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Dämme gegen eine Kernwaffenschwemme

Nächste Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag von entscheidender Bedeutung

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Von Wolfgang Kötter

Die atomare Abrüstung ist heute auch in Berlin das Thema des Tages. Hier trifft sich die "Middle Powers Initiative", um darüber zu beraten, wie eine erfolgreiche Vorbereitung der nächsten Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag wirksam unterstützt werden kann.

Kürzlich haben auch vier ehemalige Spitzenpolitiker der Bundesrepublik zur Schaffung einer atomwaffenfreien Welt aufgerufen. Mit ihrem gemeinsamen Appell schließen sich Helmut Schmidt, Richard von Weizsäcker, Egon Bahr und Hans-Dietrich Genscher einer Reihe ähnlicher Aufrufe prominenter Persönlichkeiten aus aller Welt an. Erst zum Jahreswechsel starteten Hundert namhafte Vertreter aus Politik, Militär und Gesellschaft in Paris die länderübergreifende Kampagne "Global Zero" . Darin setzen sie sich für eine Welt ohne Kernwaffen ein und regen den Abschluss einer Konvention zum Verbot aller Nuklearwaffen an.

Acht Länder als Bündnispartner

In Berlin trifft sich die "Middle Powers Initiative" zu zweitägigen Beratungen über nukleare Nichtverbreitung und Abrüstung. Die Bewegung wurde im März 1998 von einem Netzwerk internationaler Nichtregierungsorganisationen gegründet und wählte den ehemaligen Diplomaten und Senator Douglas Roche aus Kanada zu ihrem Vorsitzenden. Sie versteht sich als eine weltweite Kampagne, die die führenden Politiker der Atomwaffenstaaten dazu drängen will, aus den Denkmustern des Kalten Krieges auszubrechen und den existenziellen Gefahren der atomaren Selbstvernichtung auf neue Art zu begegnen. Angestrebt werden beispielsweise ein Verzicht auf den Ersteinsatz, die Aufhebung der Alarmbereitschaft sämtlicher Nuklearstreitkräfte und Verhandlungen zur vollständigen Abschaffung der Atomwaffen.

Die Geschäftsstelle befindet sich beim Global Security Institute in New York. Aber aktiv sind die Mitstreiter in der ganzen Welt. Sie helfen bei der Mobilisierung einflussreicher mittelgroßer Staaten, um deren politischen Willen für die Schaffung einer atomwaffenfreien Welt zu fördern. Zur Aufklärungskampagne gehören Seminare, Publikationen und Beratungen mit Regierungen, Parlamentariern wie auch Bürgerorganisationen.

Als Bündnispartner auf staatlicher Seite haben sie die aus sieben Ländern bestehende "New Agenda Coalition" gewonnen. Ägypten, Brasilien, Irland, Neuseeland, Mexiko, Slowenien, Südafrika und Schweden üben in internationalen Foren einen gebündelten politischen Druck auf die Atomwaffenmächte aus, damit diese ihrer völkerrechtlichen Verpflichtung zur nuklearen Abrüstung endlich nachkommen. Im Artikel VI des seit 1970 geltenden Atomwaffensperrvertrages haben sich diese nämlich zu Verhandlungen über die nukleare wie auch die allgemeine und vollständige Abrüstung verpflichtet.

Ignoranz der Atommächte gefährdet Sperrvertrag

Heute, fast vier Jahrzehnte später, ist dieses Ziel jedoch weiter entfernt denn je. Schlimmer noch, der Menschheit droht eine Kaskade der Verbreitung von Atomwaffen, die bereits in dieser Generation 20 bis 30 neue Besitzer der verheerenden Massenvernichtungswaffe hervorbringen könnte. Darunter nicht nur Staaten, sondern möglicherweise auch Terroristen, Piraten oder Kriminelle. Der Atomwaffensperrvertrag als eine zentrale völkerrechtliche Säule der Nichtverbreitung ist nicht zuletzt durch die Ignoranz der Atommächte höchst gefährdet, denn immer ungeduldiger fragen die übrigen 186 Vertragsmitglieder, warum sie weiterhin nuklearen Verzicht üben sollen, wenn die Großmächte offensichtlich nicht dazu bereit sind, ihre Atomwaffen aufzugeben.

Einen Erfolg erreichte die "New Agenda Coalition" und die sie unterstützende "Middle Powers Initiative" durch intensive Lobbyarbeit auf der Überprüfungskonferenz im Jahre 2000. In einer dramatischen Schlussdebatte einigten sich die Teilnehmer damals auf ein Aktionsprogramm von 13 konkreten Maßnahmen der atomaren Abrüstung. Die Zusicherung der Nuklearmächte, ihre Arsenale vollständig abzurüsten, ohne dies wie bis dahin lediglich als "Fernziel" zu bezeichnen, war ein bemerkenswerter diplomatischer Sieg.

Desaster von 2005 verursachte bisher schwerste Krise

Doch die Hoffnung, dass dieses Vorhaben auch in der Praxis umgesetzt würde, erfüllte sich nicht. Mit der öffentlichen Abkehr von den 13 Schritten provozierten die Kernwaffenstaaten dann das totale Scheitern der Überprüfungskonferenz im Jahre 2005 und stürzten den Vertrag in seine bisher schwerste Krise. Wenn es nicht gelingt, die für kommendes Jahr geplante Konferenz zum Erfolg zu bringen, bedeutet das wahrscheinlich das endgültige Aus für den Atomwaffensperrvertrag und würde einer Schwemme neuer Atomwaffenbesitzer Tür und Tor öffnen. Aber wie so oft liegt in der Krise auch eine Chance. So nahe am Abgrund kann die nukleare Nichtverbreitung offensichtlich nur noch durch einen radikalen Schritt gerettet werden: Die vollständige Abschaffung aller Atomwaffen.

Um ein erneutes Scheitern zu verhindern und die nukleare Abrüstung endlich in Gang zu bringen, schuf die "Middle Powers Initiative" deshalb unmittelbar nach dem Desaster im Jahr 2005 das sogenannte Artikel-VI-Forum. Die Aktivisten wollen gleich gesinnte Länder zusammenbringen, um gemeinsam juristische, technische und politische Elemente für eine atomwaffenfreie Welt auszuarbeiten. Bisher traf sich das Forum in New York, Den Haag, Ottawa, Wien und Dublin. Für das jetzige Treffen in Berlin hat sich der neu gewählte Vorsitzende Henrik Salander aus Schweden viel vorgenommen.

Die "Middle Powers Initiative" wird von acht Nichtregierungsorganisationen gesponsert: Albert Schweitzer Institute; Global Security Institute; International Association of Lawyers Against Nuclear Arms; International Network of Engineers and Scientists; International Peace Bureau; International Physicians for the Prevention of Nuclear War; Nuclear Age Peace Foundation; Women’s International League for Peace and Freedom.

Artikel VI des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen

Jede Vertragspartei verpflichtet sich, in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen über wirksame Maßnahmen zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens in naher Zukunft und zur nuklearen Abrüstung sowie über einen Vertrag zur allgemeinen und vollständigen Abrüstung unter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle.

Der schwedische Diplomat und Abrüstungsexperte Johan Henrik Salander (geb. 30.09.1945) war einer der Initiatoren der "New Agenda Coalition". Er vertrat sein Land bei internationalen Konferenzen, in der UNO und war von 1999 bis 2002 Schwedens Ständiger Vertreter in der Genfer Abrüstungskonferenz. Er leitete das Vorbereitungskomitee zur Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages in 2002. Anschließend arbeitete er als Generalsekretär der von seinem Landsmann Hans Blix geleiteten "Internationalen Kommission zu Massenvernichtungswaffen". Bis zu seiner Pensionierung Ende vergangenen Jahres war er stellvertretender Generaldirektor im schwedischen Außenministerium. Seit 1. Januar ist er Vorsitzender der "Middle Powers Initiative".

Veröffentlicht am

29. Januar 2009

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