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Blickwinkel Südamerika

Von Amy Goodman, 21.11.2008 - truthdig.com / ZNet

Evo Morales weiß, was "glaubwürdiger Wandel" bedeutet. Und er weiß auch, was passiert, wenn eine mächtige Elite, einen Wandel, den sie nicht will, dennoch mitvollziehen muss.

Morales ist der erste indigene Präsident Boliviens. Bolivien ist das ärmste Land in Südamerika. Morales ist seit Januar 2006 im Amt. Gegen enorme innenpolitische Widerstände verstaatlichte er die bolivianischen Erdgas-Felder und brachte dem Land wirtschaftliche Stabilität. Interessanterweise profitierte auch jene Elite, die sein Handeln ursprünglich kritisierte und wurde noch reicher.

Im September 2007 erreichte der Backlash (gegen Morales) einen Höhepunkt. Ich führte diese Woche in New York ein Interview mit Evo Morales.Das Interview mit Evo Morales ist zu lesen, hören und sehen unter: An Hour with Bolivian President Evo Morales: "Neoliberalism Is No Solution for Humankind"   bei "Democracy Now!". Darin sagte er: "Die Opposition, die rechten Parteien… entschlossen sich zu einem gewalttätigen Staatsstreich… Sie haben es nicht geschafft".

Als Reaktion auf den Coup hatten sich die Präsidenten der südamerikanischen Staaten in Chile zu einer Dringlichkeitsversammlung getroffen. Die Leitung hatten zwei weibliche Präsidentinnen: Michelle Bachelet (Chile) und Christina Kirchner (Argentinien). Die Gruppe gab ein Statement ab, in dem sie die Gewalt verurteilte und Morales unterstützte.

In unserem Interview diese Woche sagte Morales zu mir: "Ich bin aus folgendem Grund hier in den USA: Ich will der internationalen Gemeinschaft Respekt zollen, weil alle den Staatsstreich gegen (unsere) Demokratie und die Herrschaft des Rechtes verurteilt haben - alle, außer den USA, alle, außer dem US-Botschafter. Es ist unglaublich".

Nach dem Coup-Versuch hatte Morales den damaligen amerikanischen Botschafter in Bolivien, Philip Goldberg, des Landes verwiesen und erklärt: "Er konspiriert gegen die Demokratie und versucht, Bolivien zu spalten". Morales: "Er hat mich immer als den ‘Bin Laden der Anden’ bezeichnet. Die Koka-Anbauer pflegte er Taliban zu nennen… Das US-Außenministerium beschuldigte mich stets, ich sei ein Drogenhändler und ein Terrorist. Selbst heute, da ich Präsident bin, macht die (US-)Botschaft das noch. Aber ich weiß, das kommt nicht vom amerikanischen Volk".

Morales gibt der ‘U.S. Drug Enforcement Administration’ (DEA) drei Monate, um Bolivien zu verlassen. Am Montag kündigte Morlaes vor den Vereinten Nationen an, die DEA dürfe danach nicht mehr nach Bolivien zurückkehren. Morales war selbst ein "Cocalero", ein Drogenbauer. Für die indigene Kultur Boliviens und für die lokale Ökonomie spielt die Koka-Pflanze eine zentrale Rolle. Roger Burbach ist Direktor des ‘Center for the Study of the Americas’. Burbach schrieb: "Morales vertritt die Devise: ‘Koka ja, Kokain nein’". Burbach fordert ein Ende der gewaltsamen, von den USA finanzierten Anti-Koka-Razzien. Er tritt für das Recht der bolivianischen Bauern ein, Koka für medizinische Anwendungen und für den Konsum innerhalb des Landes anzubauen. Als Tee, Kräuterpflanze und in anderen Produkten sollte Koka - so Burbachs Meinung - auch exportiert werden dürfen.

Evo Morales’ Ziel ist es, das bolivianische Erbe des Kokaanbaus zu bewahren. Gleichzeitig will er die Geißel des Drogenhandels bekämpfen. Seiner Meinung nach benutzen die USA den Krieg gegen die Drogen als Vorwand, um sein Land zu destabilisieren: "Würden sie wirklich gegen den Drogenhandel kämpfen, wäre es etwas anderes", so Morales. Nun sei endlich der Punkt erreicht, an dem sich die Führer der südamerikanischen Staaten selbst organisierten, so Morales: "Wir richten einen nationalen Geheimdienst ein, der mit unseren Nachbarn Argentinien, Chile und Brasilien kollaborieren wird. Auf diese Weise wird der Kampf gegen den Drogenhandel effektiver werden. Aber die Sache wird auch ein politisches Element haben. Wir lassen die DEA nicht zurück, aber das heißt nicht, dass wir die Beziehungen zu den USA abbrechen werden".

Die wiedererstandenen Demokratien Lateinamerikas hoffen auf bessere Beziehungen zu Amerika - aufgrund des neugewählten Präsidenten Obama. Zur Wahl des ersten afrikanisch-amerikanischen Präsidenten kommentierte der erste indigene Präsident Boliviens Morales: "Vielleicht können wir uns ergänzen, um für die Gleichheit der Menschen einzutreten - für die Menschen, hier, auf Mutter Erde". Nach unserem Gespräch eilte Morales nach Washington, um das Lincoln Memorial zu besuchen und Dr. Martin Luther King Junior zu würdigen: "Ich will meine Brüder würdigen, die Bewegung, die afro-amerikanische Bewegung. Ich bin verpflichtet, die Menschen zu ehren, die uns vorangegangen sind - jene, die für Respekt für die Menschenrechte und für die Rechte im Allgemeinen gekämpft haben".

Tausende versammelten sich am vergangenen Wochenende vor Fort Benning/Georgia. Es war der alljährliche Massenprotest (ziviler Ungehorsam) gegen die U.S. School of the Americas (die sich mittlerweile WHINSEC nennt). Diese Einrichtung ist ein militärisches Trainingszentrum. Hunderte lateinamerikanischer Soldaten, die später beschuldigt wurden, in ihren Heimatländern Menschenrechtsverstöße begangen zu haben, waren Absolventen dieser Einrichtung. Die Wunden der amerikanischen Einmischung in Lateinamerika sind noch nicht verheilt. Der neugewählte Präsidente Obama hat nun die Chance, die Hand auszustrecken und den Olivenzweig zu ergreifen, den ihm Präsident Morales hinhält.

Denis Moynihan hat zu diesem Artikel beigetragen.

Amy Goodman ist Gastgeberin von ‘Democracy Now!", einem internationalen Radio- und Fernseh-Programm, das jeden Tag (stündlich) Nachrichten sendet. Mittlerweile wird "Democracy Now!"   in Nordamerika über 700 Sendestationen verbreitet.

Amy Goodman ist die diesjährige Trägerin des Right Livelihood Award 2008 (Alternativer Nobelpreis). Im Dezember wird die Verleihung des Preises an Goodman im Schwedischen Parlament stattfinden.

Quelle:  ZNet Deutschland   vom 22.11.2008. Originalartikel: A View From the South . Übersetzt von: Andrea Noll.

Fußnoten

Veröffentlicht am

23. November 2008

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