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Pflicht zum Widerstand

US-Sergeantin in Wiesbaden leistet Antikriegsarbeit. Jetzt wird gegen sie ermittelt

 

Von Elsa Rassbach

US-Army Sergeant Selena Coppa, 26, stationiert in Wiesbaden, würde sich gern an den Ostermärschen beteiligen: Es wird wohl diesmal wieder nicht klappen. Letztes Wochenende wollte sie in Strasbourg sein, um zusammen mit anderen Antikriegsveteranen auf der NATO-Konferenz zu reden, erhielt aber die Weisung, ihren Posten nicht zu verlassen. Ein Befehl hinderte sie auch daran, am "Winter-Soldier"-Hearing der Antikriegsveteranen am 14. März in Freiburg teilzunehmen.

Als Antikriegssoldatin im aktiven Dienst leistet Sergeant Coppa Friedensarbeit unter sehr schwierigeren Bedingungen. In ihrem Blog activedutypatriot.blogspot.com/ stellt sie Politik und Praxis der US-Führung in Frage und bekommt manchmal über 100 Kommentare von Kameraden. Einige drücken tiefen Respekt aus; andere sind wütend und bedrohen sie, in einem Fall sogar mit Bekanntgabe der Anschrift ihrer Mutter. Doch sie sagt, daß der Eid, die Verfassung der USA zu verteidigen, sie zum Widerstand verpflichtet.

Nun ist Coppa in den Vorstand von Iraq Veterans Against the War (IVAW), berufen worden: das erste Leitungsmitglied, das im aktiven Militärdienst bleibt (ihr Armeevertrag läuft 2011 aus). Sie ist jetzt das höchstgestellte IVAW-Mitglied in Europa und hofft, daß ihre Berufung weitere Soldatinnen und Soldaten "zum Widerstand anregen" wird.

Coppa gründete und leitet ein IVAW-Projekt mit dem Ziel, Soldaten dazu aufzurufen, die "Unterstützung für den Krieg zu verweigern". Das gab es schon früher. Der GI-Widerstand war ein wichtiger Faktor, die USA zum Rückzug aus Vietnam zu zwingen. Inspiriert vom legendären Hearing von Vietnam-Veteranen "Winter Soldier" 1971, mit dem die US-Kriegsverbrechen angeprangert wurden, organisierten Coppa und andere IVAW-Mitglieder im März 2008 nahe Washington ein ähnliches Hearing unter dem Namen "Winter Soldier: Iraq and Afghanistan". Seitdem gibt es regionale Hearings in den USA, in Freiburg fand ein solches im März statt.

Die IVAW ist im Jahr 2004 gegründet worden und hat 1.700 Mitglieder, darunter ca. 400 GIs im aktiven Dienst. Ortsgruppen sind in 48 US-Staaten, Kanada, Irak, Afghanistan und Europa organisiert. Die IVAW fordert den sofortigen Rückzug aller Besatzungskräfte aus dem Irak, Reparationen für dieses Land und Unterstützung für rückkehrende Militärangehörige. Im Februar 2009 stimmten IVAW-Mitglieder einer Resolution zu, die "den sofortigen und bedingungslosen Rückzug aller Besatzungskräfte aus Afghanistan und Reparationen für das afghanische Volk" fordert.

US-Armeevorschriften schützen die Meinungsfreiheit der GIs und erlauben die Mitgliedschaft in überparteilichen nichtgewerblichen Organisationen wie IVAW. Dennoch mußte Coppa einige Schikanen erleben. An dem Tag, als sie zum IVAW-Vorstand berufen wurde, begann die US Army Europe gegen sie zu ermitteln. Formell ist sie noch nicht angeklagt worden. Aber ihre Vorgesetzten sprechen von "Pflichtversäumnis", "verräterische Äußerungen" und "Kritik an den Kriegszielen der USA".

Quelle:  junge Welt , 11.04.2009. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung der jW-Redaktion.

Veröffentlicht am

14. April 2009

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