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1989 erzwangen Protestbewegungen “von unten” Auflösung herrschender Machtapparate

Von Michael Schmid (aus: Lebenshaus Schwäbische Alb, Rundbrief Nr. 62 vom September 2009 Der gesamte Rundbrief Nr. 62 kann hier heruntergeladen werden PDF-Datei , 514 KB.)

Liebe Freundinnen und Freunde,

diesen Herbst jährt sich zum 20. Mal die Friedliche Revolution in der DDR. Durch den Aufbruch im Herbst 1989 kam es schließlich zur Öffnung der Berliner Mauer, der "Eiserne Vorhang" zerriss. Damals erzwangen in der DDR wie in anderen Gesellschaften Mittel- und Osteuropas Protestbewegungen "von unten" die Auflösung der herrschenden Machtapparate. Wie Kartenhäuser brachen Politbüros und Zentralkomitees kommunistischer Parteien zusammen, wurden Regierungen gestürzt, verschwanden politische Systeme und schließlich sogar ganze Staaten. In Polen, Ungarn, der DDR und der Tschechoslowakei kam diese Wende ohne Anwendung von Gewalt zustande. Wer hatte das zu hoffen gewagt, dass so etwas in Ländern möglich ist, die nun wahrlich durchzogen waren von massiver staatlicher Repression. Wer hätte das geglaubt nach der brutalen und blutigen Niederschlagung der gewaltlosen chinesischen Bürgerrechtsbewegung im Sommer 1989? Damals noch hatte die DDR-Führung den machtlüsternen Greisen in Peking Beifall für ihren blutigen Feldzug gegen das eigene Volk gezollt. Deshalb konnte kaum vermutet werden, dass es der DDR-Bevölkerung wenige Monate später gelingen würde, ihre Führungsclique auf gewaltlose Weise binnen kurzem wegzufegen.

Überwindung des "Eisernen Vorhangs" unvorstellbar

Ich erinnere mich gut daran, wie wir während eines Urlaubs noch im August des Jahres 1989 an der hermetisch und brutal abgeriegelten Grenze zur DDR gestanden sind und unseren Kindern, aber ebenso uns selber das Ungeheuerliche dieses "Eisernen Vorhanges", der mitten durch Deutschland verlief und Ost- von Westeuropa trennte, verständlich machen wollten. Wer konnte schon verstehen, warum da eine Straße abrupt vor dem Drahtverhau endete, eine Reihe von praktisch unüberwindlichen Zäunen unmittelbar nach dem letzten Wohnhaus gezogen waren. Oder dass wir auf einem Streckenabschnitt der ehemaligen Autobahn spaziergehen konnten, weil sie an dieser Stelle nicht ihren ursprünglichen Weg durch die DDR fortführen konnte. Verrückt! Damals im Sommer 1989 war es für mich völlig unvorstellbar, dass dieses Bollwerk noch zu meinen Lebzeiten wieder verschwinden könnte.

Doch dann geschah das Wunder. Am 9. November 1989 wurde in Berlin die Mauer geöffnet. Dabei haben sicherlich verschiedene Faktoren zur Dynamik für diese Entwicklung im Herbst 1989 beigetragen. Eine entscheidende Rolle spielte der Wunsch von immer mehr Bürgerinnen und Bürgern nach Demokratie und nach einer zivilen Entwicklung anstatt autoritärer Gängelung und Unterdrückung. Die einen kehrten ihrem Staat den Rücken, indem sie massenhaft im Sommer 1989 über Ungarn und die Tschechoslowakei aus der DDR flohen. Andere wollten die DDR verändern und begannen mit Demonstrationen. Als dann schließlich tausende, zehntausende und schließlich hunderttausende Menschen den Mut hatten, ihren Veränderungswillen in Demonstrationen friedlich zum Ausdruck zu bringen, konnte das SED-Regime dem nicht mehr standhalten.

Mutige Menschen, Friedliche Revolution

Es kann gar nicht hoch genug gewürdigt werden, welchen Mut diese Frauen und Männer mit ihrem friedlichen Aufstand im Herbst 1989 an den Tag gelegt haben. Und dass es ihnen mit ihren Friedensgebeten und Demonstrationen gelang, gewaltlos eine Diktatur zu stürzen und aus eigener Kraft die Demokratie zu erringen.

Das Wunder dieses Aufbruchs hätte allerdings niemals auf gewaltlose Weise geschehen können, wenn es nicht einige Menschen gegeben hätte, die schon lange von einer anderen Gesellschaft geträumt, sich jahrelang immer wieder getroffen, diskutiert und organisiert hätten. Durch die Verweigerung des Wehrdienstes, in Friedensseminaren und Friedensgebeten hatten sie ihren Friedenswillen entwickelt und zum Ausdruck gebracht.

Zwei Menschen, die seit Anfang der 1960er Jahre bei diesen Friedensaktivitäten in der DDR aktiv dabei waren, wollen wir in diesem Rundbrief zu Wort kommen lassen. Es handelt sich um Rudolf Albrecht und Schorsch Meusel . Den einen habe ich nach dem Mauerfall in den 90er Jahren erstmals bei einer Jahrestagung des Versöhnungsbundes wahrgenommen, den anderen hatte ich Mitte der 80er Jahre flüchtig kennengelernt, als er bei einem Besuch in der Bundesrepublik an einer Sitzung des Landesvorstandes der DFG-VK Baden-Württemberg teilnahm, dem ich damals angehörte. Näher befreundet haben wir uns dann während einer gemeinsamen dreiwöchigen Studienreise in den USA im Jahre 2001 ( "Auf den Spuren von Martin Luther King" ).

Neue Mauern sind entstanden

Der Mauerfall von Berlin und die Überwindung des "Eisernen Vorhangs" vor 20 Jahren haben sicherlich maßgeblich zur Wahl des Mottos "Mauern überwinden" für die diesjährige Ökumenische Friedensdekade beigetragen. Dabei ist das Erinnern an überwundene Mauern wichtig. Aber "Mauern überwinden" ist ebenfalls dringende Gegenwartsaufgabe. Das macht auch das Materialheft zur FriedensDekade deutlich. Dort wird ausführlicher auf Mauern, Zäune und Barrieren eingegangen, die es aktuell gibt. So sind in Europa zwar Grenzen gefallen, gibt es mehr Freizügigkeit und Offenheit, doch gegen außen schottet sich Europa ab gegen Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen aus ihrer Heimat fliehen, sei es vor Krieg, Hunger, Unterdrückung, Umweltkatastrophen.

Seit 2002 hat Israel im besetzten Westjordanland mit dem Bauer einer Mauer begonnen. Nicht auf israelischem Staatsgebiet, sondern vor allem auf palästinensischem Gebiet wurden hierfür Bäume gefällt, Felder zerstört, eine Fläche von 8,5 Prozent von der Westbank abgetrennt.
Die USA verstärken ihre Bemühungen, illegale Einwanderung aus Mexiko zu unterbinden, indem sie die über 3100 Kilometer lange Grenze rund um die Uhr scharf bewachen. Auf insgesamt 200 Kilometern haben die USA einen Grenzwall aus Stahl und Stacheldraht errichtet. Jahr für Jahr gibt es mehrere hundert Tote an dieser Grenze.

Kaum bekannt ist die längste Trennmauer der Gegenwart: Marokko verewigt mit einem über 2000 Kilometer langen verminten und scharf bewachten Grenzwall die Besetzung der Westsahara. In der Wüstenregion gibt es reichhaltige Rohstoffvorräte und vor der Küste Westsaharas wurden große Erdölvorkommen ausgemacht.

Außer diesen sichtbaren Grenzen gibt es ebenfalls unsichtbare Mauern. Hunger ist eine solche. Die Zahl der hungernden Menschen nimmt wieder zu. Gegenwärtig sind es eine Milliarde Menschen, die zu wenig zu essen haben. Wohlhabende und Reiche schützen sich oft durch eine Mauer von Desinteresse vor der weltweiten Armut, auch vor der Armut in unserem eigenen Land.

"Mauern überwinden" weiter erforderlich

Mit solchen Mauern wird menschliches Miteinander verweigert. Sie zeugen vom Willen zur Besitzstandwahrung und vom Versagen völkerverbindender Politik. Doch wie wir 1989 erleben durften, werden diese Mauern überwunden, gibt es Menschen, die Grenzen überschreiten, Menschen mit einer Vision. Gehören wir dazu?

Als Lebenshaus versuchen wir immer wieder, auf solche Mauern hinzuweisen. In unserem Rundbrief, in Website und Newsletter, mit Veranstaltungen und Aktionen. Und mit Aktionen oder in der Unterstützung konkreter Menschen engagieren wir uns, um das "Mauern überwinden" praktisch werden zu lassen.

Das Engagement des Lebenshauses lebt vom Engagement seiner Mitglieder, Freundinnen und Freunde, aber ebenso von der Großzügigkeit jener, die das Vorgehen des Lebenshauses gutheißen.

Deswegen bitte ich Sie um Ihre Spende, Ihre Mitgliedschaft, Ihr Darlehen . Jeder Betrag und jeder Beitrag hilft, unsere gemeinsamen Anliegen so gut wie möglich voran zu bringen. Herzlichen Dank!

Schalom - Salaam

Euer / Ihr
Michael Schmid

 

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Fußnoten

Veröffentlicht am

03. Oktober 2009

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