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Strahlen bis in alle Ewigkeit: Planen für eine Million Jahre

Mittlerweile hat die Politik gelernt, dass ein nationales Endlager für hochradioaktiven Müll eine breite Zustimmung erfordert. Doch wie erhält man sie?

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Von Connie Uschtrin

Eine Million Jahre? Das ist ungefähr die Ewigkeit. So lange sollte ein atomares Endlager für hochradioaktive Abfälle sicher sein. Die Suche ist dabei selbst schon eine unendliche Geschichte. Und wir stehen immer noch ganz am Anfang. Zwar gibt es schon ein genehmigtes Endlager für schwach- und mittelaktive Abfälle, das 2013 in Betrieb gehen soll: die Schachtanlage Konrad bei Salzgitter. Doch für die Entsorgung von den weitaus riskanteren hochradioaktiven, wärmentwickelnden Abfällen aus Atomkraftwerken gibt es weltweit noch keine überzeugende Lösung.

Es war schon immer etwas bizarr, dass die Politik für diesen Zweck vor gut 30 Jahren ausgerechnet eine Gemeinde auswählte, die die Silbe "leben" im Namen trägt. Gorleben sollte ein Ort bleiben, der bis in alle Ewigkeit mit der Bedrohung durch atomare Verseuchung verbunden ist. Obwohl zu Anfang die Endlager-Problematik gar nicht im Mittelpunkt stand: In Gorleben plante die niedersächsische Landesregierung ursprünglich ein riesiges Nukleares Zentrum, mit Wiederaufbereitungsanlage und nuklearem Entsorgungspark - so stellte man sich 1977 im damaligen Zonenrandgebiet das größte Industrieprojekt der Bundesrepublik vor. Doch der unerwartet große Widerstand vor Ort, der sich durch die Erfahrung von Tschernobyl 1986 noch verstärkte, ließ das Projekt scheitern. Die Gräben zwischen Politik, Betreibern und AKW-Gegnern scheinen mittlerweile unüberbrückbar.

Die Luft brannte

Um zunächst den Dialog über ein Endlager wieder in Gang zu setzen, hat das Bundesumweltministerium auf Drängen von Bürgerinnen und Bürgern im Umkreis von Gorleben Ende vergangener Woche ein dreitägiges Symposium in Berlin veranstaltet. Dort trafen Atomkraftgegner aus Lüchow-Dannenberg mit Vertretern der Atomindustrie, Wissenschaftlern, Politikern und Interessierten zusammen. Für Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD), der die Eröffnungsrede hielt, ging es in erster Linie um die Frage, wie "Akzeptanz für eine Endlagerentscheidung erreicht werden kann". Gabriel wünscht sich ein betriebsbereites Endlager bis zum Jahr 2035, was rein pragmatische Gründe hat, denn zu diesem Zeitpunkt laufen die Genehmigungen für die Zwischenlager sowohl bei den AKW als auch in Gorleben aus.

Heute werden in Gorleben oberirdisch in einer Halle, der sogenannten Kartoffelscheune, etwa 80 Castoren mit hochradioaktivem Müll gelagert. Die Erkundung des unterirdischen Salzstocks als Endlager wurde im Jahr 2000 unterbrochen. Zwei Jahre später hat der vom damaligen Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) initiierte Arbeitskreis Endlager (AkEnd) einen Bericht vorgelegt, der empfahl, bei der Suche nach einem Endlager für hochradioaktiven Müll von einer weißen Landkarte auszugehen, also die Vorfestlegung auf Gorleben zu revidieren. Politisch ein wichtiges Signal, doch seither ist man keinen Schritt weiter gekommen. Zwar steht im Koalitionsvertrag von 2005, eine Lösung des Endlager-Problems müsse gefunden werden, doch die Bundesregierung hat bereits signalisiert, dass bis zur Bundestagswahl 2009 nichts unternommen wird. Umweltminister Gabriel hat sich mittlerweile die Empfehlungen des AkEnd zu eigen gemacht, mit dem kleinen Unterschied, dass die Erkundungsergebnisse von Gorleben berücksichtigt werden sollen, immerhin habe man dort bereits 1,4 Milliarden Euro investiert. Das Erkundungs-Moratorium läuft 2010 aus, niemand weiß, wie es dann weiter geht. Für den Fall, dass ein anderer Standort Vorteile haben sollte, könnte man Gorleben fallen lassen, so sieht es Gabriel.

Nicht verwunderlich, dass die Luft während des Symposiums mitunter brannte. Zwischen AKW-Betreibern und -Gegnern gibt es jede Menge offene Rechnungen. So behauptete der Präsident des Deutschen Atomforums, Walter Hohlefelder, es gäbe bisher keine negativen Erkenntnisse zu Gorleben und sorgte zugleich für Erheiterung mit der Äußerung "wir hatten immer Akzeptanz vor Ort". Zwar stimmt es, dass etwa der Bürgermeister des benachbarten Ortes Gatow sowie einige andere fordern, die Untersuchungen in Gorleben müssten rasch zu Ende gebracht werden; doch die überwiegende Mehrheit des Landkreises ist dagegen. Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative hielt der Atomlobby entgegen, es habe nie ein transparentes Auswahlverfahren gegeben, zudem sei die Glaubwürdigkeit von Politikern und wissenschaftlichen Gutachtern durch die Erfahrungen mit Morsleben und mit der Asse schwer erschüttert. Gorleben sei geologisch aufgrund des wasserführenden Deckgebirges nicht geeignet und ohnehin "politisch verbrannt". Der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), Wolfgang König, kritisierte die erneuten Forderungen nach Laufzeitverlängerungen der Union. Eine Begrenzung der Atommüllproduktion sei die notwendige Voraussetzung für eine fruchtbare Debatte.

Am Ende bleiben Fragen

Wie man überhaupt auf Gorleben gekommen ist, weshalb die Menschen vor Ort nie beteiligt worden sind, warum ausgerechnet ein Salzstock als geeignetes Wirtsgestein in Frage kommt, wo doch sonst nirgendwo auf der Welt auf Salz gesetzt wird, wie letztendlich ein Verfahren bis zu einem von allen akzeptierten Ergebnis aussehen könnte, all diese Fragen wurden immer und immer wieder hitzig diskutiert. Und obwohl dabei keine Neuigkeiten ausgetauscht wurden, scheint dieses Zusammentreffen wichtig gewesen zu sein, um Tabula rasa mit Gorleben machen zu können - und (vielleicht) neu zu beginnen. Ein gangbarer Weg wäre, so das vorläufige Resultat, ein ergebnisoffenes und transparentes Verfahren, bei dem die Bürger von allen in Frage kommenden Standorten beteiligt sind. Zusätzlich müsste vor einer Neuorientierung ein Sicherheitskonzept entwickelt werden, damit man nicht Gefahr laufe, die Sicherheitsanforderungen an vorgefundene Gegebenheiten anzupassen.

Leider wurde zu wenig über Geld gesprochen. Denn eine ergebnisoffene Suche muss auch finanziert werden. Gabriel kann offenbar nicht zusichern, dass der Bund die gesamten Kosten übernimmt. Immer wieder wird darüber nachgedacht, ob und wie man die AKW-Betreiber an den Kosten beteiligen könnte. Die Gefahr ist, dass sie dann auch bestimmen, und sie haben sich schließlich längst für Gorleben entschieden.

Ein anderer Vorschlag hat mehr Charme: Die Energiekonzerne haben mittlerweile Rückstellungen in Höhe von circa 35 Milliarden Euro gebildet, die für die Entsorgung vorgesehen sind. Doch die steuerfreien Rücklagen investieren sie seit Jahren munter gewinnträchtig in völlig sachfremde Industrien. Wenn das Geld - wie von den Grünen vorgeschlagen - in einen öffentlich-rechtlichen Fonds überführt würde, könnte man möglicherweise allein von den Zinsen eine tatsächlich ergebnisoffene Suche durchführen.

Quelle: FREITAG. Die Ost-West-Wochenzeitung   45 vom 06.11.2008. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Veröffentlicht am

11. November 2008

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