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Warum Avigdor Lieberman das Schlimmste ist, was dem Nahen Osten zustoßen kann

Von Robert Fisk, 20.03.2009 - The Independent / ZNet

Vor einigen Tagen heulten die Araber vor Wut, als es der Israellobby gelang, Charles Freeman, der kein Blatt vor den Mund nimmt, von seinem Geheimdienst-Job für Präsident Obama, für den er vorgeschlagen war, wegzuscheuchen. Heute müssen sie sich (vielleicht) mit einem israelischen Außenminister abfinden, der es - um es offen zu sagen -, mit rassistischen Kommentaren über Loyalitätstests für Palästinenser ins neue Kabinett von Benjamin Netanjahu geschafft hat. Lieberman ist einer der unangenehmsten Politiker des Nahen Ostens.

Die Iraker brachten den verhassten Saddam Hussein hervor. Die Iraner schufen den verschrobenen Ahmadinedschad. Apropos Wahnsinn. Den merkwürdigen Herrscher Libyens will ich erst gar nicht erwähnen. Und nun haben die Israelis den exaltierten Avigdor Lieberman, einen Mann, der Ariel Scharon den Rang abläuft.

Einige wenige Palästinenser zeigten sich grausam erfreut. Endlich werde der Westen das "wahre Gesicht" Israels erkennen. Das habe ich schon einmal gehört - als Scharon Premierminister wurde. Und man wird den üblichen Schwachsinn verbreiten: Nur ein "Extremist mit harter Linie" sei zu den nötigen Kompromissen für ein Abkommen mit den Palästinensern in der Lage.

Diese Art von Selbsttäuschung ist die Krankheit des Nahen Ostens. Tatsache ist, dass der künftige israelische Premierminister völlig klargestellt hat, dass es keine Zweistaatenlösung geben wird. Er pflanzte auf dem Golan einen Baum, um zu demonstrieren, dass die Syrer nicht dorthin zurückkehren werden. Und nun hat Netanjahu also einen Mann in sein Kabinett geholt, der die (israelischen) Araber als Bürger zweiter Klasse des Landes betrachtet.

Liebermans erster Besuch in Washington wird bestimmt köstlich. Der AIPAC stellt sich als Israellobby (in den USA) dar, in Wirklichkeit arbeitet er für die Likudisten. Der AIPAC wird für Lieberman kämpfen, und Lady Hillary wird ihn im Außenministerium warmherzig begrüßen müssen. Wer weiß, vielleicht wird Lieberman ihr sogar vorschlagen, einen Loyalitätstest für Minderheiten in den USA einzuführen. Das hieße, selbst Obama müsste einen Treueschwur leisten. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

In Ägypten wird Avigdor Lieberman es schwer haben. Die Amerikaner haben keine Schwierigkeiten mit Hosni Mubarak. Doch Lieberman hatte sich über ihn beschwert, der ägyptische Präsident sollte entweder Israel besuchen oder "zur Hölle fahren". Das hat Mubarak schwer gekränkt, der hohe Risiken eingegangen ist, um den Frieden zwischen seinem Land und dem israelischen Staat zu erhalten.

Die Ägypter lasen in ihren Zeitungen mit Empörung, dass Lieberman davon sprach, die Palästinenser im Toten Meer zu ertränken oder palästinensische Israelis zu exekutieren, wenn sie mit der Hamas sprachen. Gestern Abend trat auf Al Dschasiera ein Anhänger Liebermans auf, der die Hamas als "antisemitische, barbarische Organisation" beschrieb.

Doch auch israelische Armeeoffiziere haben mit dieser angeblich so "barbarischen" Gruppe gesprochen - vor und nach dem Abkommen von Oslo.

Doch der Aufbau einer derart extremistischen Regierung in Israel und die hilflose Reaktion der Obama-Administration auf die sogenannten Israel-Unterstützer, die Charles Freemans Karriere zerstörten, bedeutet Gefahr für den Nahen/Mittleren Osten. Die ‘Arab News’, mit Sitz in Dschidda, bezeichnete das Freeman-Fiasko als "eine schwere Niederlage für die US-Außenpolitik". Die arabische Presse gab die üblichen Plattitüden ab. Doch die ängstlichen Bemerkungen des US-Pressesekretärs Robert Gibbs, auf die Frage, warum Obama in der Freeman-Affäre "schweigend dasteht", spielte sie hoch. "Ich habe mit großem Interessen beobachtet, wie Leute die Dinge unterschiedlich sehen, was unsere Politik angeht oder während des Wahlkampfes - ob wir der ein oder anderen Gruppe zu nahe stehen. Daher denke ich nicht viel über sie nach", sagte Gibbs. Als man ihn um ‘direkte Antworten’ bat, sagte er: "Ich habe Ihnen eine so direkte (Antwort) gegeben, wie ich sie bekommen kann".

Das war fast so witzig, wie die New York Times, die in der vergangenen Woche versuchte, zu erklären, warum Lady Hillary solche Angst hat, die Israelis während der Bildung der Regierung Netanjahu zu beleidigen. Clinton hatte die Zerstörung von 1000 palästinensischen Wohnhäusern als "nicht hilfreich" (unhelpful) bezeichnet.

Ihr vorsichtiger Umgang mit dem Nahen Osten, so die Erklärung der New York Times, sei "eine Reflektion jener tückischen Landschaft im Nahen Osten, wo ein Satz am falschen Platz zu Federrupfen unter den Wählern in der eigenen Heimat führen kann". Wenn Lieberman in diese Heimat reist, werden wir sehen, wessen Federn fliegen.

Die betreffenden Leute täten gut daran, sich an die verhetzende Sprache Avigdor Liebermans zu halten, der eher wie ein russischer Nationalist klingt als wie der säkulare Israeli, der er behauptet zu sein.

Anfang der 90er Jahre habe ich über das Blutbad in Bosnien berichtet. Ich erkenne in Liebermans Sprache - von Exekutionen, ertränken, Hölle und Loyalitätseiden - die Sprache der Herren Mladic, Karadzic und Milosevic.

Lady Hillary und ihr Boss sollten einige Bücher über den Krieg in Ex-Jugoslawien aus dem Regal holen, damit sie begreifen, mit wem sie es zu tun haben. "Nicht hilfreich" ist nicht die angemessene Antwort.

Robert Fisk ist ein international anerkannter Journalist des "Independent" in London. Seine Berichte über den Nahen Osten liefern den dringend notwendigen Kontrast zur offiziellen Doktrin und inspirieren Aktivisten auf der ganzen Welt. Er ist regelmäßiger Autor des ZNet, außerdem schreibt er noch für "The Nation" und weitere Publikationen.

 

Quelle:  ZNet Deutschland   vom 21.03.2009. Originalartikel: Why Avigdor Lieberman is the worst thing that could happen to the Middle East . Übersetzt von: Andrea Noll.

Veröffentlicht am

22. März 2009

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