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Kongresswahlen: Cindy Sheehan kandidiert gegen Republikaner UND Demokraten

Sheehan gegen Pelosi

Von Ann Wright, 01.11.2008 - truthout / ZNet

Es ist noch eine Woche bis zur Wahl. Ich bin hier in San Francisco und unterstütze Cindy Sheehan in ihrem Wahlkampf für den Kongress. Sie geht sowohl gegen das republikanische als auch das demokratische Establishment ins Rennen. Vor allem aber will sie gegen die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, antreten.

Als Sprecherin des "Hauses" vertritt und führt Pelosi die Demokratische Partei. Die Demokraten haben es nicht geschafft, den Irakkrieg zu verhindern, sie haben es nicht geschafft, den Präsidenten und Vizepräsidenten für ihre Lügen über den Irakkrieg zur Rechenschaft zu ziehen. Sie klammerten das Thema ‘Amtsenthebungsverfahren’ aus der Amerikanischen Verfassung aus, ließen es "unter den Tisch fallen". Sie wussten von einem Folterprogramm und weigerten sich, dieses öffentlich zu machen und zu stoppen. Sie stimmten für FISA und somit für die Überwachung amerikanischer Bürger. Sie gaben ihr Okay für das $700 Milliarden-Kautionspaket undsoweiter. Pelosi wusste das alles und stoppte es nicht.

Im Sommer 2007 waren wir im heißen, staubigen Crawford/Texas. Es war der dritte Sommer, in dem wir gegen Bushs Fortführung des Krieges im Irak protestierten. Cindy entschloss sich, Pelosi herauszufordern, weil diese Frau die Möglichkeit eines Amtsenthebungsverfahrens vom Tisch genommen hatte. Im Januar 2007, in einer ihrer ersten Stellungnahmen nach ihrer Ernennung zur Sprecherin des Repräsentantenhauses, äußerte Pelosi, Anhörungen für ein eventuelles Amtsenthebungsverfahren würden Amerika zu sehr spalten. Noch jetzt, am 29. Oktober 2008, sagte sie, es gäbe keine Belege für ein Fehlverhalten der Regierung. (Es gibt viele Bücher zu diesem Thema. Der Kongressabgeordnete Dennis Kucinich sprach im Repräsentantenhaus etliche Stunden über die kriminellen Handlungen der Bush-Regierung.)

Im Juli 2008 kündigte Sheehan an, sie gebe Pelosi noch zehn Tage Zeit, um das Amtsenthebungsverfahren wieder in die Verfassung zu integrieren. In diesen zehn Tagen reiste Cindy mit einem Team von 20 bis 60 Personen von Camp Casey in Crawford nach Washington D.C.. Sie legten mehrere Zwischenstopps ein - in Städten und Kleinstädten, die auf der Strecke lagen -, und sprachen mit den Leuten darüber, dass Regierungsoffizielle während ihrer Amtszeit nicht für ihre kriminellen Handlungen (Irakkrieg, Entführungen, Folter, illegale Abhöraktionen) zur Rechenschaft gezogen werden. Als wir in Washington ankamen, hatten sich uns 400 Leute angeschlossen. Gemeinsam marschierten wir vom Nationalfriedhof Arlington zum Repräsentantenhaus. Dort setzten wir uns in den Hallengang vor Pelosis und John Conyers Büro (Conyers ist der Vorsitzende des Justizkomitees des Repräsentantenhauses). Wir saßen dort den ganzen Tag lang.

Cindy ist die Mutter von Casey Sheehan (der im April 2004 im Irak getötet wurde). Sie und der ehemalige CIA-Präsidentenberichterstatter und Ex-Army-Captain Ray McGovern sowie der ehemalige Captain der US Air Force und Geistliche Reverend Lennox Yearwood trafen sich mit Conyers und sprachen zwei Stunden mit ihm. Sie drängten ihn, im Kongress jene Anhörungen zu starten, die die Amtsenthebung von Präsident Bush und Vizepräsident Cheney einleiten können.

Als sie das Büro verließen, waren sie sichtlich erschüttert, denn Conyers hatte gesagt, die Demokraten sorgten sich mehr um einen Sieg bei den Präsidentschaftswahlen 2008 als um ein Ende des Irakkrieges oder das Ziel, Bush und Cheney für ihre kriminellen Handlungen zur Verantwortung zu ziehen.

Als wir das Ergebnis des Gespräches mit Conyers hörten, stürmten 47 von uns Conyers’ Büro. Wir weigerten uns, den Raum wieder zu verlassen, bevor Conyers die Anhörungen anberaumt hatte. Gegen 20 Uhr erschien die Capitols-Polizei im Büro und verhaftete uns alle zusammen.

Pelosi brachte das Thema Amtsenthebung nicht mehr zur Sprache. Gleichzeitig kündigte Sheehan in Washington an, sie werde gegen die Haus-Sprecherin Pelosi, für den Kongress kandidieren.

Im Januar 2008 zog Sheehan aus ihrem Haus in der Bay-Region aus und übersiedelte nach San Francisco - in jenen Bezirk, den Pelosi vertritt. Sheehan startete ihren Wahlkampf für den Kongress. Rastlos sprach sie auf hunderten Bürgerveranstaltungen in San Francisco und besuchte Treffen so gut wie aller Organisationen der Stadt. Es dauerte nicht lange, bis sie sehr präsent im Stadtbild war.

Cindy Sheehan kandidiert als unabhängige Kandidatin. Um zugelassen zu werden, benötigte sie 10.000 Unterschriften. Es war schwierig, aber sie hat es geschafft. Sie ist eine von nur sechs unabhängigen Kandidaten aus Kalifornien, die die benötigte Zahl an Unterschriften für die Kongresswahl zusammenbrachten.

Zu diesem Zeitpunkt begannen die Demokratische Partei und die Medienmaschinerie, schärfer zu reagieren. Die Mainstream-Medien in San-Francisco veröffentlichten Sheehans offizielle Ankündigung ihrer Kandidatur überhaupt nicht, keines dieser Medien berichtete über ihren Wahlkampf gegen Pelosi. Plötzlich wurde die "Friedensmutter", über die in San Francisco und überall in den Staaten so viel berichtet worden war, ein eiskaltes Eisen. Die Interviews tröpfelten nur noch - im Fernsehen, in den Printmedien, in den Radios. Nur die Internet-Nachrichtenmedien veröffentlichten Sheehans Aussagen und berichteten über ihre aktive Kampagne in San Francisco.

Diese Woche schloss ich mich den vielen Freiwilligen aus ganz Amerika an, um an Haustüren zu klopfen, mit hochgehaltenen Schildern an Straßenecken zu stehen und Flugblätter mit Positionen zu verschiedenen Themen zu verteilen und mit den Wählern über die Gründe für Cindys Kandidatur gegen die führende Frau im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, zu sprechen.

Man hat den Eindruck, die Wähler in San Francisco sind nicht weniger verärgert als Cindy - über Pelosis Weigerung, die Finanzierung des Irakkrieges zu stoppen, über Pelosis Weigerung, Bush und Cheney für ihre kriminellen Handlungen zur Verantwortung zu ziehen und über Pelosis Wissen über Folter (durch Regierungsbriefings). In dieser Woche habe ich informelle Umfragen durchgeführt - unter den Wählerinnen und Wählern, die aus den ersten Wahlstationen der City Hall (von San Francisco) kamen. Diese Umfragen legen den Schluss nahe, dass Cindys Kampagne großen Gegenwind gegen Pelosi erzeugt hat.

Es ist interessant, zu sehen, wie langjährige Demokraten, die in der City Hall arbeiten, reagieren, wenn wir sie fragen, ob sie Cindy wählen werden. Sie verziehen ihr Gesicht, als wollten sie sagen, "ihr stinkt mir". Es ist derselbe Ausdruck, den wir in den letzten fünf Jahren bei Republikanern im Kongress sehen konnten, mit denen wir über den Krieg im Irak und über die Folter diskutierten.

In diesen Momenten - wenn reflexartig dieser angewiderte Ausdruck in den Gesichtern entsteht, weil wir Rechenschaft und einen Aufstand gegen das politische System fordern -, wird uns die eigentliche Herausforderung bewusst: Wir müssen die beiden großen politischen Parteien, die stillschweigend zusammenarbeiteten, um den Krieg zu unterstützen und fortzusetzen und niemanden zur Verantwortung zu ziehen, zu echtem Wandel in unserem politischen System zwingen.

WÄHLEN SIE CINDY - FÜR DEN WANDEL!

Ann Wright ist Army Colonel der Reserve (im Ruhestand). Sie ist Veteranin der Army und der Army Reserves. Sie ist 29 Jahre alt. Sie war als US-Diplomatin in Nicaragua, Grenada, Somalia, Usbekistan, Kirgisien, Sierra Leone, Mikronesien, Afghanistan und der Mongolei tätig. Am 19. März 2003 verließ sie das US-Außenministerium - aus Protest gegen den Irakkrieg. Sie schloss sich Cindy Sheehan an und errichtete im August 2005 zusammen mit 12.000 anderen in den Gräben von Crawford/Texas ein Camp, um gegen Präsident Bushs Krieg im Irak zu demonstrieren. Sie ist Ko-Autorin des Buches: "Dissent: Voices of Conscience"

 

Quelle:  ZNet Deutschland   vom 01.11.2008. Originalartikel:  "Stink Eye Politics" - Running Against the Republicans AND the Democrats: Why I’m Campaigning for Cindy Sheehan . Übersetzt von: Andrea Noll.

Veröffentlicht am

02. November 2008

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