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Hiroshima-Überlebende: “Die Fingerspitzen der Toten fingen Feuer und das Feuer breitete sich über den ganzen Körper aus”

Zeugenbericht von Akiko Takakura über den 6. August 1945 in Hiroshima

In Deutschland lagern noch ca. 20 US-Atomwaffen im Fliegerhorst Büchel in der Eifel. Allein deren Sprengkraft entspricht einem Hundertfachen der Bomben von Hiroshima. Dabei hat schon die eine US-amerikanische Atombombe auf Hiroshima unvorstellbares Grauen über die Menschen dieser Stadt gebracht.

Davon zeugen Berichte von Menschen, welche die Bombe überlebt haben, von Hibakusha. Einige ins Deutsche übersetzte Zeugenberichte haben wir bereits in der Lebenshaus-Website veröffentlicht. Diese Texte mit den Aussagen von überlebenden Opfern der Atombombenabwürfe müss(t)en jedem Menschen zur Kenntnis gebracht werden. Es soll niemand sagen können, nicht gewusst zu haben, was den Menschen in Hiroshima und Nagasaki Grauenhaftes widerfahren ist.

Anlässlich einer Aktionswoche in Büchel sowie weiteren Aktionen, mit denen der Abzug der rund 20 US-Atomwaffen aus Deutschland gefordert wird und die Bundesregierung zum Verzicht auf die nukleare Teilhabe im Rahmen der NATO veranlasst werden soll, veröffentlichen wir ein weiteres Zeugnis einer Überlebenden des Hiroshima-Verbrechens vom 6. August 1945: den Zeugenbericht von Akiko Takakura.

Frau Akiko Takakura war 20 Jahre alt, als die Bombe abgeworfen wurde. Sie befand sich in der Bank von Hiroshima, 300 Meter vom Hypozentrum entfernt. Auf wundersame Weise entkam Frau Takakura dem Tod, von über 100 Fleischwunden auf ihrem Rücken abgesehen. Sie ist eine der wenigen Überlebenden, die näher als 300 Meter vom Hypozentrum entfernt waren. Zum Zeitpunkt der Aufzeichnung ihres Zeugenberichts im Jahr 1986 hat sie einen Kindergarten betrieben und den Kindern von ihren Erfahrungen aus dem Atombombenangriff berichtet.

Takakura: Nachdem der Fliegerangriffalarm vorbei war, ging ich von Hatchobori zur Bank von Hiroshima in Kamiya-cho. Ich erreichte die Bank etwa um 8:15 Uhr und schrieb meinen Namen in das Anwesenheitsbuch. Als ich meine Morgenroutine erledigte, die Tische abstauben und solche Dinge, wurde die Atombombe abgeworfen. Alles, woran ich mich erinnern kann, ist, dass ich plötzlich eine Art Blitz sah.

Interviewer: Können Sie diesen Blitz näher beschreiben?

Takakura: Naja, es war wie ein weißer Magnesiumblitz. Ich verlor das Bewusstsein kurz nach, oder vielleicht auch im selben Moment, in dem ich den Blitz sah. Als ich das Bewusstsein wiedererlangte, fand ich mich selbst im Dunkeln wieder. Ich hörte meine Freundin, Frau Asami, nach ihrer Mutter rufen. Kurz danach wurde mir bewusst, dass wir tatsächlich angegriffen wurden. Besorgt darüber, vom Feuer eingeschlossen zu werden, riet ich Frau Asami, aus dem Gebäude zu laufen. Frau Asami jedoch sagte nur, dass ich sie zurücklassen und versuchen sollte, selbst zu entkommen, weil sie dachte, sie würde es nirgendwohin schaffen. Sie sagte, sie könne sich nicht bewegen. Ich sagte ihr, dass ich sie nicht zurücklassen könnte, aber sie antwortete, dass sie nicht einmal aufstehen könne. Während wir redeten, wurde der Himmel immer heller. Dann hörte ich Wasser, das im Waschraum lief. Anscheinend waren die Wasserleitungen explodiert. Also schöpfte ich mit meinem Helm Wasser und goss immer wieder etwas über den Kopf von Frau Asami. Schließlich erlangte sie wieder vollständig das Bewusstsein und verließ mit mir das Gebäude. Zuerst wollten wir über die Paradeplätze fliehen, aber das war nicht möglich, weil eine große Feuerwand uns im Weg war. Stattdessen kauerten wir uns auf der Straße hin, in der Nähe eines großen Brunnens zur Feuerabwehr, der etwa so groß war wie dieser Tisch. Weil Hiroshima vollständig in Flammen stand, war uns fürchterlich heiß und wir konnten nicht gut atmen. Nach einer Weile erreichte uns ein Feuerwirbel aus dem Süden. Es war wie ein großer Feuer-Tornado, der sich über die ganze Breite der Straße erstreckte. Wo und was auch immer das Feuer berührte, wurde verbrannt. Es verbrannte mein Ohr und mein Bein, in dem Moment realisierte ich nicht, dass ich verbrannt war, aber ich bemerkte es später.

Interviewer: Das Feuer kam also auf Sie zu?

Takakura: Ja, das tat es. Der Feuerwirbel, der die ganze Straße bedeckte, näherte sich uns aus Richtung Ote-machi. Also versuchte jeder verzweifelt, vom Feuer fern zu bleiben. Es war wie die lebende Hölle. Nach einer Weile begann es zu regnen. Das Feuer und der Rauch machten uns so durstig und es gab nichts zu trinken, kein Wasser, und der Rauch zerstörte auch noch unsere Augen. Als es zu regnen begann, öffneten die Menschen ihre Münder, reckten ihre Gesichter gen Himmel und versuchten, den Regen zu trinken, aber es war nicht leicht, die Regentropfen mit dem Mund aufzufangen. Es war schwarzer Regen mit dicken Tropfen.

Interviewer: Wie groß waren die Tropfen?

Takakura: Sie waren so groß, dass es richtig schmerzhaft war, wenn die Tropfen uns trafen. Wir öffneten unsere Münder etwa so, so weit wie möglich im Bemühen unseren Durst zu stillen. Alle taten dasselbe. Aber es war einfach nicht genug. Irgendjemand, irgendjemand fand einen leeren Behälter und fing damit den Regen auf.

Interviewer: Ich verstehe. Hat der schwarze Regen denn tatsächlich ihren Durst gestillt?

Takakura: Nein, das hat er nicht. Vielleicht konnte ich nicht genug Regen auffangen, jedenfalls war ich immer noch sehr durstig und es gab nichts, was ich dagegen tun konnte. Was ich in dem Moment fühlte, war, dass ganz Hiroshima mit drei Farben bedeckt war. Ich erinnere mich an Rot, Schwarz und Braun, aber, aber, nichts weiter. Viele Menschen auf der Straße wurden unmittelbar getötet. Die Fingerspitzen dieser Toten fingen Feuer und das Feuer breitete sich von den Fingern allmählich über den ganzen Körper aus. Eine hellgraue Flüssigkeit tropfte von ihren Händen und versengte ihre Finger. Ich, ich war so geschockt darüber, dass Finger und Körper so verbrannt und deformiert werden konnten. Ich konnte es einfach nicht glauben. Es war schrecklich. Während ich das sah, war es für mich mehr als schmerzhaft, mir vorzustellen, wie diese Finger verbrannten, Hände und Finger, die eigentlich Babys halten oder Seiten umblättern, dass sie, dass sie einfach so verbrannten. In den Jahren nach dem Atombombenabwurf hatte ich fürchterliche Angst vor Feuer. Ich war nicht in der Lage, in die Nähe von Feuer zu kommen, weil alle meine Sinne sich daran erinnerten, wie furchtbar und schrecklich Feuer war, wie heiß die Flammen waren und wie schwer es war, die heiße Luft zu atmen. Es war wirklich schwer zu atmen. Vielleicht weil das Feuer all den Sauerstoff verbrannt hat, den es gab. Nicht nur ich, jedem ging es so. Und mein ganzer Körper war mit Wunden übersät.

Deutsche Übersetzung: Caroline Unger. Englische Fassung: Testimony of Akiko Takakura .

Siehe ebenfalls:

Weitere Zeugenberichte auf der Lebenshaus-Website unter:

Veröffentlicht am

26. August 2008

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