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Nachruf: Miriam Makeba (1932-2008)

Von Thomas Rothschild

Auf dem Gebiet des politischen Liedes gab es seit je überragende Sängerinnen: Violetta Para, Mercedes Sosa, Maria Farantouri, Gisela May und unzählige andere. Sie haben sich nicht über ihr Geschlecht, sondern über ihre politische Gesinnung und über ihre Gesangskunst definiert, und darin waren sie Atahualpa Yupanqui und Victor Jara, Petros Pandis und Ernst Busch ebenbürtige Genossinnen. Ist es wirklich Zufall, dass die Inhalte, für die diese Künstlerinnen und Künstler standen, in dem Maße aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden sind, in dem man das Geschlecht zum Kriterium der Beurteilung und auch des "Konsums" ihrer Produktionen gemacht hat?

Miriam Makeba, die am Montag im Alter von 76 Jahren gestorben ist, wurde zu Recht seit einem halben Jahrhundert als die Stimme Afrikas wahrgenommen - und "Stimme" ist hier im doppelten Sinn zu verstehen: als jene, die das Verbrechen der Apartheid in der Welt verkündet hat, und als jene, die uns eine bis dahin kaum bekannte Musik vorsang, lange ehe Paul Simon und andere Weltreisende ihre Rhythmik und ihre Harmonien für sich nutzbar machten. Es war kein Geringerer als Harry Belafonte, der Miriam Makebas ungeheures Talent erkannte und ihr zur Seite stand, als ihr in den späten fünfziger Jahren nach einem Gastspiel die Rückkehr nach Südafrika verweigert wurde. Den Song Mbube (The Lion sleeps tonight), den Pete Seeger und die Weavers schon zuvor unter dem Titel Wimoweh in ihrem Repertoire gehabt hatten, verbreitete Miriam Makeba weltweit, und ihr Pata Pata wurde über die Folkszene hinaus zu einem Hit.

Sie hätte es sich, wie viele andere, leicht machen können. Einer Popkarriere im Westen stand nichts im Wege. Aber sie gehörte zu jenen Idealisten ihrer Generation, die daran glaubten, dass man mit Kunst die Welt verändern könne. Natürlich lässt sich heute, nach der Ernüchterung durch die fragwürdigen Ergebnisse, darüber spötteln. Aber selbst die Irrtümer der Altvorderen sind sympathischer als die satte Selbstzufriedenheit und der Karrierismus ihrer Nachkommen. Miriam Makeba war von 1964 bis 1966 mit Hugh Masekela, dem politisch engagierten südafrikanischen Jazztrompeter, und von 1968 bis 1973 mit dem Bürgerrechtler Stokely Carmichael verheiratet. Sie war und blieb eine kämpferische Persönlichkeit. Nelson Mandela holte sie nach Jahrzehnten des Exils nach Südafrika zurück.

Im Österreichischen Fernsehen sagte der ehemalige Chefredakteur dieser Anstalt Klaus Emmerich anlässlich der Wahl von Barack Obama, er wolle sich "nicht von einem Schwarzen in der westlichen Welt dirigieren lassen". Das wäre ungefähr so, "wie wenn der nächste Bundeskanzler in Österreich ein Türke wäre". Der Vorfall macht einmal mehr deutlich: der Rassismus ist nicht vom Tisch, die Apartheid in den Köpfen hat das Botha-Regime in Südafrika überlebt und sie wird die Wahl des amerikanischen Präsidenten überdauern. Miriam Makebas Gegner ist nicht erledigt.

Während in der Oper die Models à la Netrebko oder Garanca zunehmend die Bühne beherrschen und die Optik mehr und mehr die Besetzungen bestimmt, halten sich auf dem Gebiet, von dem hier die Rede ist, die Beleibten. Die Vitalität und die charismatische Ausstrahlung Miriam Makebas standen quer zum Schönheitsideal, das uns die Werbung täglich aufpfropft. Der Tod ereilte Miriam Makeba auf der Bühne in Italien, wo sie bei einem Konzert einen Herzinfarkt erlitt. Die Stimme ist verstummt. Bis zuletzt hat sie gesungen.

Quelle: FREITAG. Die Ost-West-Wochenzeitung   46 vom 13.11.2008. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

 

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Veröffentlicht am

14. November 2008

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