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Größte Friedensdemos der Bundesrepublik vor 25 Jahren

Friedensbewegung im Wandel

Von Manfred Stenner

Das Netzwerk Friedenskooperative erinnert an die größten Friedensdemonstrationen in der Geschichte der Bundesrepublik vor 25 Jahren und reklamiert auch für heute die Beachtung der Warnungen vor militärischen Sackgassen und der Vorschläge für konstruktive, zivile Bearbeitung von Konflikten.

Am 22. Oktober 1983 fanden die größten Friedensdemonstrationen statt, die es jemals in der Bundesrepublik Deutschland gab. In Bonn, Hamburg, Berlin und Süddeutschland gingen weit über eine Million Menschen auf die Straße, um gegen die geplante Stationierung neuer Atomraketen zu demonstrieren. Das prägende Bild des Tages war die 108 Kilometer lange Menschenkette zwischen Stuttgart und Neu-Ulm (dem vorgesehenen Stationierungsort der neuen Atomraketen). Die damalige Mitveranstalterin DFG-VK Baden Württemberg hat am letzten Wochenende mit einer Fahrradtour entlang der Strecke an das "historische Ereignis" (so damals die ARD) erinnert.

In der Aktionswoche davor hatten tausende Veranstaltungen gegen die beabsichtigte Stationierung von Pershing II-Mittelstreckenraketen und Cruise Missiles stattgefunden. In Bonn wurde z.B. am Vortag der "Volksversammlungen für den Frieden" ganztägig das gesamte Verteidigungsministerium blockiert. Auch die Ostermärsche erreichten damals Rekordzuläufe mit hunderttausenden Menschen.

Die massive Zustimmung für die Friedensbewegung hätte damals fast den dann am 22. November 1983 doch getroffenen Stationierungsbeschluss des Bundestages verhindert, der erst 1987 durch das INF-Abkommen revidiert wurde. Inzwischen ist erwiesen, wie Recht die Friedensbewegung damals hatte. Die Stationierung von Atomraketen, die Moskau in acht Minuten erreichen konnten, hatte zu einer "umgekehrten Kubakrise" geführt. "Mehrfach stand die Welt damals am Rand des Atomkriegs, der letztlich mit mehr Glück als Verstand abgewendet wurde", wertet das Netzwerk Friedenskooperative.

Die Geschichte der Friedensbewegung in den folgenden 25 Jahren ist bis heute ein stetiges Auf und Ab mit vielen Einschnitten. Nach der Resignation durch den Stationierungsbeschluss (Bundeskanzler Kohl damals: "Die demonstrieren - wir regieren!") folgte die "Entwarnung" mit Abzug der Raketen, das Ende der Sowjetunion und damit der unmittelbaren Blockkonfrontation. Das auch durch begründete Angst motivierte Engagement ließ nach. Die Kriege im ehemaligen Jugoslawien erforderten neue Aktionsformen, z.B. unmittelbare Hilfe für Bürgerkriegsflüchtlinge. Massaker wie in Srebenica und Ruanda führten zu Pazifismusdebatten auch innerhalb der Friedensgruppen.

Strukturen der Friedensorganisationen sind aber über die Jahre erhalten geblieben und etwa beim Golfkrieg 1991 und dem Beginn des Irakkriegs 2003 konnten erneut Demonstrationen mit hunderttausenden TeilnehmerInnen organisiert werden.

Insgesamt ist aber ein Wandel eingetreten. Protest gegen militärische Intervention und Krieg wird vielfältig ergänzt durch eigene Beiträge zur Friedensarbeit vor Ort und durch intensive Diskussion und Vorschläge für alternative zivile Konzepte für den Umgang mit Krisen und Konflikten. Unter anderem die von der Kooperation für den Frieden herausgegebenen Dossiers für zivile Konfliktbearbeitung propagieren realitätstüchtige Vorschläge für den Irankonflikt, Israel/Palästina, den türkisch-kurdischen Konflikt sowie Afghanistan. Gleichzeitig sind die Gruppen der Friedensbewegung stark verbunden mit der globalisierungskritischen Bewegung sowie Umwelt-, Flüchtlings-, Bürgerrechts- und Eine-Welt-Gruppierungen. So entstehen viele gemeinsame Aktivitäten wie etwa beim G8-Gipfel in Heiligendamm und demnächst zum NATO-Gipfel Anfang April 2009 in Strasbourg und Baden-Baden.

"Bei allen Rückschlägen wie der fatalen Beteiligung der Bundeswehr am Afghanistankrieg, trägt die Friedensbewegung mit Wortmeldungen und Aktionen stark zu einem gesunden Misstrauen gegen Krieg und Militär in unserer Gesellschaft bei", - so die Friedenskooperative - "und die Politik wäre gut beraten, die Ablehnung des Krieges in der Mehrheit der Bevölkerung und die auf dem Tisch liegenden Alternativen nicht leichtfertig abzutun".

Manfred Stenner ist Geschäftsführer des Netzwerk Friedenskooperative

Quelle:  Netzwerk Friedenskooperative  - Pressemitteilung vom 21.10.2008.

P.S.: Das Netzwerk Friedenskooperative wurde Ende der achtziger Jahre als Nachfolgeorganisation des "Koordinierungsausschusses der Friedensbewegung" gegründet, der die "Volksversammlungen für den Frieden" am 22. Oktober 1983 veranstaltet hat.

P.P.S.: Eine Erinnerung an die damalige Menschenkette findet sich unter www.lebenshaus-alb.de/magazin/005287.html .

Veröffentlicht am

21. Oktober 2008

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