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Israel: Bewegungsfreiheit für Atomspion

Mordechai Vanunu, dem wohl prominentesten Häftling Israels, ist es seit wenigen Tagen wieder erlaubt, das Land zu verlassen und Kontakte mit Ausländern zu haben

 

Von Wolfgang Kötter

Der 54-jährige Mordechai Vanunu saß 18 Jahre wegen Landesverrats und Spionage im Gefängnis von Aschkelon, nachdem er von einer Agentin des israelischen Geheimdienstes Mossad in eine Falle nach Rom gelockt, unter Drogen gesetzt und mit einem Schiff nach Israel entführt worden war. Zuvor hatte Vanunu am 5. Oktober 1986 in London der britischen Zeitung Sunday Times ein Interview über seine Tätigkeit als Techniker im Nuclear Research Center bei Dimona gegeben. Darin enthüllte er mit Fotos und ausführlichen Informationen das israelische Atomprogramm. Aus Sympathie mit den Palästinensern glaubte sich der Sohn jüdisch-marokkanischer Einwanderer verpflichtet, Israels Kernwaffenprogramm vor der Welt aufzudecken. Am 21. April 2004 wurde Vanunu unter strengen Auflagen freigelassen. Fünf Jahre lang durfte er Israel nicht verlassen, sich keiner ausländischen Botschaft nähern und musste über geplante Ortswechsel Rechenschaft ablegen. Nach Ablauf der Bewährungsfrist kann Vanunu nun seit einigen Tagen wieder ein halbwegs normales Leben führen, Kontakte mit Ausländern pflegen und eine Freizügigkeit in Anspruch nehmen, die ihm jahrzehntelang verwehrt blieb.

Strategie der "atomaren Zweideutigkeit"

Israel verfolgt eine Strategie der "atomaren Zweideutigkeit" und hat den Besitz von Nuklearwaffen nie bestätigt oder dementiert. Unklarheit ist ein integraler Bestandteil seiner atomaren Abschreckung. Es werde "nicht das erste Land sein, das im Nahen Osten Atomwaffen einführt - aber auch nicht das letzte", so die salomonische Sprachregelung. Nach Angaben von Experten des Jaffee-Zentrums für strategische Studien in Tel Aviv könnte Israel jährlich 40 Kilogramm Plutonium für weitere Atombomben herstellen. Sein Atomarsenal könnte demnach bis zu 500 Nuklearwaffen inklusive leistungsfähiger Trägersysteme umfassen.

Die etwa 50 Jericho-2-Raketen sind in der Lage, 1.000 Kilogramm schwere Sprengköpfe mindestens 1.500 Kilometer weit zu transportieren. Die von den USA erworbenen F-16- und F-15-Jets können ebenfalls nukleare Bomben aufnehmen. Darüber hinaus wird auch die Marine mit Atomwaffenträgern ausgerüstet. Deutschland lieferte U-Boote der Delphin-Klasse, die einen Aktionsradius von mehreren Tausend Kilometern haben. Im israelischen Selbstverständnis ist die Atomwaffe die letzte Zuflucht - die "Waffe der ultima ratio", sollte die Existenz Israels bedroht sein. Deshalb darf nach Auffassung von Armee und Regierung am Nuklear-Monopol in der Region nicht gerüttelt werden. Folglich ist für Verteidigungsminister Schaul Mofaz das iranische Atomprogramm so unerträglich, dass militärische Präventivmaßnahmen nicht ausgeschlossen werden.

"Wenn nötig, werden wir Gewalt anwenden"

Bereits 1981 hatte die israelische Luftwaffe die irakische Atomanlage in Osirak bombardiert und im Herbst 2007 eine angebliche Nuklearanlage bei al-Kibar in der syrischen Wüste. Nach Informationen der Jerusalem Post arbeitet das Militär inzwischen an einem Plan für einen einseitigen Militärschlag gegen Iran. Generalmajor Isaak Ben-Israel gegenüber dem Spiegel: "Wenn nötig, werden wir Gewalt anwenden." Vielleicht werde die Militäraktion schwieriger sein als die Zerstörung des irakischen Reaktors Osirak im Jahr 1981, "aber es ist lösbar. Wir könnten es schon heute tun". Eine hoch gefährliche Politik. Wer mit der militärischen Karte spielt, riskiert in den Worten von IAEA-Chef El Baradei einen "Feuerball", der die gesamte Region in ein Flammenmeer verwandeln würde. Andererseits bilden die Atomwaffen Israels eines der Hauptprobleme für den immer wieder stockenden Friedensprozess und liefern den arabischen Nachbarstaaten den Grund, sich offen oder verdeckt um eine eigene Nuklearoption zu bemühen.

Mordechai Vanunu setzte sich unter diesen Umständen nach seiner Haft und trotz Isolation nachdrücklich für nukleare Abrüstung ein. "Verbietet die Produktion, den Besitz und den Einsatz von Atombomben", forderte er anlässlich der Verleihung des Lennon-Ono-Friedenspreises 2004, "das ist wahrscheinlich das größte Geschenk, das die UNO und der Generalsekretär den sechs Milliarden Menschen dieser zerbrechlichen Welt machen könnten. Wir können unter der Bedrohung durch Atomwaffen nicht weiter existieren." Für seine mutige Haltung wurde Vanunu mehrfach ausgezeichnet.

Quelle: der FREITAG vom 27.04.2009. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Wolfgang Kötter und des Verlags.

Veröffentlicht am

28. April 2009

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