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Kanadische Gewerkschaftsführer sprechen sich gegen ein Freihandelsabkommen mit Kolumbien aus

Von Canadian Labour und Denis Lemelin, Paul Moist, John Gordon, George HeymanDenis Lemelin ist der nationale Präsident der Canadian Union of Postal Workers, Paul Moist ist der nationale Präsident der Canadian Union of Public Employees, John Gordon ist der nationale Präsident der Public Service Alliance of Canada und George Heyman ist der internationale Vizepräsident der National Union of Public and General Employees., 12.08.2008 - Rabble.ca / ZNet

Stellvertretend für eine Million Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes in Kanada besuchten wir zwischen dem 18. und dem 25. Juli Kolumbien. Unsere Aufgabe war es unter anderem, uns mit eigenen Augen davon zu überzeugen, dass unser Widerstand gegen das kanadisch-kolumbianische Freihandelsabkommen berechtigt ist. Was wir sahen und lernten, bestätigte uns, dass wir das Abkommen mit Berechtigung ablehnen und mit Berechtigung im Namen der kolumbianischen Arbeiter und ihrer Familien die Stimme gegen ein solches Abkommen erheben.

Wir trafen uns mit Menschen aus vielen Sektoren der kolumbianischen Gesellschaft - mit dem kolumbianischen Innenminister und anderen Regierungsoffiziellen, mit dem kanadischen Botschafter und Offiziellen der kanadischen Botschaft in Kolumbien, mit Führern der Gewerkschaft ‘United Central of Workers’ (CUT), mit Gewerkschaftsmitgliedern auf allen Ebenen. Wir trafen uns mit Mitgliedern der Opposition ‘Polo Democratico Alternativo’, mit mehreren Nichtregierungsorganisationen, mit Gruppen, die die indigene und die afro-kolumbianische Bevölkerung repräsentieren. Wir trafen uns mit Reportern und normalen Bürgern.

Wir besuchten die ärmsten der Armen - Familien, die von paramilitärischen Gruppen von ihrem Land vertrieben worden waren. Diese Paramilitärs agieren zum Nutzen transnationaler Unternehmen, die die Agrarproduktion, die Minen oder andere Geschäftsinteressen ausweiten wollen. Wir erfuhren, dass 4 Millionen Menschen - 10 Prozent der Bevölkerung - Vertriebene sind. Entschädigungen haben sie nicht erhalten.

Wir setzten uns mit alleinerziehenden Müttern und Großmüttern zusammen, die kein trinkbares Wasser und keine Abwasserleitung haben, keinen Strom und kaum Geld für Nahrung. Sie haben keine Chance, ihre Kinder jemals auf eine Schule zu schicken. Diese Bürger stammen überwiegend aus ländlichen Regionen und sind gezwungen, in den Straßen der Großstädte betteln zu gehen.

Ein Schwerpunkt war unser Besuch im Slum von Cali (Agua Blanca (Weißes Wasser)) und in der Hüttensiedlung La Onda, hoch über Medellin gelegen. Wir fanden an diesen Orten krasse Armut vor - verursacht durch Konzernentscheidungen, die in fernen Ländern fallen, Entscheidungen, die von der kolumbianischen Regierung abgesegnet werden, Entscheidungen, die den bewaffneten Konflikt, der Kolumbien seit 50 Jahren plagt, oftmals weiter anheizen.

Der Schlussreport des ‘Permanent People’s Tribunal’ bestätigt unsere Schlussfolgerungen. Das ‘Permanente Tribunal des Volkes’ hatte in Kolumbien zwei Jahre lang Anhörungen in 6 Wirtschaftssektoren (einschließlich des Öffentlichen Sektors) durchgeführt. Der Report verurteilt die kolumbianische Regierung und transnationale Konzerne. Er gibt ihnen die Schuld an zahllosen Verstößen gegen die Menschenrechte und gegen die Rechte der Gewerkschaften. Er fordert ein Ende der Immunität für Personen, die "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" verübt haben.

Der Report befasst sich auch mit den indigenen Völkerschaften (Kolumbiens). Ihr Fall liegt besonders krass. Der Report spricht von Akten des Genozids - von kulturellem Völkermord und Völkermord an Gemeinschaften. 28 indigene Gruppen seien "unmittelbar in Gefahr, physisch und kulturell ausgerottet zu werden", so der Report. 18 dieser Gemeinden bestünden mittlerweile aus weniger als 10 Mitgliedern. Sie "schweben zwischen Leben und Tod". Der Report listet danach eine die Welt schockierende Horrorliste von Verstößen gegen die Menschen- und Gewerkschaftsrechte auf.

Für Gewerkschafter und Bürgerrechtsaktivisten ist Kolumbien nach wie vor das gefährlichste Land der Erde. 2008 sind bislang 32 Gewerkschafter einem Attentat zum Opfer gefallen. In Kolumbien gibt es kein echtes rechtliches Rahmenwerk für freie kollektive Verhandlungen. Die Folge ist, dass mehr als 95% der Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes über keine durchsetzungsfähigen kollektiven Verhandlungsrechte verfügen.

Die Unterzeichnung eines Freihandelsabkommens mit Kolumbien würde die "Verstöße gegen die Humanität", wie sie das Tribunal dokumentiert hat, nur verschlimmern - solange Gewerkschafter in Gefahr schweben und das Recht auf freie kollektive Verhandlungen und andere Gewerkschafts- und Menschenrechte verletzt werden.

Das ‘Commons Standing Committee on International Trade’ hat diesem Umstand in seinem Juni-Report Rechnung getragen und empfiehlt dem Land Kanada, zum jetzigen Zeitpunkt "kein Freihandelsabkommen mit der Regierung von Kolumbien zu unterzeichnen und umzusetzen".

Vorsitzender des ‘Permanenten Tribunals des Volkes’ war der Nobelpreisträger Adolfo Perez Esquivel. Bei den Mitgliedern des Tribunals handelte es sich um respektierte Persönlichkeiten. In der Abschlusserklärung des Tribunals sagen diese: "Trotz einer sehr tragischen Situation, die seit vielen Jahrzehnten anhält, geht der starke Widerstand gegen die Ungerechtigkeit weiter und die firme Entscheidung hat Bestand, daran zu arbeiten, die Kultur des Konfliktes und des Krieges zu überwinden und die Transformation der Gesellschaft zu fördern, um einen echten verfassungsrechtlich verankerten Rechtsstaat zu schaffen".

Wir unterstützen die Mitglieder des Tribunals darin, dies "der Welt zu vermitteln sowie dem optimistischen Gefühl, das dieser Kampfgeist schafft, eine Stimme zu verleihen. Dies kann nur zu immenser Hoffnung führen".

Unserer Ansicht nach würde ein kanadisch-kolumbianisches Freihandelsabkommen für die Mehrheit der 45 Millionen Kolumbianer das Gegenteil von Hoffnung bedeuten. Es darf nicht verwirklicht werden.

Quelle: ZNet Deutschland   vom 13.08.2008. Originalartikel: Labour leaders report back: No to Colombia FTA . Übersetzt von: Andrea Noll.

Fußnoten

Veröffentlicht am

15. August 2008

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