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Afghanistan: Nichts wird gut

Der Westen sollte die Afghanistan-Konferenz für eine ehrliche Bestandsaufnahme nutzen und analysieren, weshalb das stärkste Militärbündnis der Welt zu scheitern droht

 

Von Ludwig Watzal

Mit ihrem Fazit "Nichts ist gut in Afghanistan" hat die Vorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischöfin Margot Käßmann, in ihrer Neujahrspredigt die politische Elite und die Meinungsmacher in helle Aufregung versetzt. Ihre Worte waren nach über achtjähriger Besatzung in Afghanistan mehr als überfällig, was für die teils heftigen Reaktionen wahrlich nicht galt. In einigen wurde Käßmann nicht nur politische Naivität unterstellt - man forderte sie auch auf, Alternativen zu Präsenz und Krieg des Westens zu benennen.

Warum sollte die Bischöfin dazu verpflichtet sein? Weshalb nicht zuerst einmal diejenigen, die seit mehr als acht Jahren einen illegalen Krieg am Hindukusch führen?

Auf der Afghanistan-Konferenz in London sollte daher nicht über die Fortsetzung dieses Feldzuges diskutiert werden, sondern seine umgehende Beendigung, weil ihm jegliche Legitimation fehlt - er ist schlichtweg illegal. Alle völkerrechtlichen "Argumente" oder andere abstruse Rechtskonstruktionen dienten seinerzeit als Vorwand, um Revanche zu nehmen für die Terroranschläge vom 11. September 2001. Dass dafür die damalige Regierung Afghanistans verantwortlich war, ist nie bewiesen, nichtsdestotrotz mit aller Vehemenz behauptet worden.

Direkt nach den Attentaten nannte Bush diese Verbrechen einen "act of terrorism", was zutraf. Einen Tag später sprach er von einem "act of war", was nicht zutraf, denn kein Land hatte die USA angegriffen. Völlig ahistorisch geriet die Parallele zum japanischen Angriff auf den Flottenstützpunkt Pearl Harbor Ende 1941.

Die Taliban-Regierung in Kabul fand sich ultimativ aufgefordert, Osama bin Laden an die USA auszuliefern. Dazu hätte es konkreter Beweise bedurft, die Washington nicht erbringen konnte. So signalisierte die afghanische Regierung lediglich ihre Bereitschaft, bin Laden an ein muslimisches Land auszuliefern, was George W. Bush kategorisch zurückwies und die Taliban-Regierung nochmals ultimativ aufforderte, bin Laden umgehend an die USA zu überstellen. In dieser Lage gab der UN-Sicherheitsrat zwar zu verstehen, die Täter und ihre Hintermänner gehörten vor ein US-Gericht, er vergab jedoch an die Amerikaner keinen Blankoscheck für einen militärischen Angriff nach Kapitel VII der UN-Charta.

Regierung ohne Legitimation

Der Westen sollte daher auf der Afghanistan-Konferenz ehrlich zu sich selbst sein und eingestehen, dass nach mehr als acht Jahren Krieg, das stärkste Militärbündnis der Welt an einem bewaffneten Aufstand und einer Widerstandsfront zu scheitern droht wie seinerzeit die Sowjetunion zwischen 1979 und 1989.

Auch gilt es, sich Rechenschaft über die wirklichen Motive des Krieges abzulegen. Abgesehen davon, dass die USA eine Intervention in Afghanistan schon vor dem 11. September 2001 geplant hatten, geht es bei der seither bestehenden Besatzung nicht um solch hehre Ziele wie Demokratie, Freiheit, Menschenrechte oder "westliche Werte", wie der Westen behauptet, sondern um Ölrouten und die Öl- und Gasvorräte Zentralasiens. Afghanistan ist als Transitland für ein Pipline-Projekt von überragender Bedeutung. Darüber hinaus spielen geopolitische Überlegungen eine zentrale Rolle. So wollen die USA den Einfluss Russlands und Chinas in Zentralasien zurückdrängen. Die Ausdehnung des Krieges auf Pakistan trägt zur weiteren Destabilisierung der gesamten Region bei.

Dem deutschen Außenminister Guido Westerwelle kommt bei dieser Konferenz eine zentrale Rolle zu: Als der Vertreter eines einflussreichen NATO-Mitglieds sollte er Nein sagen zur Fortsetzung des Krieges gegen Afghanistan. Dies hätte Signalwirkung. Weitere bewaffnete "Sozialarbeiter" zu schicken und Resozialisierungsmaßnahmen in Gestalt von Aussteiger-Programmen gegenüber den Taliban vorzuschlagen, ist naiv.

Weiß Westerwelle eigentlich, was da auf Deutschland zukommt? Zu den "Taliban" kann jeder gerechnet werden, der Nein zur Besetzung Afghanistans sagt. Und das ist die Mehrheit der Bevölkerung. Sich auf die Regierung Karsai als Partner zu berufen, der jegliche Legitimation fehlt, widerspricht westlichen Interessen. Soldaten für Drogenbarone und eine bis auf die Knochen korrupte Exekutive sterben zu lassen, ist zynisch.

Je länger der Westen die Karzai-Regierung unterstützt, desto unglaubwürdiger wird ein Eintreten für "westliche Werte", die in der muslimischen Welt nur noch Hohngelächter hervorrufen. Die einzige Konsequenz dieser Afghanistan-Konferenz könnte dann nur lauten: Abzug!

Quelle: der FREITAG vom 28.01.2010. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Ludwig Watzal und des Verlags.

Veröffentlicht am

28. Januar 2010

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