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Opel zeigt: Die Chance zum ökologischen Umbau wird nicht genutzt


Von Michael Jäger

Seit der Autohersteller Opel eine Staatsbürgschaft beantragt hat, bahnt sich eine gesellschaftspolitische Debatte an. Klaus Franz, der Betriebsratsvorsitzende, hat die entsprechende Formel schon gefunden: "Von einem VEB Opel halte ich wenig." Er verlangt, dass der Staat zwar bürgen soll, aber ohne die Gegenleistung einer Teilverstaatlichung durch Aktienübernahme. Genau das Gegenteil war zuvor von Peter Bofinger vorgeschlagen worden, einem Mitglied des Sachverständigenrats der "fünf Weisen". Über eine Teilverstaatlichung der Banken hatte man schon vorher gestritten. Der Streit musste aber erst in der produzierenden Wirtschaft Eingang finden, damit seine Auswirkungen deutlich werden konnten. Denn während es in den ersten Wochen der Finanzkrise nur darum ging, die Banken zu stützen und vielleicht in Zukunft besser zu kontrollieren, ist jetzt die Frage aufgetaucht, ob nicht auch eine Gelegenheit zum grundlegenden Umbau der Produktion entstanden ist.

Wenn der Staat als Großaktionär in die Autokonzerne einstiege, könnte er ihnen mehr Ökologie aufnötigen, als sie von sich aus beherzigen wollen. In Deutschland haben die Grünen schon vor dem Opel-Hilferuf verlangt, der Staat müsse genau jetzt "ein Marktanreiz- und Forschungsprogramm für Elektromobilität" auflegen. Das ökostrombetriebene Elektroauto, so forderten sie unter anderem, müsse schnell zur Serienreife gebracht werden. Aber die Bundesregierung ist weit entfernt, die Autokrise als Druckmittel für eine Produktpolitik zu nutzen. In ihrer Perspektive haben die Krisen nichts miteinander zu tun: Sie verspricht Opel einerseits Geld, nur um die Arbeitsplätze zu sichern, egal was dort produziert wird; andererseits spricht auch sie von "ökologischer Industriepolitik", doch legt sie diese ganz in die Hände der Konsumenten. Die Kunden werden zur Wahl ökologischer Autos ermuntert, indem sich die KfZ-Steuer künftig nur nach dem Schadstoffausstoß bemisst. Und gleichzeitig entlässt man die Unternehmer aus der Verpflichtung, den Ausstoß der Autoflotten bis 2012 auf 120 Gramm pro Kilometer zu senken. Sie sollen jetzt bis 2015 Zeit haben.

Diese Debatte ist noch längst nicht genügend zugespitzt, aber man ahnt bereits die in ihr schlummernden Möglichkeiten. Erstens zeichnet sich eine Antwort auf die Krise ab, die radikal wäre, ein ganzes Umbaumodell einschließen würde und sofort in die Tat umgesetzt werden könnte; es hängt "nur" vom politischen Willen ab. Denn nachdem staatliche Aktienübernahme als Modell für die Banken- und Autobranche diskutiert wird, fragt man sich, ob es nicht am besten wäre, große Teile der Wirtschaft überhaupt über einen derartigen Aktienbesitz zu steuern. Wird doch die Krise bald sehr viele Branchen erfasst haben. Wenn weniger Autos verkauft werden, dann sind auch die Zulieferer betroffen, ebenso wie die Chemie, die die Farben für den Autolack liefert. Und so geht es weiter. Der Hilfeschrei der Unternehmen wird universell sein. Der Staat könnte ihn überall mit Aktienübernahme beantworten, dann eine Behörde einrichten, die den Aktienbesitz bündelt, und auf seiner Basis eine gesellschaftsübergreifende Produktpolitik beginnen. So ungefähr steuern die Chinesen ihre Wirtschaft. Wenn wir es auch täten, bräuchten wir dafür keine Einparteidiktatur. Im Gegenteil, wir würden mehr (Wirtschafts-) Demokratie wagen. Und könnten außerdem noch die Arbeitslosigkeit drastisch senken.

Zweitens stellt sich die Frage, wie dieser Umbau denn aussehen könnte. Heute wird das Elektroauto vorgeschlagen: Das ist eine sehr isolierte Antwort auf das ökologische Problem. Die Grünen selbst weisen darauf hin, dass die US-amerikanische Finanzkrise auch wegen einer bestimmten und zwar antiökologischen Siedlungsstruktur ausgebrochen ist - die uns bisher lediglich in Form einer Immobilienblase bewusst wurde. Aber den Zusammenhang zwischen Siedlungsstruktur und Autopolitik, den sie um 1990 herum als erste diskutiert haben, bringen sie noch nicht wieder in die Debatte. Ökologischer Umbau würde nämlich auch bedeuten, dass man zwischen Wohn- und Arbeitsplatz entweder die Distanz klein hält, um lange Autofahrten unnötig zu machen, oder da, wo das nicht möglich ist, den öffentlichen Verkehr ausbaut. Das wiederum würde zu einer anderen Bahnpolitik führen, als sie heute betrieben wird. Heute dreht sie sich um schnellste Züge, die mit dem inländischen Flugverkehr konkurrieren soll, es aber wegen des Billigfluggeschäfts nicht kann. Siedlung, Autos, Bahnen, Flugzeuge - ergänzen wir noch den Computer: Ortswechsel sind angesichts der modernen Kommunikationsmöglichkeiten immer weniger notwendig.

Autos haben ohnehin schon seit einiger Zeit ihre Funktion als Statussymbol verloren. Ist es dann nötig, ihnen den ganzen Produktionszusammenhang unterzuordnen?

Quelle: FREITAG. Die Ost-West-Wochenzeitung   48 vom 27.11.2008. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Michael Jäger und des Verlags.

Veröffentlicht am

27. November 2008

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