der Urantausch nur stattfinden wird, wenn der Iran sein Urananreicherungs-Programm (komplett) einstellt. Während wichtigtuerische Politiker der Obama-Regierung oder aus deren Umfeld sich darauf berufen, dass diese Bedingung erfüllt werden muss, weil in Resolutionen des UN-Sicherheitsrates die Einstellung der Urananreicherung im Iran gefordert wird, macht jede Vereinbarung über den Vorrat des Irans an schwach angereichertem Uran diesen zu einem legitimen Handelsgut und legitimiert damit auch de facto den zur Herstellung dieses Handelsgutes notwendigen Prozess (also die Urananreicherung im Iran). Da sich der Iran immer hartnäckig geweigert hat, sein Urananreicherungs-Programm aufzugeben, hatte er allen Grund, den vorgeschlagenen Urantausch als eigenständiges Geschäft zu betrachten, das sich auf ein Kurzzeitproblem beschränkte und nicht als Bestandteil der unter Führung der USA erhobenen Forderung nach Einstellung der iranischen Urananreicherung zu betrachten war.

Es war nie ein Ziel der US-Politik, den Iran mit Brennstäben aus 19,5-prozentigen Uran zu versorgen oder ihn auf eine Urananreicherung auf 3,5 Prozent zu beschränken, es ging immer nur darum, dem Iran möglichst viel seines auf 3,5 Prozent angereicherten Uranvorrates zu entziehen und ihm dadurch jede Möglichkeit zu nehmen, dieses schwach angereicherte Uran als Grundstock für den Bau einer Atombombe zu verwenden, egal wie unglaubwürdig diese Unterstellung auch war. Deshalb hat die Obama-Regierung den Details des (geplanten) Tauschgeschäftes auch nie viel Aufmerksamkeit gewidmet, weil diese für sie bedeutungslos waren. Den USA ging es weniger um einen Urantausch, als darum, dem Iran möglichst viel seines Uranvorrates wegzunehmen und unter internationale Kontrolle zu stellen. Wenn der Iran 1.600 Kilogramm seines 1.800-Kilogramm umfassenden Uranvorrates abgeliefert hätte, wäre die Obama-Regierung in der Lage gewesen, die Ängste vor dem unmittelbar bevorstehenden Bau einer iranischen Atombombe zu besänftigen. Der Iran hätte mehrere Monate gebraucht, um seinen Vorrat an schwach angereichertem Uran wieder auf ein Niveau zu bringen, das zur Herstellung seiner hypothetischen Atombombe ausreichen würde. Während dieser Zeit hätten die USA ihre Bemühungen um eine Einstellung der iranischen Urananreicherung verdoppelt und ein umfassendes Paket strenger Wirtschaftssanktionen gegen den Iran verhängt, wenn der nicht zur Kooperation bereit gewesen wäre.

Der fatale Fehler des US-Vorgehens bestand in der fehlenden Einsicht, dass sich komplizierte Realitäten nicht durch nur auf dem Papier stehende Vereinbarungen regeln lassen. Die Obama-Regierung hatte auf eine sofortige Zustimmung des Iran zu dem Urantausch gehofft. Sobald das angereicherte Uran den Iran verlassen hätte, wollten die USA ihren diplomatischen Druck verdoppeln, um mit einer internationalen Vereinbarung über Sanktionen die iranische Urananreicherung zu stoppen. Die Macher der US-Politik stellten sich einen nahtlosen Übergang zwischen den verschiedenen Stufen ihres Planes vor. Als der Iran, nachdem er dem Urantausch grundsätzlich zugestimmt hatte, aber eine verbindliche Festlegung der Details dieses Deals forderte, stieß die Durchführung des US-Plans auf Schwierigkeiten.

Im Dezember 2009, als die USA das iranische Uran eigentlich schon längst unter internationaler Kontrolle wissen und eine Sanktionskampagne in Gang gesetzt haben wollten, versuchte der Iran noch über Details zu verhandeln und erweckte in der Öffentlichkeit den Eindruck, an dem Urantausch festhalten zu wollen. Damit lähmte er die Bemühungen der USA, Unterstützung für ihre beabsichtigten Sanktionen zu erhalten, weil die meisten Nationen nichts tun wollten, was die Verhandlungen über den Urantausch hätte stören können. Kurz vor Beginn des Jahres 2010 zwang die iranische Verzögerungstaktik die USA, alle Vorwände für den Urantausch aufzugeben. Während iranische Unterhändler den Tausch über mehrere Monaten abwickeln wollten, versuchten ihn die USA über mehrere Jahre zu strecken und machten ihn damit nutzlos für den eigentlich damit verfolgten Zweck, nämlich den iranischen Forschungsreaktor mit Brennstäben zu versorgen, die für die Produktion medizinischer Isotope gebraucht werden.

Nachdem das wirkliche Ziel der US-Politik offenkundig geworden war, kündigte der Iran letzte Woche an, er werde jetzt selbst das Uran, das er für die Brennstäbe seines Forschungsreaktors braucht, auf 19,5 Prozent anreichern. Ob der Iran tatsächlich die technischen oder praktischen Fähigkeiten hat, die zur Realisierung dieses Planes erforderlich sind, ist fraglich. Die Umrüstung der vorhandenen Zentrifugen-Kaskaden auf die 19,5-prozentige Anreicherung des Urans ist zwar möglichSiehe http://de.wikipedia.org/wiki/Uran-Anreicherung , aber der Iran hat bisher noch nie versucht, angereichertes Uran in Brennstäbe umzuwandeln. Außerdem erhebt sich die Frage, ob der Vorrat des Irans an Uranhexafluorid / UF6, dem gasförmigen Stoff, aus dem in den Zentrifugen das angereicherte Uran gewonnen wird, überhaupt brauchbar ist.Siehe http://de.wikipedia.org/wiki/UF6

Die iranischen Vorräte an aus dem Ausland beschafftem UF6 sind fast erschöpft. Das gilt auch für den Vorrat an UF6, den der Iran aus natürlichem Uran erzeugt hat, das aus dem Ausland eingeführt wurde. Was dem Iran bleibt, ist UF6, das aus im Iran selbst abgebautem Uran hergestellt wird. Sein eigenes Uran ist aber wahrscheinlich mit Molybdän verunreinigtSiehe http://de.wikipedia.org/wiki/Molybd%C3%A4n , einer metallischen Substanz, deren Anwesenheit die Zentrifugen zerstören könnte, wenn sie auf die mehr als 60.000 Umdrehungen pro Minute hochgefahren werden, die für die Gewinnung angereicherten Urans aus UF6 notwendig sind. Wenn es dem Iran nicht gelingt, das Molybdän aus seinem einheimischen UF6 herauszuziehen und kein ausländischer Lieferant ihn mit natürlichem Uran oder sauberem UF6 versorgt - was der IAEA mitgeteilt werden müsste - wird das iranische Anreicherungs-Programm zum Stillstand kommen.

Das könnte den Iran aber nicht davon abhalten, seinen vorhandenen Vorrat an 3,5-prozentigem Uran als Grundstock für einen Versuch zur Produktion von 19,5-prozentigem Uran zu verwenden. Die Umrüstung seiner Zentrifugen auf das höhere Anreicherungs-Niveau liegt wohl im Bereich seiner technischen Fähigkeiten. Das ist die endgültige Bestätigung für das Scheitern der US-Politik zur Nichtweitergabe von Atomwaffen im Hinblick auf das Atomprogramm des Irans; die USA wollten (mit den geschilderten Tricks) verhindern, dass der Iran sein schwach angereichertes Uran in hoch angereichertes spaltbares Material verwandelt, und haben ihm (durch ihr Taktieren) genau diese Möglichkeit verschafft. Wenn sich die USA darum bemüht hätten, den Iran auf eine 3,5-prozentige Anreicherung zu beschränken, hätte jede Abweichung von diesem Niveau Argwohn hervorgerufen. Weil die Obama-Regierung den Iran aber praktisch dazu gezwungen hat, sein Uran selbst auf 20 Prozent anzureichern, hat sie die Möglichkeiten zur Entdeckung und Verhinderung (eines vermuteten iranischen Atomwaffen-Programms), die vorhanden waren, als der Iran sein Uran nur auf 3,5 Prozent angereichert hat, deutlich verschlechtert.

Die Anzahl von Zentrifugen, die für die Anreicherung von 20-prozentigem Uran auf ein höheres Niveau gebraucht wird, ist sehr viel kleiner, als die Anzahl, die für eine Anreicherung von 3,5 Prozent auf 20 Prozent erforderlich ist. Außerdem könnte der Iran, wenn er 20-prozentiges Uran anreichert, das Endziel von 90 Prozent viel schneller erreichen, als bei einem Beginn mit 3,5-prozentigem Uran. Die Obama-Regierung hat es dem Iran nicht nur leichter gemacht, ein heimliches Anreicherungsprogramm zur Gewinnung waffenfähigen Urans zu verbergen, sie hat es auch viel effizienter gemacht. Dass es keine Beweise für die Existenz eines solchen Programms gibt, spielt in den Augen derjenigen, die dem Iran von Anfang an ein solches Programm unterstellt haben, keine Rolle. In einem Universum, das von Theorien beherrscht wird, hat das Taktieren der US-Regierung mit dem Urantausch die dem Iran unterstellten Absichten nur wahrscheinlicher gemacht. Da die US-Politik zur Nichtverbreitung von Kernwaffen in Bezug auf den Iran aber mehr von Vermutungen als von Fakten bestimmt wird, kann man fast sicher sein, dass die US-Antwort auf diese neue (geschaffene) Fiktion sehr real und handfest sein wird und für den Mittleren Osten und die Welt nur negative Folgen haben kann.

Die sich zuspitzende Krise um das Atomprogramm des Irans ist nur einer von mehreren von den USA zu verantwortenden Misserfolgen bei der Nichtverbreitung von Kernwaffen, die in ihrer Kombination schlechte Voraussetzungen für die im Mai anstehende Konferenz zur Überprüfung des NPT-Vertrages (des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen) geschaffen haben. Als im Mai 2009 die Einberufung eines Vorbereitungskomitees für die NPT-Konferenz beschlossen wurde, gab es große Hoffnungen auf Fortschritte in Bezug auf eine internationale Einigung bei den Problemen zur Nichtweitergabe von Atomwaffen und zur Erneuerung des NPT auf der Basis dieser Einigung. Viele dieser Hoffnungen leiteten sich aus den Erklärungen und der Rhetorik Obamas über atomare Abrüstung und Rüstungskontrolle ab. Leider hat seine Rhetorik nie mit der Realität übereingestimmt.

So stand nicht nur die US-Politik gegenüber dem Iran in totalem Widerspruch zum NPT - nach dessen Artikel IV ist es dem (Unterzeichnerstaat) Iran nämlich erlaubt, Uran für friedliche Zwecke anzureichern - auch die Ankündigungen der Obama-Regierung, die von entscheidender Bedeutung für einen Erfolg der NPT-Überprüfungskonferenz waren, wurden nicht realisiert: Es gab keine Bewegung in Richtung auf die Ratifizierung des CTBT (s. Anfang dieses Artikels) und keine Verlängerung des START-Abkommens mit den Russen, durch die eine weitere Verringerung der Atomwaffenarsenale beider Staaten möglich gewesen wäre. Es gibt fast keine Chance den CTBT dem US-Senat zur Ratifizierung vorzulegen, der ihn wahrscheinlich auch nicht ratifizieren würde. Nach dem Versäumnis der Obama-Regierung, das START-Abkommen über sein Ablaufdatum im Dezember 2009 hinaus zu verlängern, stehen die USA und Russland ohne Kontrollinstrument für die Abrüstung da, und die seit dem Ende des Kalten Krieges schlafenden Tendenzen (zu gegenseitigem Misstrauen) sind in beiden Nationen wieder erwacht; die Russen entwickeln eine neue Generation ballistischer Interkontinentalraketen, und die USA sprechen über eine Modernisierung ihrer Atomsprengköpfe.

Präsident Obama hatte die Hoffnung geweckt, die NPT-Überprüfungskonferenz im Jahr 2010 könnte den Weg zu einer globalen Einigung auf eine umfassende atomare Abrüstung und eine (erneuerte) Verpflichtung zur Nichtweitergabe von Atomwaffen ebnen. Nun verstärkt das sich bereits jetzt abzeichnende Scheitern dieser Konferenz nur die in den USA ohnehin vorhandene Tendenz, sich nicht auf internationale Abkommen einzulassen, sondern stattdessen auf eine unilaterale Politik zu setzen, die auf der falschen Annahme gründet, Sicherheit sei durch atomare Überlegenheit zu erreichen. Man muss nur an die Ereignisse am 11. September 2001 denken und sich das andauernde Fiasko vergegenwärtigen, das Amerika seinen "Krieg gegen den Terror" nennt, um die in diesem Argument enthaltene Fehleinschätzung zu erkennen.

Die von den USA in Zusammenhang mit dem Atomprogramm des Irans verfolgte Politik hat großen Anteil an dieser Fehlentwicklung, wenn es nicht sogar die eigentliche Ursache dafür ist. Die Obama-Regierung hätte den vereinbarten Urantausch als gute Gelegenheit nutzen müssen, den Iran in die internationale Gemeinschaft zurückzuführen. Man hätte nicht versuchen sollen, die Urananreicherung im Iran zu stoppen, sondern sie durch verstärkte IAEA-Inspektionen zu legitimieren; man hätte auch das Angebot des Irans annehmen sollen, seinen Uranvorrat in ein unter strenger internationaler Kontrolle stehendes, regionales Uranlager einzubringen. Dann wäre die Politik nicht so ins Schwimmen geraten, wie das Ende 2009 geschehen ist.

Die Furcht vor dem Phantom einer iranischen Atombombe wäre vergangen und mit ihr auch das unglaubwürdige Beharren der USA auf ballistischen Abwehrraketen, das sich so nachteilig auf die laufenden Abrüstungsverhandlungen zwischen den USA und Russland ausgewirkt hat. Wäre die Obama-Regierung bei ihrer im September 2009 verkündeten Entscheidung geblieben, den umstrittenen Raketenabwehrplan aus der Bush-Ära, der die Stationierung eines (stationären) Raketenabwehr-Systems in Polen und Tschechien vorsah, zu begraben, wäre das START-Abkommen verlängert worden. Aber der Taschenspieler-Trick, das aufgegebene Programm sofort durch ein anderes (viel gefährliches mobiles) Programm zu ersetzen, löste bei der russischen Militärführung Besorgnis über die tatsächlichen politischen Ziele der Obama-Regierung aus.Siehe dazu auch http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_09/LP18609_310809.pdf

Die Obama-Regierung hat demonstriert, dass sie trotz der noblen Absichten und hehren Ziele im Bereich der Abrüstung und der Nichtverbreitung von Kernwaffen, die sie zu Beginn ihrer Amtszeit verkündet hat, auch von der Sucht nach Atomwaffen befallen ist, unter der die USA seit 1945 leiden. Diese Sucht, aus der sich auch die Selbsternennung der USA zum Weltpolizisten und zum Retter der Welt ableitet, verhindert jede politische Vereinbarung, welche die atomare Überlegenheit der USA schwächen oder beseitigen könnte. In einer Zeit, in der die Welt die Führung der USA auf dem Feld der Abrüstung und der Nichtweitergabe von Atomwaffen gebraucht hätte, bekam sie nur eine Auffrischung der überholten Politik der Vergangenheit, eingepackt in die paranoiden Wahnvorstellungen einer Nation, die weder im Stande noch bereit ist, die Realität zu begreifen. Wirkliche Sicherheit für die internationale Gemeinschaft kann nicht von einer Nation allein garantiert werden - auch nicht von den USA, die eine auf atomarer Überlegenheit aufgebaute Politik der Abschreckung verfolgen. Wahre Sicherheit gibt es nur in einer Welt ohne Atomwaffen.

Um die USA zu sichern, muss ein Präsident den Mut haben, auf das zu verzichten, was uns in der Vergangenheit als das Fundament unseres Überlebens angepriesen wurde, uns in Wirklichkeit aber nur an die Zerstörungen erinnert, die wir damit angerichtet haben - auf Atomwaffen. Präsident Obama hatte diese Vision in der grundlegenden Rede, die er im April 2009 in Prag gehalten hat. Seit dieser Zeit verfolgen die USA bei der Rüstungskontrolle und der Nichtweitergabe von Atomwaffen aber eine Politik, der es nicht gelungen ist, sie selbst und die Welt auf den Weg zum Frieden und zur Sicherheit zu führen, und die alles nur noch schlimmer gemacht hat.

Die Politik ist nicht nach erklärten Absichten, sondern nach erreichten Ergebnissen zu beurteilen. Deshalb besteht die Politik der Obama-Regierung nur aus entsetzlichen Fehlschlägen. Die US-Regierung versucht, die Schuld für ihre Misserfolge dem Iran, China, Russland und Nord-Korea anzulasten. Aber die Hauptursache für das Versagen sind Barack Obamas totaler Mangel an Mut und Überzeugungskraft. Er verbreitete zwar die Vision einer atomwaffenfreien Welt, erlag aber der gleichen Selbstüberschätzung und Machtgier, der schon andere US-Präsidenten vor ihm erlegen sind, wenn sie in Versuchung gerieten, den USA die Überlegenheit über den Rest der Welt zu sichern, die sie sich von Atomwaffen versprachen.

Scott Ritter war US-Waffeninspekteur in der Sowjetunion (1988-1990) und Chefinspekteur der Vereinten Nationen im Irak (1991-1998). Er ist Autor der Bücher "Iraq Confidential" (Geheimes aus dem Irak), erschienen 2006, "Target Iran" (Ziel Iran), erschienen 2007, und "Dangerous Ground: The Failure of U.S. Arms Control Policy From FDR to Obama" (Trügerischer Boden: Die Versäumnisse der US Abrüstungspolitik von Franklin D. Roosevelt bis Obama), das in diesem Jahr bei Nation Books erscheinen wird. Weitere Infos über Scott Ritter sind aufzurufen unter http://de.wikipedia.org/wiki/Scott_Ritter .

 

Quelle: Luftpost vom 23.02.2010. Originalartikel: "The End of Obama’s Vision of a Nuke-Free World" . Übersetzung: Wolfgang Jung.

Fußnoten

Veröffentlicht am

02. März 2010

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