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Sicherheitskonferenz: Alleingänge nur im Ausnahmefall

US-Vize-Präsident Joe Biden kam beim Besuch der Münchener Sicherheitskonferenz nicht umhin zuzugeben, dass der Afghanistan-Krieg zu "Obamas Krieg" werden wird

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Von Eric Chauvistré

Wir werden den Kontakt suchen." - "Unsere Partnerschaft ist für uns alle gut." Der eloquente Herr am Rednerpult im Hotel Bayerischer Hof überschlug sich mit generösen Angeboten. Dabei hätte der neue US-Vizepräsident bei der Münchner Sicherheitskonferenz gar nicht so viel Überzeugungskraft mobilisieren müssen. Wie kein anderer neben Präsident Barack Obama verkörpert Joe Biden den Wechsel in Washington, hatte er doch seinen Vorgänger Richard Cheney im Wahlkampf als den gefährlichsten Vizepräsidenten der US-Geschichte bezeichnet. Schon das macht ihn bei vielen Europäern glaubwürdig.

Damit Bidens Auftritt seine Wirkung entfalten konnte, musste sogar Pentagon-Chef Robert Gates dieser jährlichen inoffiziellen Zusammenkunft der NATO fern bleiben. Ein noch von George W. Bush eingesetzter Ressortchef schien wenig geeignet, den großen außenpolitischen Wandel - "change, we can believe in" - vor den versammelten europäischen Wehrpolitikern zu vertreten.

Bidens Rede in München war schließlich das erste offizielle und umfassende außenpolitische Statement der neuen US-Regierung. Doch so sehr Biden auch die Herausforderungen einer neuen umfassenden Außenpolitik darzustellen versuchte - vom Kollaps des globalen Finanzsystems bis zum Klimawandel - letztendlich konnte dies nicht verdecken, dass es vor allem um ein Thema ging: Afghanistan. Der Krieg dort werde "weder einfach noch billig", so der für die US-Truppen im Mittleren Osten zuständige Chef des US Central Command, David Petraeus, in München. "Ein langer Kampf" stehe bevor. Der Afghanistan-Krieg wird zu "Obamas Krieg" und dessen Präsidentschaft dominieren.

Aber ist da nicht noch der Konflikt um das iranische Atomprogramm? Liegen die Pläne für Luftangriffe auf den Iran nicht längst in den Schubladen des Pentagon? Hat nicht Außenministerin Clinton jüngst erklärt, die USA würden eine iranische Bombe um jeden Preis verhindern? Auch Biden richtete in München wieder deutliche Worte an die iranische Führung, doch ließ er zumindest die Option offen, stillschweigend nach einem Arrangement zu suchen, wenn das denn für die neue US-Regierung einmal opportun sein sollte.

Die USA würden das Projekt Raketenabwehr zwar fortsetzen, so Biden in München, aber eben nur wenn die Technologie erwiesenermaßen "funktioniert und kosteneffektiv" sei. Und überhaupt gedenke man die Angelegenheit im Gespräch mit der NATO und Russland zu regeln. Auch Obamas Sicherheitsberater, Ex-NATO-General James Jones, schlug neue Töne gegenüber Russland an und bezeichnete es wieder als "Partnernation". Die man braucht, um das Desaster in Afghanistan in den Griff zu bekommen. Ohne die Unterstützung oder zumindest das Wohlwollen Russlands haben die USA zunehmend Probleme, ihre Truppen in Afghanistan zu versorgen. Die Route über Pakistan wird immer gefährlicher. Und erst vor wenigen Tagen kündigte Kirgisien ein Stationierungsabkommen mit den USA. Russland dagegen bietet Washington in der Afghanistan-Frage logistische Hilfe.

Und auch der Iran könnte eine entscheidende Rolle spielen, um ein Scheitern der USA in Afghanistan abzuwenden. "Wir haben erst allmählich gelernt, dass die Probleme in Afghanistan nicht nur ein Land betreffen, sondern dass es sich um ein regionales Problem handelt", so Sicherheitsberater Jones. Wenn die USA aber irgendwann eine regionale politische Lösung anstreben, dann wird wohl der Iran dabei eine wichtige Rolle spielen. Der "neue Ton" seiner Regierung, so Biden in München, sei "kein Luxus". Er sei "eine Notwendigkeit." "Wir wünschen uns von Ihnen Ideen und Input." Die Sprache der religiösen Eiferer um George W. Bush ist also Vergangenheit.

Man werde - wann immer möglich - partnerschaftlich arbeiten, erklärte Biden. Doch dann fügte er einen dezenten Hinweis hinzu: "Allein" werde seine Regierung handeln, "wenn wir müssen".

Eric Chauvistré lebt als freier Autor in Berlin. Im März 2009 erscheint im Campus Verlag sein Buch Wir Gutkrieger. Warum die Bundeswehr im Ausland scheitern wird.

 

Quelle: der FREITAG vom 12.02.2009. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Veröffentlicht am

15. Februar 2009

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